Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn man die Zahlen hört, die OXFAM gerade veröffentlich hat, dann muss man sich schon die Augen reiben. Die reichsten fünf Menschen der Welt haben ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt! Die ärmsten 60 Prozent der Weltbevölkerung, immerhin mehr als fünf Milliarden Menschen, wurden im gleichen Zeitraum noch einmal ärmer. Puh, das klingt übel. Aber was sagen solche Zahlen genau?
Zuerst einmal, dass die Aktienmärkte nach oben geschossen sind. Schließlich hat sich das Vermögen der fünf Reichen nicht unter dem Kopfkissen vermehrt. Elon Musk (Tesla), Jeff Bezos (Amazon), Bernard Arnault (LVMH), Larry Ellison (Oracle) und Warren Buffett (Berkshire Hathaway) – um sie mal beim Namen zu nennen – sind Unternehmer und in ihren Unternehmen investiert. Schon in zehn Jahren, so rechnet Oxfam vor, könne es die ersten Dollar-Billionäre geben – gleiche Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren vorausgesetzt.
Das stimmt nachdenklich. 1.000.000.000.000 US-Dollar, eine Zahl mit 12 Nullen, da muss ich aufpassen, nicht durcheinander zu kommen. Was macht Mann – und jetzt ist die männliche Form durchaus angebracht, weil keine Frau zu den fünf Reichen gehört – mit so viel Geld? Ausgeben? Ich würde mal sagen: unmöglich! Sicher ist das natürlich nicht, wenn man sich anguckt, wie sich die Riesen-Vermögen so mancher Promis in Luft aufgelöst haben. Ins Grab mitnehmen macht keinen Sinn, vererben nur bedingt – dem einen oder anderen Zögling jedenfalls scheint es gar nicht gut zu bekommen, in Dagoberts Taler-Paradies groß zu werden. Warum also nicht von Staats wegen zulangen, die Steuern erhöhen und mit dem Geld die soziale Ungleichheit beheben?
Klingt einfach, ist es aber nicht. Zum einen, weil der Großteil der Vermögen der Reichen in Unternehmen steckt. Ein wenig könnte man an der Steuerschraube drehen, ohne ökonomische Probleme zu kreieren. So richtig zulangen und die Vermögen von Staats wegen auf ein „angemessenes Maß“ stutzen, das ginge nicht. Das widerspräche nicht nur dem Grundrecht auf Eigentum, sondern hätte zudem eine Reihe unerwünschter ökonomischer Nebenwirkungen. Denn schneller als man gucken kann, wären Unternehmen und Arbeitsplätze, Unternehmer und ergo Steuerzahler weg.
Ein anderer wichtiger Aspekt, der die Verteilung so schwer macht, ist unsere Psyche. Offenbar haben wir ein ganz besonderes Verhältnis zu Geld. Bei Steuern wird der Staat zum Gegner, der einen bevormunden will. Geld, das hat Sabine Hildebrandt-Woeckel für das aktuelle Courage-Magazin recherchiert, hat viel mit Wertschätzung zu tun. Das Glücksgefühl steigt, wenn ich mehr verdiene, als jemand anders – die Würze liegt also im Vergleich.
Womit wir im Hier und Jetzt wären. Hast Du schon mal mit einer Freundin darüber gesprochen, was ihr so „verdient“? Ich habe bei mir mit Schrecken bemerkt, wie ich dann emotional ins Schwitzen komme. Die eine ist Psychologin. Wie – Du bekommst für jede Stunde xyz Euro und hast dann auch noch pünktlich und planbar Feierabend, ereifere ich mich. Das hätte ich auch gerne, schießt es mir durch den Kopf. Mein Stundenlohn ist deutlich niedriger, weil ich gefühlt rund um die Uhr im Einsatz bin. Dann sehe ich die Rechnung meines Zahnarztes und werde fast verrückt, weil jeder Handgriff abgerechnet wird. Oh Gott, wenn ich das täte, wäre ich Millionärin, so mein erster Impuls. Dann im Gespräch mit einer Lehrerin, die mir erzählt, wie sehr sie am Limit ist. Und ich ertappe mich dabei, wie ich an drei Monate „arbeitsfreie Zeit“ denke – was für ein Träumchen, was beschweren die sich? So könnte ich die Liste unendlich fortführen. Haben es wirklich alle besser als ich?
Natürlich nicht – und ich muss über mich selbst lachen, weil ich in eine Psychofalle gestolpert bin. Wie geht es Dir im Umgang mit Geld. Was triggert Dich?
Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Birgit Wetjen
Chefredakteurin Courage
PS: Gerade hat das Statistische Bundesamt bekannt gegeben, dass sich der Gender-Pay-Gap im vergangenen Jahr nicht geschlossen hat – die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegt – unbereinigt – wie in den Vorjahren – bei 18 Prozent. Und bereinigt, also bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit, bekommen Männer weiterhin 6 Prozent mehr Geld. Das wäre doch wirklich mal ein Grund, sich zu ereifern!
- Ich habe schon den Eindruck, dass das Einkommen nicht gerecht verteilt ist. Ich komme zurecht, aber manchmal versetzt es mir einen Stich, dass andere so viel mehr verdienen. 46%, 51 Stimme51 Stimme 46%51 Stimme - 46% aller Stimmen
- Mich interessiert es nicht, was andere haben. Ich möchte soviel verdienen, dass ich entspannt über die Runden komme. 42%, 46 Stimmen46 Stimmen 42%46 Stimmen - 42% aller Stimmen
- Ich finde, wir sollten viel mehr vergleichen, damit uns die Unterschiede mal bewusst werden. Klar bin ich neidisch, weil ich hart für wenig Geld arbeiten muss 12%, 13 Stimmen13 Stimmen 12%13 Stimmen - 12% aller Stimmen