Berlin (dpa) – Die Autorin Alexa J. Bloom stellt ihrem Roman «The Villain’s Temptation» einen interessanten Hinweis voran: «Verantwortungsvoll lesen!», heißt es dort. Es folgt eine Warnung vor den Inhalten, die in dem Buch vorkommen – darunter Folter, Kidnapping und Nekrophilie.
Solche Inhalts- und Triggerwarnungen findet man inzwischen auch zu Beginn von Serien, Beiträgen in den sozialen Netzwerken oder in Podcasts. Sie sollen den Konsumenten bei der Entscheidung helfen, ob sie bestimmte Themen vermeiden wollen. Einige kritisieren die Warnungen jedoch.
«Trigger sind Reize», erklärt Psychologin Birgit Langebartels den Begriff. Ihr zufolge können diese etwa durch Gerüche oder auch Situationen bestimmte emotionale oder körperlichen Reaktionen auslösen. Bei Betroffenen sei es möglich, dass ihre früheren Traumata durch Trigger wieder hervorgerufen würden und zu Panikattacken führten. Die jeweiligen Warnungen sollen genau vor solch einer Retraumatisierung schützen – zum Beispiel bei Medien, die (sexuelle) Gewalt, Kindesmissbrauch oder Mobbing thematisieren.
Häufig Triggerwarnungen beim beliebten Genre Dark Romance
In der Literaturbranche gibt es noch keine einheitliche Handhabung. Bei der Verlagsgruppe Penguin Random House treffen die zugehörigen Verlage selbst die Entscheidung über eine Triggerwarnung. Einer Sprecherin zufolge arbeite man dabei eng mit den Autoren und Autorinnen zusammen und entscheide bei jedem Buch individuell.
Vor allem bei Kinder- und Jugendbüchern warne man häufig – und bei dem unter jungen Lesern beliebten Genre der Dark Romance. Dieses umfasst Liebesgeschichten, in denen zumeist der männliche Partner moralisch mindestens zweifelhaft ist und die Protagonistin beispielsweise stalkt, manipuliert oder vergewaltigt. Die Szenen sind oft sehr explizit.
Welche Themen am meisten bei uns auslösen
«Bei Themen wie Suizid und sexualisierte Gewalt halten wir eine Warnung im Kinder- und Jugendbuch für notwendig, vor allem gepaart mit Hinweisen auf Anlaufstellen bei Problemen», heißt es von Penguin Random House. Psychologin Langebartels zufolge sind diese Themen neben Gewalt, Selbstverletzung, Drogenmissbrauch und Rassismus auch die gängigsten Trigger. Daher werde auf sie am häufigsten hingewiesen.
Langebartels steht solchen Informationen generell positiv gegenüber. Sie können dafür sensibilisieren, wertschätzender mit sich selbst umzugehen. Doch die Psychologin betont auch, dass sie «nie ganz vollständig» sein könnten, da Trigger sehr individuell seien. «Natürlich kann man nicht vor Briefkästen, Bäumen, Lampen und so weiter warnen.»
Eher außergewöhnliche Triggermitteilungen kann man auf der Website «Did the Dog die?» nachsehen. So wird etwa bei dem vieldiskutierten Dark-Romance-Buch «Haunting Adeline» von H. D. Carlton, in dem die Protagonistin sich in ihren Stalker verliebt, neben Vergewaltigung etwa auch vor dem Auftauchen von Spinnen und Clowns gewarnt. Auch eine Verletzung der Achilles-Sehne im Roman wird gekennzeichnet.
Lesen, gerade wegen der Triggerwarnung?
Doch solche Hinweise stoßen nicht nur auf Zuspruch. Kritiker sehen in ihnen ein Zeichen für eine angeblich verweichlichte Gesellschaft. Kunstpublizist Raimar Stange etwa argumentiert im Jahr 2022 in einem Beitrag im Magazin «Monopol»: Triggerwarnungen würden die «Wirkungen der Kunst verdünnen».
In der Buch- und Medienbranche wird zudem das Argument vorgebracht, Triggerwarnungen verrieten den Inhalt der Bücher und würden so Spannung nehmen. Für Penguin Random House ist eine Triggerwarnung bei Dark Romance jedoch «unabdingbar», wie es von der Sprecherin heißt. Mit einem Aufkleber kennzeichne man Bücher dieses Genres. Dass Warnungen den Kauf solcher Werke beeinflussten, habe dabei bislang nicht festgestellt werden können.
Das bestätigt auch eine wissenschaftliche Auswertung. Eine Metaanalyse australischer Forscher aus dem Jahr 2023 kam zu dem Ergebnis, dass die Hinweise entweder keinen Effekt hätten oder dazu führten, dass man sich eher mit den entsprechenden Themen auseinandersetze. Psychologin Langebartels beobachtet, «dass Triggerwarnungen manchmal auch eine Lust am Verbotenen, Lust am Extremen beleben».
Dark-Romance-Autorin ist dankbar für Triggerwarnungen
Eine, die literarisches Interesse am Verbotenen hat, ist die Autorin Bloom aus Karlsruhe. Mit 17 schreibt sie ihr erstes Dark-Romance-Buch, veröffentlicht es mit 18 und teilt seitdem Inhalte dazu in den sozialen Medien.
In ihrer erfolgreichen Buchreihe «Shadowfall Academy» geht es um «moralisch graue Protagonisten, die manchmal wagen über Grenzen zu gehen, die man sich im wahren Leben nicht trauen würde zu überschreiten», erklärt sie der Deutschen Presse-Agentur. Triggerwarnungen findet man in all ihren Büchern – teils auch erst ganz am Ende. Es ist ihre Antwort darauf, dass manche Leser Warnhinweise als Spoiler verstehen.
Auch für Bloom gebe es Themen, über die sie ungern lese. Darum sei sie dankbar, wenn andere ebenfalls Triggerwarnungen einbauten, sagt sie. Dennoch müsse die Entscheidung bei den Autoren liegen. Auch einen Hinweis darauf, für welches Alter ein Buch empfohlen wird, befürwortet die heute 19-Jährige – gerade bei Dark Romance. Das Wichtigste sei, «dass man als Leser wissen muss: Worauf reagiere ich beim Lesen?»
Für Psychologin Langebartels liegt der positive Effekt der Warnungen in der Entscheidungsfreiheit. «Auch Menschen ohne eine Trauma-Erfahrung können davon profitieren.»