Berlin (dpa) – Jetzt bloß nichts Falsches sagen. Diesen Moment kennt auch die Festivalchefin der Berlinale. In wenigen Wochen eröffnet Tricia Tuttle die nächsten Filmfestspiele in Berlin. Manchmal denke sie bei Regisseurinnen und Regisseuren: «Oh mein Gott, was ist, wenn ich jetzt etwas Dummes ausgerechnet zu meinem Lieblingsfilmemacher sage?»
Bei Stars erstarre sie aber eigentlich nicht in Ehrfurcht, sondern erinnere sich einfach daran, dass sie auch nur Menschen seien, sagte Tuttle (55) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie versuche deshalb, sich ihnen gegenüber ganz normal zu verhalten.
Die nächste Berlinale wird am 12. Februar eröffnet und zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals. Noch ist die Gästeliste geheim, aber fest steht bereits, dass Schauspielerin und Oscarpreisträgerin Michelle Yeoh («Wicked», «Everything Everywhere All at Once») den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk bekommen wird.
Diese Themen empfiehlt Tuttle
Regisseur Wim Wenders («Paris, Texas») wird die Jury leiten. Mit ihm war Tuttle neulich schon mal Schnitzel essen. Das sei ein guter Eisbrecher gewesen, erzählt die 55-Jährige. Fragt man sie nach Tipps für Smalltalk, empfiehlt sie, sich über normale Dinge zu unterhalten. «Am liebsten spreche ich über Lieblingsfilme, die besten Filme des Jahres, Kinder, Fußball.»
Die US-Amerikanerin ist selbst ein großer Fan des britischen Clubs Arsenal. In Berlin habe sie noch keinen Lieblingsfußballverein. Ein Freund habe aber eine Dauerkarte für Union Berlin und sage immer wieder, dass er sie mitnehmen werde. «Ich glaube, ich werde wohl Fan werden müssen.»
Für Tuttle, die früher das BFI London Film Festival leitete, wird es die zweite Berlinale als Festivalchefin sein. Bei ihrer ersten Ausgabe kamen zum Beispiel die Schauspieler Robert Pattinson und Ethan Hawke, die Schauspielerinnen Tilda Swinton und Jessica Chastain.
Hollywoodstar Timothée Chalamet stellte damals seinen Bob-Dylan-Film «Like A Complete Unknown» vor. In Deutschland kommt sein nächster Film «Marty Supreme» über einen Tischtennisspieler erst Ende Februar ins Kino. Wird Chalamet damit vielleicht vorher noch zur Berlinale kommen? Tuttle schweigt dazu. Das Festivalprogramm wird im Januar vorgestellt.
Die Berlinale gilt als ausgesprochen politisches Festival, die Weltpolitik dürfte also auch im Februar eine Rolle spielen – der Krieg in der Ukraine, die Lage in den USA und der Nahostkonflikt, der auch in der Kulturbranche zu Verwerfungen geführt hat. Die Filmbranche schaut derweil auch auf den Übernahmekampf um das Hollywoodstudio Warner Bros.
Zurück in die 90er
Die Retrospektive der Berlinale widmet sich diesmal den 1990ern. Mit «Lost in the 90s» werde eines der einflussreichsten Jahrzehnte der jüngeren Filmgeschichte ins Zentrum gestellt, teilten die Filmfestspiele mit. Das könnte auch beim jüngeren Publikum funktionieren. Für 18- bis 25-Jährige soll es diesmal für ausgewählte Filme auf dem Festival auch günstigere Tickets geben.
Neben den Filmstars und dem Wettbewerb, bei dem besonders gute Filme ausgezeichnet werden sollen, lebt die Berlinale davon, dass Tausende Menschen ins Kino gehen. Bei der Ausgabe im vergangenen Februar wurden mehr als 330.000 Karten verkauft. Der Goldene Bär ging damals an «Oslo Stories: Träume» von Dag Johan Haugerud.
Tuttle, die zwischen London und Berlin pendelt, hat damals etwas gemacht, was sich im Nachhinein als sehr gut erwiesen habe: «Ich habe überhaupt nicht in Social Media geschaut.» Zum ersten Mal habe sie ein Festival geleitet und nicht ständig nachgeschaut, was über die Filme geschrieben worden sei, sondern einfach das Publikum, die Stimmung und die Erfahrung genossen. «Wenn man sich zu sehr ablenken lässt, kann man sich nicht darauf konzentrieren, wie wunderbar die Stimmung ist.»



