Ab wann Grundschulkinder Aufgaben allein meistern können

Auch Freunde treffen, will gelernt sein: Damit das später verlässlich klappt, kann man in kleinen Schritten damit anfangen, etwa auf die Uhr schauen, um zur verabredeten Zeit nach Hause zu kommen.
Auch Freunde treffen, will gelernt sein: Damit das später verlässlich klappt, kann man in kleinen Schritten damit anfangen, etwa auf die Uhr schauen, um zur verabredeten Zeit nach Hause zu kommen. Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn
Früher oder später kommt der Moment: Kinder wollen mehr alleine machen. Aber wie viel Selbstständigkeit tut einem Grundschulkind wirklich gut – und wann ist es noch zu früh? Tipps von Expertinnen.

Berlin/Fürth (dpa/tmn) – Selbstständig werden und Aufgaben eigenständig meistern – für Grundschulkinder ist das ein zentraler Entwicklungsschritt. Doch wie viel Verantwortung können sie in diesem Alter übernehmen? Welche Rolle kommt dabei den Eltern zu? Eine Sozialpädagogin und eine Familientherapeutin geben praktische Tipps.

Etwas Kleines einkaufen gehen

Der erste eigenständige Einkauf ist für Kinder ein prägender Moment und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Grundschulkinder können kleine Besorgungen, wie Brötchen beim Bäcker holen, oft schon gut bewältigen. «Mit sieben bis acht Jahren verstehen sie den Umgang mit Geld besser», sagt Dana Mundt. Die Sozialpädagogin koordiniert bei der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth die Beratungsangebote für Eltern und Jugendliche.

Eltern sollten das Einkaufen vorab spielerisch üben – zunächst zu Hause, dann in Begleitung. Wichtig ist, dass sie Vertrauen zeigen und kleine Erfolge gezielt loben: «Du hast dich getraut, das finde ich toll! Beim nächsten Mal kannst du noch aufs Wechselgeld achten», rät Mundt. Im Hintergrund bleiben sie unterstützend erreichbar, falls etwas schiefgeht.

Sich im Haushalt beteiligen

Auch im Haushalt können Grundschulkinder mehr Aufgaben übernehmen. «Je früher man beginnt, desto einfacher wird es», sagt Mundt. Schon im Kita-Alter können Kinder den Tisch decken, Spielsachen wegräumen oder ihre Sporttasche packen – erst mit Anleitung, später selbstständig.

Wichtig ist, die Erwartungen anzupassen: Ein perfektes Ergebnis muss nicht das Ziel sein. Stattdessen sollten Eltern freundlich und ermutigend bleiben, so die Sozialpädagogin. Etwa mit Fragen wie: «Was fiel dir leicht? Was war schwieriger?» So bleibt man im Dialog und erkennt, wie das Kind mit den Aufgaben zurechtkommt und wo es noch Hilfen braucht.

Auf Geschwister aufpassen

Die Betreuung jüngerer Geschwister ist eine echte Möglichkeit, Verantwortungsbewusstsein zu stärken. «Ein Schulkind kann man darum bitten, mit jüngeren Geschwistern zu spielen», sagt Mundt. Die Aufgabe sollte jedoch klar definiert und an das Alter sowie die Fähigkeiten des Kindes angepasst sein. 

Ein achtjähriges Kind kann für kurze Zeit auf ein jüngeres Geschwisterkind aufpassen, sollte dabei aber nicht überfordert werden. Möglich ist abzusprechen: «Wenn ihr euch streitet, bist du der Ältere und hast mehr Verantwortung», sagt Stefanie López, die als Familientherapeutin in Berlin arbeitet. Eltern sollten in der Nähe bleiben, um bei Problemen eingreifen zu können.

Sich mit Freunden verabreden

In der Kita organisierten Eltern noch die Spieltreffen. In der Grundschule beginnen Kinder, sich selbst zu verabreden – und müssen lernen, ihre Pläne mit den Eltern abzusprechen. Ausprobieren kann man das in einem «geschützten, sicheren Rahmen», so Mundt. Sie schlägt vor, das Kind mit einem Nachbarskind spielen zu lassen und ihm zu sagen, es solle ab und zu auf die Uhr schauen, um zur verabredeten Zeit nach Hause zu kommen. Denn die Uhrzeit erlernen Kinder im Grundschulalter.

Spielt das Kind später bei Schulfreunden, sollten die Eltern im Notfall erreichbar sein – Telefonnummern auszutauschen und klare Absprachen schaffen auch hier Vertrauen.

Den Schulalltag meistern

Auch der Schulalltag bietet viele Gelegenheiten, Selbstständigkeit zu fördern. Eltern können auf dem Schulweg mögliche Gefahrenstellen mit dem Kind abgehen und Verkehrsregeln spielerisch abfragen. Etwa mit Fragen wie: «Was machst du, wenn …?» Solche Übungen geben Sicherheit, sich alleine auf dem Schulweg zu bewegen, so López.

Auch das eigenständige Packen des Schulranzens oder das Erledigen der Hausaufgaben sind gute Übungen. «Für den Anfang reicht es schon, Verantwortung in kleinen Dosen zu übernehmen», so Mundt.

Ein häufiger Stolperstein ist der Zeitdruck am Morgen. Hier rät López, sich als Eltern zu reflektieren: «Wenn ich pünktlich sein will, spürt das Kind den Druck, übernimmt ihn aber nicht unbedingt.» Besser sei es, Fehler zuzulassen – in der Schule erhalte das Kind ohnehin Rückmeldung. Das helfe viel mehr.

Schritt für Schritt zu mehr Selbstständigkeit

Der Weg zu mehr Selbstständigkeit ist ein Prozess, der Zeit braucht. «Manche Kinder stehen sofort auf, wenn der Wecker klingelt. Andere werden noch mit zehn Jahren geweckt», erzählt López. Eltern sollten anerkennen, dass jedes Kind unterschiedlich ist, und Aufgaben an individuelle Fähigkeiten anpassen. Fragen wie «Was brauchst du, damit es klappt?» helfen, Hindernisse gemeinsam zu überwinden.

Loslassen gehört auch dazu: «Für das Kind ist es wichtig, sich im Leben bewegen zu können. Man lernt nichts, ohne Fehler zu machen und zu scheitern», sagt López. Eltern sollten daher Schritt für Schritt Verantwortung abgeben und sich selbst reflektieren: «Wo bin ich überfordert, und wie kann ich den Übergang gestalten?» Am Ende profitieren alle davon – Kinder entwickeln Selbstvertrauen und Eltern gewinnen ihre eigene Zeit zurück.

Diesen Artikel teilen
Anzeige
Foto: Nina Ruge

Neue Ausgabe!

Lehrerin, TV-Moderatorin, Longevity-Expertin: Nina Ruge hat sich in ihrer Karriere oft neu erfunden. Ihrer Lebenseinstellung ist sie jedoch stets treu geblieben: sein Bestes geben, aus Niederlagen lernen und seinem Leben Sinn und Tiefe geben. Ein Interview über gesundes Altern, rebellische Teenagerphasen und erlernte Sparsamkeit. Ab 12. August im Handel oder im Shop schon heute digital lesen.