Putin will Mittelstreckenraketen in Serie produzieren

Putin lobte seine Militärs und Rüstungsfabriken für den Bau der neuen Rakete.
Putin lobte seine Militärs und Rüstungsfabriken für den Bau der neuen Rakete. Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
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Der Kreml brüstet sich mit seiner neuen Mittelstreckenrate und will sie in Serie bauen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hingegen spricht von Kriegsverbrechen und fordert eine Reaktion.

Kremlchef Wladimir Putin hat sich zufrieden mit dem Einsatz einer neuen Mittelstreckenrakete gegen die ukrainische Millionenstadt Dnipro gezeigt. Die als Oreschnik (deutsch: Nussstrauch) bezeichnete Rakete sei weltweit einzigartig, lobte er und kündigte eine Serienproduktion an. So eine Waffe habe «bisher niemand anders auf der Welt», sagte der russische Präsident bei einer Besprechung mit ranghohen Militärs und Vertretern der Rüstungswirtschaft. Die Entscheidung zur Serienproduktion sei gefallen, sie sei praktisch schon organisiert.

Moskau werde die Erprobung der Rakete dabei weiter fortsetzen, auch im Kampfeinsatz, betonte er. Den Beschuss von Dnipro mit der Rakete bezeichnete er als gelungenen Test.

Die Fernsehbilder zeigten Putin sichtlich erfreut. Oreschnik sei keine Modernisierung sowjetischer Technik, sondern zeuge vom technischen Fortschritt russischer Ingenieurskraft und der Stärke des Rüstungssektors, sagte er. Die Beteiligten am Bau der Rakete würden mit hohen Orden ausgezeichnet. «Die Resultate ihres Einsatzes sind von ihrem Effekt und ihrer Leistungsfähigkeit her vergleichbar mit dem Einsatz strategischer Waffensysteme.»

Dabei zähle das System Oreschnik weder zu den strategischen Waffen noch zu den Massenvernichtungswaffen, weil es auch sehr gezielt eingesetzt werden könne, fügte er hinzu. Moskau zufolge soll die Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen und unerreichbar für Flugabwehrsysteme sein. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig bestätigen. Experten gehen davon aus, dass die Rakete technisch gesehen auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnte.

Neuer Raketenangriff als Botschaft an den Westen

Russland hatte die Ukraine am Donnerstag mit einer neuen ballistischen Mittelstreckenrakete beschossen. Nach russischen Angaben wurde damit in Dnipro ein Rüstungsbetrieb angegriffen. Moskau hatte den Start der Rakete aber auch bewusst zur Abschreckung des Westens genutzt. Dieser soll daran gehindert werden, die von Russland angegriffene Ukraine weiter zu unterstützen – vor allem nicht mit weitreichenden Raketen zum Beschuss von Militärobjekten auf russischem Gebiet.

So können die Äußerungen eines hochrangigen Generals zu Putin bei der gleichen Sitzung als Drohungen an den Westen und insbesondere die Länder auf dem europäischen Kontinent verstanden werden. «Ausgehend von den gestellten Aufgaben und der Reichweite dieser Waffe, kann sie (die Rakete) Ziele auf dem ganzen Gebiet Europas angreifen, was sie vorteilhaft von anderen Arten hochpräziser Waffen großer Reichweite unterscheidet», sagte der Chef der strategischen Raketenstreitkräfte Russlands, Sergej Karakajew.

Selenskyj wirft Putin neue Kriegsverbrechen vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Putin derweil neue Kriegsverbrechen vor. Wenn jemand andere Länder beschieße, nicht nur um sie zu terrorisieren, sondern um neue Raketen für weiteren Terror zu testen, dann sei dies ganz sicher ein Kriegsverbrechen, argumentierte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Das Verhalten Russlands sei auch ein Affront gegenüber China und den Ländern des Globalen Südens, die zur Mäßigung aufrufen, klagte Selenskyj. Einmal mehr forderte er eine scharfe Reaktion der internationalen Gemeinschaft.

Der Kreml selbst wirft Kiew und dem Westen Eskalation vor und sieht im Einsatz der neuen Rakete eine Antwort auf den Beschuss russischen Territoriums mit weitreichenden westlichen Waffen durch die Ukraine.

Ukraine will neue Flugabwehrwaffen

Selenskyj richtete auch einen Appell an die eigenen Landsleute und die in Kiew arbeitenden ausländischen Diplomaten. Die Ukraine arbeite daran, ihre Flugabwehr zu verstärken. Trotzdem müsse jeder Luftalarm ernst genommen und bei Gefahr Deckung gesucht werden. Zugleich dürfe die potenzielle Gefahr eines russischen Raketenangriffs nicht als Vorwand genutzt werden, um freizumachen, sagte Selenskyj auch mit Blick auf die teilweise geschlossenen Botschaften im Land.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Kiew mit Washington über die Lieferung neuer Flugabwehrsysteme verhandeln will: «Die Ukraine hat nicht die Mittel, um Interkontinentalraketen abzuschießen, aber die Amerikaner haben sie», sagte ein nicht genannter Vertreter der Streitkräfte der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform in Kiew.

«Die Ukraine wird sich an die Vereinigten Staaten wenden, um solche Waffen geliefert zu bekommen», sagte er. Genannt wurden modernisierte Versionen des Flugabwehrsystems Patriot und das Raketenabwehrsystem Aegis Ashore. Solche Aegis-Abwehrschirme unterhalten die USA seit 2016 in Rumänien und seit wenigen Tagen auch in Polen. Sie richten sich angeblich gegen mögliche iranische Angriffe, Moskau versteht sie aber auch als Abwehr gegen seine Raketen.

EU-Parlamentspräsidentin fordert Taurus-Waffenhilfe für Kiew

Angesichts der verstärkten Angriffe Russlands in der Ukraine befürwortet EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die rasche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Auf die Frage, ob die EU-Staaten – wie die USA – den Einsatz weitreichender Raketen auch gegen Ziele in Russland erlauben sollten und Deutschland auch das Waffensystem Taurus liefern müsste, antwortete Metsola den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Ja, das ist auch die Position des EU-Parlaments. Es gibt breite Unterstützung für diese Forderung. Wir werden sehen, ob es nach der Bundestagswahl zu einer entsprechenden Kursänderung kommt.»

Vielleicht könnte es eine solche Kursänderung auch vorher schon geben, fügte Metsola hinzu, denn «es gibt ja auch in der Berliner Koalition unterschiedliche Positionen zur Taurus-Lieferung». Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine Taurus-Lieferung seit langem ab. Er fürchtet, dass Deutschland dadurch direkt in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen werden könnte. FDP und Grüne plädieren hingegen für die Lieferung des Waffensystems an die Ukraine.  (dpa/wr) 

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