Am gestrigen Nationalfeiertag unterzeichnete Präsident Donald Trump sein wohl wichtigstes Gesetz – von ihm die “Big Beautiful Bill” genannt. Weil dieses Gesetz umfangreiche Steuersenkungen vorsieht, wird der Schuldenberg, den die Amerikaner vor sich herschieben, künftig noch größer werden.
Ökonomen rechnen damit, dass die Verschuldung des Staates von heute 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts bis in 20 Jahren auf mindestens 150 Prozent anwachsen wird. Schon jetzt aber gibt der Staat mehr Geld für die Schuldzinsen aus als fürs Militär. Trump allerdings argumentiert, die USA könnten die Steuerausfälle “zehnfach durch Wachstum ausgleichen”. An den globalen Devisenmärkten scheint man dieser Logik nicht zu folgen. Dort sieht man die ausufernden Schulden eher als Hauptgrund dafür, dass die USA bei ihren ausländischen Gläubigern massiv an Vertrauen verlieren. Die Zahlen bestätigen das: Der Dollar hat im ersten Halbjahr so stark an Wert eingebüßt wie zuletzt 1973. Gegenüber dem Euro hat er rund 15 Prozent verloren. Nun fragen sich viele Anleger: Ist der aktuelle Absturz des Dollars der Vorbote zu einer ähnlich dramatischen Umwälzung wie in den 1970ern? 1973 brach das nach dem zweiten Weltkrieg errichtete globale Währungssystem von Bretton Woods zusammen. Die meisten Länder gaben die Bindung ihrer Währung an den Dollar auf und gingen stattdessen zu flexiblen Wechselkursen über. Als Parallele zu heute fällt auf: Auch damals verzeichneten die USA ein hohes Leistungsbilanzdefizit.
Noch herrscht an den Aktienmärkten aber kaum getrübter Optimismus. Selbst die nach Trumps Zollankündigungen Anfang April vorübergehend gebeutelte Wall Street notiert inzwischen auf Rekordviveau. Laut dem Datendienstler Bloomberg ist es in den vergangenen 100 Jahren nur dreimal vorgekommen, dass der S&P 500 in einem Quartal um mehr als zehn Prozent abstürzte und diesen Verlust in der gleichen Periode wieder aufholen konnte.
Unter der Oberfläche allerdings zeigen sich erste Risse. Für Unsicherheit sorgt insbesondere die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Inflation: Zuletzt wies das Land eine Jahresrate von 2,4 Prozent aus. Die diversen Zölle, die bereits in Kraft getreten sind, dürften den Preisauftrieb nun beschleunigen. Vor allem aber führt der schwache Dollar dazu, dass die Amerikaner für viele Güter deutlich mehr bezahlen müssen. So prognostiziert die Rating-Agentur Fitch, dass der Konsumentenpreisindex in den kommenden sechs Monaten auf vier Prozent ansteigen wird. Falls der Handelsstreit erneut aufflammt, sei eine noch stärkere Teuerung denkbar. Dazu kommen Befürchtungen, die Konjunktur könne schwächeln. Jamie Dimon, der legendäre Chef von JP Morgan, der größten US-Bank, warnte kürzlich vor dem Risiko einer aufziehenden Stagflation. Ebenso kritisierte er das übermässige Staatsdefizit seines Landes. Der bisherige Trump-Unterstützer Elon Musk schimpfte: “Jedes Mitglied des Kongresses, das für eine Reduzierung der Staatsausgaben geworben und dann sofort für die grösste Schuldenerhöhung der Geschichte gestimmt hat, sollte sich schämen”, schrieb er auf seiner Plattform X.
Der deutsche Aktienmarkt hat zum Wochenausklang wieder geschwächelt. Am Freitag verlor der Dax 0,61 Prozent auf 23.787,45 Punkte, damit büßte er auf Wochensicht ein Prozent ein. Sein Plus seit Jahresbeginn liegt zwar noch immer bei fast 20 Prozent. Das Rekordhoch von vor einem Monat bei 24.479 Zählern ist aber in etwas weitere Ferne gerückt. Der MDax der mittelgroßen Werte fiel vor dem Wochenende um 0,35 Prozent auf 30.280,91 Punkte.
“Die Zoll-Unsicherheit ist zurück”, konstatierte Analyst Thomas Altmann von QC Partners. US-Präsident Donald Trump will ab dem kommenden Mittwoch weitere Zölle in Höhe von 50 Prozent in Kraft treten lassen, wenn die Europäische Union ihm in Handelsfragen nicht entgegenkommt. Es sei zwar möglich, dass ein Last-Minute-Deal abgeschlossen werde, betonte Altmann. “Viele Staaten werden sich aber schon in der kommenden Woche höheren Zöllen ausgesetzt sehen. Und Stand jetzt gehören dazu auch die Staaten der EU.”
Wall Street wegen Independance Day geschlossen
Die US-Aktienmärkte blieben am Freitag feiertagsbedingt geschlossen und konnten auf die Verabscheidung der “big beautiful bill” nicht reagieren. Nach der Bekanntgabe überraschend positiver Arbeitsmarktdaten hatten sie am Donnerstag ihren Rekordkurs fortgesetzt. Der marktbreite S&P 500 erklomm eine weitere Höchstmarke und gewann am Ende des verkürzten Handelstags 0,8 Prozent auf 6.279 Zähler. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um knapp ein Prozent auf 22.867 Punkte aufwärts. Auch er hatte im Handelsverlauf ein Rekordhoch erreicht. Der Dow Jones Industrial hingegen ist noch ein kleines Stück von einem Höchststand entfernt. Der Leitindex stieg um rund 0,8 Prozent auf 44.829 Punkte. Damit beendete der Dow die feiertagsbedingt verkürzte Handelswoche mit einem Plus von 2,3 Prozent.
