„Abbauen von Tabus“

Foto: luismmolina/iStock in vitro Eizellen
Foto: luismmolina/iStock

Johanna Rief hat lange in der Sexual-Wellness-Branche Karriere gemacht. Nun möchte die 36-jährige Österreicherin mit ihrem Start-up Fyrce Care das Einfrieren von Eizellen transparenter und zugänglicher machen.

von Annalena Graudenz

Trifft man sich mit Johanna Rief in einem Café zum Interview, um über ihre Karriere zu sprechen, werden die Gespräche um einen herum leiser und sämtliche Ohren gefühlt größer. Denn für die 36-jährige Österreicherin gibt es offensichtlich weder Tabus noch unangenehme Gesprächsthemen. Als ehemalige Global Director of Public Relations und Head of Sexual Empowerment bei Womanizer fällt es ihr unüberhörbar leicht, all jene Dinge laut auszusprechen, über die andere nur im vertrautesten Kreis flüstern. Denn Womanizer, das sich binnen zehn Jahren vom niederbayrischen Sextoy-Startup zu einem internationalen Sexual-Wellness-Unternehmen entwickelt hat, wirbt mit dem Slogan: „Orgasms are our business“. Klar, dass Johanna Rief aus Überzeugung Klartext redet.

Mit diesem Spirit entstand auch ihre Idee für das Start-up Fyrce Care. „Ich habe eine Zeit lang in New York gearbeitet und war erstaunt, wie selbstverständlich Frauen dort beim Dinner über Kinderwunsch und Egg Freezing sprechen“, erinnert sich Rief. Selbst in ihrer weltoffenen Wahlheimat Berlin und ihrem Freundeskreis wurde derlei kaum angesprochen. Also hat sie sich die Zahlen angeschaut: Weltweit ist einer von sechs Menschen von Unfruchtbarkeit betroffen, die Hälfte aller hochgebildeten Frauen ist mit 35 kinderlos, wobei die Fruchtbarkeit ab 30 abnimmt. „Wir haben eine Unfruchtbarkeitskrise, die Zahlen steigen, auch bei Männern. Das liegt an unserem Lebensstil. Wir bekommen später Kinder, nehmen Mikroplastik zu uns et cetera“, so Johanna.

Damit war die Idee für ihr Unternehmen geboren. Sie bezeichnet Fyrce Care als die „beste Freundin“ für das Einfrieren von Eizellen, mit individueller Unterstützung und einer Community aus gleichgesinnten Frauen, um die Vorbereitung und den Prozess zu erleichtern und so die Ergebnisse zu verbessern. „Wir bieten alles, was du brauchst: angefangen bei Wissen und Fruchtbarkeitstests, künftig auch passende Nahrungsergänzungsmittel und Programme, die dich körperlich sowie emotional begleiten, bis hin zur Finanzierung.“

Früher hatte Johanna nie das Bedürfnis, zu gründen. Aber nach zehn Jahren Berufserfahrung mit großen Erfolgen – sie spielte eine entscheidende Rolle dabei, die Marke Womanizer „von drei auf über 1000 Mitarbeitende zu skalieren“, und war für ein 20-köpfiges Team in 16 Märkten verantwortlich – wuchs der Wunsch nach etwas Eigenem. Wenn diese ansteckend gut gelaunte Frau über ihr Projekt spricht, dann mit einem Funkeln in den Augen, viel Spaß und Leichtigkeit. Genau so möchte sie dieses Thema gesellschaftsfähig machen. Sie bietet Events unter dem Namen „Crémant & Egg Freezing“ an. Dort werden Frauen in Kinderwunschkliniken eingeladen, um sich bei prickelnden Drinks und Snacks über Social Freezing zu informieren. „Allein das Wort ‚Kinderwunschklinik‘ hält viele davon ab, einen Termin auszumachen. Aber in einem kleinen Kreis, bei einem Gläschen Crémant, sinkt die Hemmschwelle“, erklärt Johanna.

Bislang war vor allem Medical Freezing bekannt, also das Einfrieren von Eizellen zum Beispiel bei einer Krebserkrankung. Aber heute können das auch gesunde Frauen machen lassen, sollten sie für Kinder noch nicht bereit sein oder den richtigen Partner bisher nicht gefunden haben. Für Johanna Rief das ideale Businessmodell. „Ich bin 36, Single und habe viele Single-Freundinnen in meinem Alter – dann ist das natürlich auch ein eigenes Interesse.“

Ihr nächster Schritt soll „eine Art Flagship Store“ sein, in dem Frauen sich sowohl physisch als auch psychisch auf die Prozedur vorbereiten können: „Egg Freezing ist teuer und etwas sehr Intimes, daher möchte ich für Frauen ein möglichst stilvolles und sicheres Ambiente schaffen.“ In diesem Jahr möchte Johanna sich ihre eigenen Eizellen einfrieren lassen und den Prozess auf Instagram begleiten, um wieder einmal ein Tabu zu brechen und Frauen zu empowern.

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