Annette Dittert sagt Ade ARD

Ihr schillernder Stil brachte Farbe ins graue Westminster: Annette Dittert. (Handout)
Ihr schillernder Stil brachte Farbe ins graue Westminster: Annette Dittert. (Handout) Foto: Paulo Ricca/Annette Dittert/dpa
Vom Deck ihres Londoner Hausboots erklärte sie Deutschland die Briten und den Brexit. Ihr schillernder Stil brachte Farbe ins graue Westminster. Jetzt bricht ein großer ARD-Star auf zu neuen Ufern.

London (dpa) – Fast zwei Jahrzehnte lang war sie eine der bekanntesten deutschen Stimmen an der Themse, hat den ARD-Zuschauern die Briten und den Brexit erklärt, schrullige Schlossherren auf Fuchsjagd interviewt und die historische Nachricht vom Tod der Queen überbracht. Ihre scharfen Beobachtungen mischte sie stets mit einer Prise Humor. Ihre Garderobe – so bunt und verspielt wie ein Korallenriff – brachte Farbe ins oft graue Westminster.

Doch jetzt hört Annette Dittert auf. Ab Jahresende wird sie zumindest nicht mehr im Ersten als Korrespondentin aus London berichten. Sie verlasse den Sender auf eigenen Wunsch, verkündete Dittert vor einigen Tagen über ihren Instagram-Kanal. 

Brexit, Olympia, Tod der Queen: «Was soll da noch kommen?»

«Ich mache diesen Job jetzt seit über 25 Jahren für die ARD, in London seit 17 Jahren. Ich habe hier über den Brexit berichtet, über dieses verrückte Jahr 2019, über die Olympischen Spiele, über den Tod der Queen. Was soll da noch kommen?», sagt Dittert der Deutschen Presse-Agentur bei einem Besuch auf ihrem eigens für sie angefertigten Hausboot Emilia, das fest vertäut in einem Kanal im Londoner Nordwesten liegt. «Irgendwie habe ich das Gefühl, das ist jetzt auch gut. Man merkt ja, wenn man eine Sache wirklich ausgereizt hat. Und ich habe einfach alles erlebt, was man bei der ARD erleben kann.»

Sie könne sich vorstellen, in Zukunft thematisch stärker in die Tiefe zu gehen, auch mal längere Analysen zu machen, mehr für britische Medien zu arbeiten. Das alles habe sie bisher nur am Wochenende geschafft. Weniger bekannt bei ihren deutschen Zuschauern dürfte sein, dass Dittert auch eine viel beachtete Stimme in Großbritannien ist, die den Briten mit ihren ungeschminkten politischen Analysen im «New Statesman» gerne mal den Spiegel vorhält.

Ab jetzt jeden Donnerstag auf Instagram

Erstmal wolle sie aber jetzt ihr neues Buch über ihre Wahlheimat fertig schreiben, das im Mai kommenden Jahres erscheinen soll. Dittert, schon längst in London zu Hause, ist seit diesem Jahr auch britische Staatsbürgerin. «Mal schauen, was danach kommt. Ich fühle mich aktuell wieder wie vor dem Abi», sagt sie.

Ihren mittlerweile zahlreichen Fans in Deutschland will sie auf jeden Fall erhalten bleiben. Statt als ARD-Korrespondentin wird sie sich nun jeden Donnerstag auf Instagram mit einem neuen Video melden. So hat sie es in ihrem Abschieds-Video versprochen. 

Der kurze Clip mit einem Rückblick auf ihre bewegte Zeit in London ging sofort viral. Beinahe 800.000 Aufrufe innerhalb eines Tages und eine Verdopplung ihrer Follower-Zahl waren die Folge. «Ich dachte, das werden vielleicht 1.000 Likes. Und plötzlich explodiert das, völlig crazy.» Sie habe sich nicht viel bei ihrer Ankündigung wöchentlicher Videos gedacht, aber jetzt müsse sie wirklich jeden Donnerstag etwas erzählen.

Eine Pionierin des Videoblogs

Große Schwierigkeiten sollte sie dabei nicht haben. Ihre eigene Marke ist sie sowie längst, auch abseits der ARD. Mit ihrem ikonischen London-Calling Format gehörte sie zu den Pionieren des Videobloggens. «Ich habe ja quasi das, was jetzt alle auf Instagram machen, erfunden», sagt sie und lacht. «Das war damals wirklich neu und das habe ich einfach gemacht aus Quatsch, weil ich irgendwie Lust hatte, diese Mentalität der Briten besser zu verstehen.»

Ihr Film- und Tonstudio wird dabei weiter Hausboot Emilia bleiben. «Ich gehe hier nicht mehr weg», sagt Dittert, die 365 Tage im Jahr auf dem Wasser lebt. Das Boot ist ihr Zuhause, Arbeitszimmer, Rückzugsort und Fundament ihres Lebens in Großbritannien.

Dittert liebe das Gefühl, «eigentlich draußen zu wohnen». Das Blätterwerk der über den Kanal ragenden Bäume verdecke im Sommer die benachbarten Häuser, für einige Monate sehe sie dann nur den Kanal, das Grün der Blätter und den blauen Himmel. Das Außendeck ihres Bootes werde zum Wohnzimmer, die Kaimauer zum blühenden Hortensien-Garten.

«Es ist nicht immer nur toll, hier zu wohnen»

Auch die Winter ließen sich größtenteils gut überstehen, sagt Dittert – warm eingepackt in einen dicken, rosa-violett gestreiften Wollpulli und mit einer dampfenden Tasse Tee in den Händen. Ihr Boot sei stark isoliert, mit typisch deutschen, doppelt verglasten Fensterscheiben. Ein gemütlicher, fast nestartiger Raum, in dem sie dank Heizofen, Luftentfeuchter und einer eingespielten Routine auch feucht-kalten Zuständen trotze. Benachbarte Bootsbewohner nennen Emilia laut Dittert auch «The German Palace». 

Dennoch könne es nachts teilweise bitterkalt an Bord werden. «Es ist nicht immer nur toll, hier zu wohnen», gibt Dittert zu. Kürzlich habe sie mit Schrecken in der Zeitung gelesen, dass die vergleichsweise milden Londoner Winter bei einem klimabedingten Abebben des Golfstroms um dramatische zehn Grad kälter werden und die Stadt in eine Eis-Metropole verwandeln könnten.

Auch sonst sieht es in Großbritannien nicht gerade rosig aus. Das Gesundheitssystem ist marode, auf dem Immobilienmarkt herrschen feudalistische Zustände und die Rechtspopulisten sind auf bestem Weg, demnächst die Macht zu übernehmen. Warum will man in diesem Land alt werden?

Selbst Rechtspopulisten seien hier charmanter als woanders

«Weil ich hier zu Hause bin, mit all den guten und den schlechten Seiten, und weil es woanders auch nicht besser ist», sagt Dittert mit Blick auf die politische Lage. «Wenn wirklich die Rechtspopulisten die Macht übernehmen sollten, glaube ich, wird das hier immer noch angenehmer bleiben, als wenn das in anderen Ländern passiert.» In Großbritannien seien eben selbst Rechtspopulisten noch eine Prise charmanter.

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