Im Juni hatte die US-Wirtschaft mehr neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft geschaffen als erwartet. Die Arbeitslosenquote sank auf 4,1 Prozent, während Volkswirte im Schnitt mit einem Anstieg auf 4,3 Prozent gerechnet hatten. Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen etwas weniger als prognostiziert. Zudem hellte sich die Stimmung im Dienstleistungssektor – gemessen am ISM-Einkaufsmanagerindex – etwas stärker auf als gedacht. Volkswirt Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen sprach von einem soliden Beschäftigungsaufbau: “Die Stellendynamik gegenüber dem nach oben revidierten Maiwert ist sogar gestiegen und die Konsensschätzung wurde deutlich übertroffen.” Die US-Notenbank dürfte sich dadurch in ihrer abwartenden Haltung hinsichtlich einer möglichen Zinssenkung bestätigt sehen. Damit sollten die Wetten auf eine US-Zinssenkung noch im Juli und darüber hinaus gedämpft werden, glaubt der Experte.
Unterdessen verhandeln Vertreter der Europäischen Union (EU) und der USA in Washington weiter über eine mögliche Beilegung des Zollstreits. Ziel der Gespräche ist es, mit einem Deal eine erneute Eskalation des Handelskonflikts abzuwenden. US-Präsident Donald Trump will ab dem 9. Juli weitere Zölle in Höhe von 50 Prozent in Kraft treten lassen, wenn die EU den USA in Handelsfragen nicht entgegenkommt.
Die Aktien des Software-Unternehmens Datadog schnellten an der Spitze des Nasdaq 100 um fast 15 Prozent in die Höhe. Grund dafür ist ihre Aufnahme in den S&P 500 am 9. Juli. Dort ersetzen sie die Anteilsscheine von Juniper Networks, deren Übernahme Hewlett Packard Enterprise am Vortag für abgeschlossen erklärt hatte.
Auch Aktien von Solarunternehmen waren gefragt. Denn der chinesische Minister für Industrie und Informationstechnologie hatte angekündigt, dass das Land den ungeordneten Wettbewerb durch niedrige Preise eindämmen und veraltete Kapazitäten abbauen werde. An der S&P-500-Spitze stiegen damit First Solar um 8,5 Prozent. Sunrun und SolarEdge zogen um jeweils fast 17 Prozent an. Bei Array Technologies stand ein Plus von knapp 12 Prozent zu Buche.
Jenseits der Zoll-Thematik fehlte es am Freitag in Frankfurt an frischen Impulsen, zumal die US-Märkte aufgrund des Unabhängigkeitstages geschlossen waren. “Die Börse ist mitten im Sommerloch”, kommentierte Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Falls sich im Dax unterhalb der runden Marke von 24.000 Punkten ein Widerstand etabliere und gleichzeitig Erfolgsmeldungen im Handelskonflikt ausbleiben sollten, erwartet er erste spürbare Verkäufe im Leitindex.
Dax wieder von Zollsorgen belastet
Die Zollsorgen belasteten am Freitag vor allem Zykliker wie die Autowerte. BMW, Mercedes-Benz, die Porsche AG und Volkswagen gaben zwischen 0,6 und 1,2 Prozent nach. Nach Ansicht von Marktbeobachter Andreas Lipkow ist bei den Handelsgesprächen zwischen der EU und den USA mit einem Kompromiss zu rechnen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die Autobranche treffen wird. Lipkow bezweifelte, dass die Investoren das bereits zur Genüge eingepreist haben.
Ein zusätzlicher Dämpfer war ein schwacher Auftragseingang der Industrie im Mai. Nach der jüngsten Erholung sind die Bestellungen wieder ins Stocken geraten. Siemens verlor am Dax-Ende 2,4 Prozent, auch Brenntag, BASF und Airbus die Rheinmetall-Aktien ging es dagegen als Dax-Spitzenreiter um 3,3 Prozent auf 1.755 Euro aufwärts. JPMorgan-Analyst David Perry sieht für die Papiere nach der zuletzt unterbrochenen Rekordrally weiterhin viel Luft nach oben und erhöhte sein Kursziel auf 2.250 Euro. Damit gehört er zu den größten Optimisten am Markt. Perry schraubte außerdem seine Ergebnisschätzungen bis 2030 nach oben, sieht jenes Jahr aber noch nicht als Höhepunkt.
Vonovia fielen nach einer Analystenabstufung hingegen um 1,4 Prozent. Die Aktien des größten deutschen Immobilienkonzerns setzen nun ihre jüngste Konsolidierung fort, nachdem sie Ende Juni noch ihr höchstes Niveau seit Februar erreicht hatten. Das Analysehaus Van Lanschot Kempen drehte sein Votum für Vonovia von einer Kauf- in eine Verkaufsempfehlung. Die Titel von Hugo Boss schafften es nach schwächerem Start ins Plus und gewannen als MDax-Spitzenreiter vier Prozent. Der Ausbau der Beteiligung des Großaktionärs Frasers Group weckte neue Fantasie. Hinter dem britischen Einzelhändler steckt der Geschäftsmann Michael Ashley. Laut Mitteilung vom Vorabend überschritt die Frasers Group die Schwelle von 25 Prozent der Stimmrechte. Jungheinrich und DWS gehörten nach negativen Analystenstudien mit Kursabschlägen von 1,1 und 4,5 Prozent zu den schwächsten Werten im MDax. Das Analysehaus Exane BNP hatte die Aktien des Gabelstapler-Herstellers auf “Neutral” abgestuft und das Rating für die Papiere der Fondstochter der Deutschen Bank auf “Underperform” gesenkt. (baha/dpa-AFX)