Donald Trump setzt auf Zölle. Trotz harter Kritik an seinem Zickzack-Kurs sieht er sein Land auf dem besten Weg in ein „goldenes Zeitalter“. Doch es wird zunehmend schwieriger, mit seinem erratischen Kurs Schritt zu halten – nicht nur für Handelspartner, auch für seine eigene Partei. Und auch für mich – Beobachterin am Rande. Kann es wirklich sein, dass der mächtigste Mann der Welt einfach drauflos regiert?
Vergangene Woche im Supermarkt: Ich beobachtete einen jungen Mann, der sehr konzentriert das Kleingedruckte auf Verpackungen studierte. Einige Produkte stellte er dann verkehrt herum ins Regal zurück. Reflexartig drehte ich sie wieder richtig herum – man hat ja schließlich seinen Ordnungssinn.
An der Kasse trafen wir uns wieder, und ich fragte nach. Seine Antwort: Protest. Gegen Trumps Zollpolitik. Er boykottiere US-Produkte und kaufe nur noch europäische. Er ist Mitglied der Reddit-Gruppe „Buy from EU“ – über 220.000 Gleichgesinnte, die aktiv eine Alternative zu amerikanischen Produkten suchen und US-Waren im Supermarkt auf den Kopf stellen, um die Sichtbarkeit europäischer Marken zu erhöhen. Ein Guerilla-Marketing der besonderen Art. Aber kann so ein Boykott wirklich etwas bewirken? Und mal ehrlich – wer weiß schon aus dem Stegreif, welche Produkte tatsächlich aus den USA kommen?
Im Internet stieß ich auf die Plattform „Go European“ – eine Art interaktive Landkarte mit EU-Alternativen zu allem, von Zahnpasta bis Schokoriegel. Ich machte ein Spiel daraus: Herkunft raten. Coca-Cola? Klar, USA. Kellogg’s? Auch. Heinz-Ketchup? Logo. Aber dann kam die erste Überraschung: Milka gehört zum US-Konzern Mondelez. Toblerone übrigens auch. Und bei Ben & Jerry’s lag ich ungekehrt daneben: Der Eiskremgigant gehört seit 2000 zum britischen Konzern Unilever. Wieder was gelernt.
Im Bereich Essen und Pflege klappt ein Boykott erstaunlich gut. Es gibt viele europäische Wettbewerber. Aber dann: Blick aufs Smartphone. Tja – Apple.
Die nächste Herausforderung: Googeln ohne Google? Bestellen bei Otto statt bei Amazon? Xing nutzen statt LinkedIn? Klingt gut – funktioniert in der Praxis aber nur bedingt. Zudem: Gibt es eigentlich einen Umzugsservice für Kontakte und Netzwerke?
Und beim Streaming? Künftig Florian Silbereisen statt Netflix? Spätestens hier endet der Boykott-Spaß. Es fehlt schlicht eine europäische Super-Mediathek, ein soziales Netzwerk mit globaler Reichweite, ein konkurrenzfähiges digitales Ökosystem. Die Welt ist längst vernetzt – so einfach ist das alles leider nicht.
Und auch bei europäischen Konsumgütern kann man sich kaum sicher sein, dass sie aus nur einem Land stammen. Waren bestehen in der Regel aus Vorprodukten aus unterschiedlichen Ländern. Wer also ein gezieltes Endprodukt boykottiert, trifft damit mit Sicherheit nicht nur ein einziges Land. Die Sache ist komplizierter, als sie scheint. Ein Boykott von US-Produkten ist ein politisches Statement, klar – aber sicher kein einfacher Einkaufszettel. Ein bisschen mehr Bewusstsein für EU-Produkte schadet allerdings auf keinen Fall.
Was wirklich hilft? Eine kluge Politik, die Europa innovativ, digital und wirtschaftlich stark macht. Dann braucht es keinen Boykott – weil europäische Produkte von selbst ganz oben im Regal stehen. Auf den Kopf gestellte Ketchup-Flaschen gleichen geopolitische Machtspiele jedenfalls nicht aus.
Hand auf`s Herz: Würdet ihr einen US-Boykott durchhalten? Lasst es uns in den Kommentaren wissen und stimmt bei unserer Umfrage ab.