Das Studium der Veterinärmedizin ist anspruchsvoll und durch einen Numerus clausus zulassungsbeschränkt. Zudem stellen der Berufsalltag und der Umgang mit Tieren hohe Anforderungen – sowohl körperlich als auch emotional. Dennoch entscheiden sich immer mehr Frauen für den Beruf, denn er ist vielseitig und zukunftssicher.
Laut aktuellem Tierärzte Atlas* sind derzeit rund 33.800 Tierärzt:innen in Deutschland aktiv – 71 % von ihnen sind Frauen. Dieser Anteil wird weiter steigen, da 87 % der aktuell Studierenden weiblich sind. Bereits ab einem Anteil von 70 % gilt ein Beruf laut arbeitsmarktwissenschaftlicher Definition als Frauenberuf – damit ist die Tiermedizin heute klar weiblich dominiert. Das klassische Bild des männlichen Tierarztes gehört mehr und mehr der Vergangenheit an. Die Gründe, warum der Beruf attraktiv ist, sind vielfältig.
Gute Auftragslage und positive Branchenentwicklung
Laut einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Skopos im Auftrag des Industrieverbands Heimtierbedarf e.V. und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe e.V. hatten im Jahr 2024 44 % der deutschen Haushalte mindestens ein Haustier. Seit 2007 soll die Zahl der Heimtiere um über 10 Millionen gestiegen sein – ein deutliches Wachstum, das sich sowohl in der Heimtierbranche als auch in der Veterinärmedizin bemerkbar macht.
Auch die Arbeitsmarktzahlen profitieren von dieser positiven Marktentwicklung: Die Arbeitslosenquote unter Tierärzt:innen ist in den vergangenen Jahren spürbar gesunken – von 3,3 % auf nur noch 1,8 %. Die Nachfrage nach tierärztlichen Leistungen bleibt somit hoch und sorgt für eine stabile Auftragslage in der veterinärmedizinischen Branche.
Steigende Honorare gleichen die gestiegenen Lebenshaltungskosten aus
Nicht nur die Beschäftigungsaussichten sind erfreulich – auch die Honorare von Tierärzt:innen sind gestiegen. Eine wichtige Entwicklung im Kontext steigender Lebenshaltungskosten. Im November 2022 trat eine umfassende Novellierung der Tierärztlichen Gebührenordnung (GOT) in Kraft. Diese sieht höhere Honorarsätze vor und ersetzt damit die zuletzt im Jahr 1999 grundlegend überarbeitete Fassung. Zwischenzeitlich hatte es lediglich vereinzelt pauschale Honorar-Anpassungen gegeben.
Auch angestellte Tierärzt:innen sollen von den positiven Entwicklungen in der Branche profitieren: Die Bundestierärztekammer e.V. passte 2018 ihre Gehaltsempfehlungen an und orientiert sich seither am Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD, Entgeltgruppe E13/1, Bund). Das empfohlene Bruttoeinstiegsgehalt für angestellte Tierärzt:innen lag 2024 dementsprechend bei 4.190 Euro.* Die Gehaltsempfehlung vom Bund angestellter Tierärzt:innen liegt bei einem Einstiegsgehalt von 3.710 Euro (Stand 2024)*. Weil Gehaltsempfehlungen nicht bindend sind, ist die Wahl des Arbeitgebers entscheidend im Hinblick auf eine angemessene und leistungsgerechte Entlohnung.
Vielfältige Berufsperspektiven
Nach erfolgreichem Staatsexamen, Approbation und praktischer Erfahrung haben Tierärzt:innen die Perspektive der Selbstständigkeit mit eigener Praxis oder können sich für die Tätigkeit in einem festen Anstellungsverhältnis entscheiden.
