Bill Gates in Buch: Hätte heute Autismus-Diagnose bekommen

«Source Code»: Microsoft-Gründer Bill Gates schreibt über seine Kindheit. (Archivbild)
«Source Code»: Microsoft-Gründer Bill Gates schreibt über seine Kindheit. (Archivbild) Foto: Jae C. Hong/AP/dpa
Microsoft-Mitgründer Bill Gates hat mit 69 seine ersten Memoiren veröffentlicht. Das Buch – zwei Bände sollen folgen – deckt die Kindheit und Jugend ab. Die Kulisse: Anfänge der Computer-Ära.

Seattle (dpa) – Als Bill Gates ungefähr neun Jahre alt war, fing er einen Machtkampf mit den Eltern an. Der spätere Microsoft-Mitgründer widersetzte sich den Anweisungen seiner perfektionistischen Mutter und stellte grundsätzlich die elterliche Autorität infrage. 

Für seinen Vater fühlte sich das an, als sei sein Sohn über Nacht erwachsen geworden – und zwar zu einem nicht besonders netten Erwachsenen, dem schnell beleidigende Worte auf den Lippen lagen. Bei der Erinnerung an manche Unterhaltungen drehe sich ihm der Magen um, räumte der heute 69-jährige Gates in seinen Memoiren ein.

Das Buch ist der erste Teil einer Trilogie. Es deckt die Kindheit und Jugend des Software-Milliardärs ab. Der Titel «Source Code» (Quellcode) ist ein cleveres Wortspiel: Denn es geht nicht nur um den Software-Code, den Gates schrieb, sondern um die Menschen und Ereignisse, die ihn prägten. 

Ein schlagzeilenträchtiges Detail hob sich Gates für das Abschlusskapitel auf. Heute wäre bei ihm wahrscheinlich Autismus diagnostiziert worden, schreibt er. Damals, in den 60er Jahren, habe man jedoch nicht allgemein verstanden, dass das Gehirn mancher Leute Informationen anders verarbeite.

Programmieren als Ventil

In der Kindheit seien es Mathe-Aufgaben gewesen, die ihm Selbstvertrauen verliehen, stellt Gates fest. Mathematik habe dafür gesorgt, dass er zum ersten Mal in etwas besser als andere gewesen sei. Und dadurch sei das Gefühl der intellektuellen Überlegenheit der Erwachsenen verpufft. 

Programmieren war in dieser Logik der nächste Schritt für das Kind, das nicht in seine Umgebung hineinpasste. In den ersten Zeilen des Buchs findet man den jungen Gates da, wo man einen Computer-Nerd eigentlich nicht erwartet: Auf einer harten Wanderung durch den Wildwuchs der Wälder rund um Seattle. Doch: Als es besonders anstrengend wird, entschwindet er geistig in seine Parallelwelt und formuliert im Kopf Software-Code.

Kampf um Zeit an Computer-Tastatur

Das Faszinierende an dem Buch ist, wie sich die Geschichte des kleinen Bill in die Anfänge der Computer-Ära hineinwebt. Es war eine Zeit vor dem PC und dem Web. Computer waren große und teure Anlagen, die sich Unternehmen oder Forschungseinrichtungen leisten konnten. Es war aber auch eine Zeit, in der ein Energieversorger Teenager engagieren konnte, um an dringend benötigter Software zu arbeiten. Denn Programmierer waren rar.

Für den jungen Gates und seine Freunde drehte sich alles darum, Zeit an einer der Tastaturen zu ergattern, die an einen der großen Rechner angeschlossen waren. Als Teenager stieg Bill oft am späten Abend heimlich aus dem Fenster seines Zimmers, um zum Programmieren zu fahren. Denn nachts waren die Computer-Ressourcen frei. Verpasste er den letzten Bus um 2.00 Uhr, lief er eine Dreiviertelstunde durch die nächtliche Stadt nach Hause.

Erfolg mit Micro-Soft

Die Besessenheit zahlte sich aus. 1975 gründeten der damals 19-jährige Gates und sein 22-jähriger Jugendfreund Paul Allen eine neue Softwarefirma mit dem Namen Micro-Soft (der Bindestrich fiel später weg). Es war der erste Schritt zum späteren Windows-Riesen. Am Anfang schlugen sich Gates und Allen noch mit kleinen Aufträgen durch. Doch die aufkommende Welle kompakterer Computer brachte ihnen so viel Arbeit, dass Gates das Studium an der Elite-Uni Harvard aufgab. 

Die Geschichte von «Source Code» stoppt Ende der 70er Jahre – als Microsoft mit knapp einem Dutzend Mitarbeiter von Albuquerque im Bundesstaat New Mexico in Gates’ Heimat Seattle umzieht. Das zweite Teil soll die Geschichte seiner Software-Karriere weitergehen, kündigte Gates an.

 Es könnte ein schwierigeres Buch für ihn werden, mit dem US-Wettbewerbsverfahren in den 90er Jahren, das beinahe zur Zerschlagung von Microsoft führte. Einer Affäre, die erst später öffentlich wurde. Und der Scheidung von seiner Ehefrau Melinda 2021 nach 27 Jahren zusammen.

Tod des besten Freundes

Eine dramatische Geschichte erzählt auch «Source Code». Gates’ bester Freund seit der Kindheit, Kent Evans, starb 1972 mit 17 bei einem Kletterunfall. Nach seinem Tod kamen Gates und Allen, die sich zwischenzeitlich entfremdet hatten, wieder zusammen, um ein Software-Projekt abzuschließen. 

Was Gates’ «Krieg» mit seinen Eltern angeht: Ein Therapeut half beiden Seiten, den Konflikt zu beenden. Bill führte er vor Augen, dass seine Unabhängigkeit nur eine Frage der Zeit sein würde – und die Eltern überzeugte er, dass sie gegen Bill nicht gewinnen können.

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