Biden warnt zum Abschied vor Gefahr durch Oligarchie in USA

Biden nutzte seine Abschiedsrede, um seinen Landsleuten eindringlich ins Gewissen zu reden.
Biden nutzte seine Abschiedsrede, um seinen Landsleuten eindringlich ins Gewissen zu reden. Foto: Mandel Ngan/Pool AFP/AP/dpa
Wer in der Abschiedsrede von Joe Biden allein Emotionen und Eigenlob erwartet hatte, hat sich geirrt. Der 82-Jährige gibt seinen Landsleuten ein paar eindringliche Mahnungen mit auf den Weg.

Washington (dpa) – US-Präsident Joe Biden hat die Amerikaner zum Abschied aus dem Amt vor dem Aufkommen einer bedrohlichen Oligarchie im Land gewarnt. Biden sagte in einer eindringlichen Ansprache an die Nation aus seinem Amtszimmer im Weißen Haus, Sorgen bereiteten ihm «die gefährliche Machtkonzentration in den Händen einiger weniger extrem reicher Menschen – und die gefährlichen Folgen, wenn ihr Machtmissbrauch unkontrolliert bleibt». Der Demokrat spielte damit auf den wachsenden Einfluss mehrerer Milliardäre an, die sich um seinen Nachfolger Donald Trump scharen. Trump wird am Montag vereidigt.

Warnungen vor Lügen und Profitgier

Biden nutzte seine Rede, die live im Fernsehen übertragen wurde, um seinen Landsleuten ins Gewissen zu reden. «Heute bildet sich in Amerika eine Oligarchie mit extremem Reichtum, Macht und Einfluss heraus, die buchstäblich unsere gesamte Demokratie bedroht, unsere Grundrechte, die Freiheiten und die faire Chance für jeden voranzukommen», mahnte er. 

«Die Amerikaner werden mit Fehlinformationen und Desinformationen überschüttet, was den Missbrauch von Macht ermöglicht», sagte der 82-Jährige. «Die freie Presse bröckelt, Redakteure verschwinden, in den sozialen Medien werden Faktenchecks aufgegeben. Die Wahrheit wird von Lügen unterdrückt, die aus Macht- und Profitgründen verbreitet werden.» Biden forderte, soziale Plattformen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, um Kinder, Familien und die Demokratie selbst vor Machtmissbrauch zu schützen.

Die Trump-nahen Milliardäre

Biden spielte wohl unter anderem auf die schwerreichen US-Unternehmer Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos an, ohne die Milliardäre namentlich zu nennen. Sie sind nicht nur die reichsten Männer Amerikas, sondern der Welt – und suchen auffallend Trumps Nähe. Tesla- und SpaceX-Chef Musk hat einen besonders engen Draht zu dem Republikaner. Musk, dem auch die Plattform X gehört, weicht Trump kaum mehr von der Seite, soll dessen Regierung bei der Kürzung von Ausgaben beraten und meldet sich trotz fehlenden Mandats bei allerlei Politikthemen zu Wort. 

Zuckerberg, Chef des Facebook-Konzerns Meta, leitete zuletzt mit der Abkehr vom bisherigen Moderationsmodell auf seinen sozialen Plattformen einen Kurswechsel und damit auch eine klare Annäherung an Trump und dessen Partei ein. Er folgte damit der Linie Musks, der nach der Übernahme von Twitter Einschränkungen für Äußerungen auf der Plattform weitgehend aufheben ließ. Forscher und viele User werfen der umbenannten Nachfolgeplattform X vor, seither ungezügelte Hassrede zuzulassen. X weist das zurück. 

Amazon-Gründer Bezos wiederum, der mit seinem Raumfahrtunternehmen Blue Origin zum Konkurrenten von Musks SpaceX werden will und dem seit einigen Jahren die «Washington Post» gehört, handelte sich vor der US-Wahl den Vorwurf ein, aus unternehmerischem Kalkül auf eine Wahlempfehlung der Redaktion für die Demokratin Kamala Harris verzichtet zu haben.

Allen drei Unternehmern wird nachgesagt, sich von der Nähe zu Trump Vorteile für ihre Firmen zu erhoffen. Musk, Zuckerberg und Bezos werden auch bei Trumps Amtseinführung am Montag in Washington erwartet. 

Sorge über die Macht des Präsidenten

Biden äußerte sich auch mit Blick auf den designierten Präsidenten mahnend. Er forderte eine Klarstellung in der Verfassung dazu, dass kein Präsident immun sei vor Strafverfolgung wegen Verbrechen während der Amtszeit. «Die Macht des Präsidenten ist nicht unbegrenzt. Sie ist nicht absolut», sagte Biden. 

Er bezog sich damit auf einen umstrittenen Beschluss des obersten US-Gerichtshofes. Der Supreme Court hatte im Juli mit seiner rechtskonservativen Mehrheit entschieden, dass Trump für gewisse Handlungen aus seiner ersten Amtszeit Immunität genießt. Die historische Entscheidung kam als Folge einer Anklage gegen Trump wegen Wahlbetrugs zustande. Der künftige Präsident hat damit zwar keinen kompletten Blankoscheck für jegliches Fehlverhalten bekommen, aber gefährlichen Spielraum für seine zweite Amtszeit. 

Biden wiederum beschwor in seiner Rede Demokratie und Grundrechte und rief zu deren Verteidigung auf. Er habe dem Land 50 Jahre lang gedient, sagte Biden – und schob an seine Landsleute gerichtet nach: «Jetzt seid ihr an der Reihe, Wache zu halten.»

Großes Finale nach einem beispiellosen Wahljahr

Reden zur besten Sendezeit aus dem Oval Office sind krisenhaften Momenten und großen Zäsuren im Land vorbehalten. Bidens Abschiedsrede war seine fünfte und letzte Ansprache dieser Art. Zuletzt hatte er sich Ende Juli von dort aus an die Nation gewandt, um über seinen dramatischen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen zu sprechen. Nur wenige Tage zuvor hatte er sich damals in einer Oval-Office-Rede zum Attentat auf Trump geäußert. Es waren einschneidende Wenden in einem beispiellosen Wahljahr. 

Seit seinem Rückzug aus dem Wahlkampf war Biden als «lame duck» unterwegs und arbeitete vor allem an seinem politischen Vermächtnis. Einen Mosaikstein dafür lieferte er ausgerechnet am Tag seiner großen Abschiedsansprache: Biden verkündete eine unter anderem von den USA mit ausgehandelte Waffenruhe im Gaza-Krieg. Ob die Einigung Bestand hat, muss sich aber erst noch zeigen. 

Das Weiße Haus hatte vor der Abschiedsrede auf Dutzenden Seiten eine lange Liste an politischen Erfolgen aus Bidens Amtszeit veröffentlicht. In seiner Ansprache listete auch Biden selbst einige davon auf – und argumentierte, es werde einige Zeit dauern, bis die volle Wirkung all dieser Entscheidungen zu spüren sei. Trump dürfte in den kommenden Monaten und Jahren jedoch versuchen, Bidens Vermächtnis Stück für Stück zu zerlegen.

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