Dabei zeichnet sich ein klarer Trend ab: Immer mehr Tierärzt:innen entscheiden sich für eine Festanstellung. Im Jahr 2023 überstieg die Zahl der angestellten erstmals die der selbstständigen Tierärzt:innen – insbesondere in Bundes-ländern wie Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg. In anderen Regionen – etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern – dominiert aktuell hingegen die freiberufliche Tätigkeit.
Die Gründe für den Trend hin zur Festanstellung sind vielschichtig. Dr. Anna Magdalena Naderer vom Tierarztpraxisnetzwerk filu erklärt: „Unsere angestellten Tierärzt:innen schätzen außer unserer Unternehmenskultur der Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden auch verbindlich geregelte Arbeitszeiten – für viele Frauen ein zentraler Aspekt bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“ Auch sozialrechtliche Aspekte wie der Anspruch auf Elterngeld können bei der Wahl zwischen freiberuflicher und angestellter Tätigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Elterngeld können nur angestellte Tierärzt:innen beziehen. Neben einer Anstellung in einer Praxis steht Tierärzt:innen auch der Weg in die öffentliche Verwaltung und in eine verbeamtete Position offen. Auch dies ist für viele attraktiv.
Ein Beruf mit Sinn – und Herausforderungen
Während bei der Wahl des Beschäftigungsverhältnisses häufig Sicherheit und Stabilität im Vordergrund stehen, spielen bei der Entscheidung für den tierärztlichen Beruf vor allem ideelle und inhaltliche Motivationen eine Rolle. „Gerade junge Menschen suchen nach einer sinnstiftenden Tätigkeit in einem zeitgemäßen Arbeitsumfeld – Anforderungen, welche moderne Tierarztpraxen heute sehr gut erfüllen“, erklärt Dr. Anna Magdalena Naderer. Die tägliche Arbeit mit Tieren sei körperlich und emotional fordernd, zugleich jedoch auch hochgradig erfüllend. Die Möglichkeit, direkt zu helfen, werde von vielen Tierärzt:innen als sinnstiftend erlebt – ein Gefühl, das ein klassischer Bürojob oft nicht bieten könne.
Modernisierung dringend erforderlich
Dennoch sieht Naderer Verbesserungsbedarf in der Branche: „Noch immer existieren veraltete Strukturen in der Arbeitswelt – sowohl beim Umgang mit Mitarbeitenden als auch bei der Praxisorganisation“, berichtet Naderer. Überstunden und das Faxgerät sind in vielen Einrichtungen noch Standard.
Um dem steigenden Anspruch an eine moderne Arbeitswelt gerecht zu werden, seien dringend mehr Anerkennung im Berufsalltag und New-Work-Ansätze gefragt – etwa Arbeitszeitmodelle, die mit Familie und Freizeit vereinbar sind, digitale Prozesse, ein wertschätzendes Umfeld und die Möglichkeit, auf hohem veterinärmedizinischem Niveau zu arbeiten. Nur so bleibe der Beruf für jüngere Generationen und Frauen attraktiv, die zunehmend den Berufsstand prägen.
Fachkräftemangel und internationale Perspektiven
Ein weiteres zentrales Thema sieht die Tierärztin im Fachkräftemangel, der sich in ländlichen Regionen bemerkbar mache, aber auch in urbanen Gebieten spürbar sei. „Wir suchen an nahezu allen Standorten engagierte Tierärzt:innen“, betont Naderer und plädiert für gezielte Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und Integration internationaler Fachkräfte in die veterinärmedizinische Arbeitswelt Deutschlands. Ein zentraler Punkt beim Kampf gegen den Fachkräftemangel sei dabei eine attraktive und angemessene Entlohnung: “Es ist immer noch häufig so, dass sich Wohnort und Aufteilung der Care Arbeit am besserverdienenden Ehemann orientieren. Attraktive Gehälter für Tierärzt:innen können dem entgegenwirken, so dass auch sie ihre Chancen und Möglichkeiten in der praktischen Tätigkeit wahrnehmen können”, sagt Naderer.