Eigentlich müsste man meinen, die Börsenwelt sei in heller Aufregung. Denn sollte Trump Handelspolitik nicht nur ein Druckmittel sein, um eine faire Welthandelsordnung mit allseits niedrigen (oder gar keinen) Zöllen durchzusetzen, würden die einzelnen Volkswirtschaften auf große Schwierigkeiten zusteuern – inklusive der USA, wo die meisten Waren für die Verbraucher massiv teurer würden und die Aktivitäten vieler Branchen massiv einbrächen. Denn Trump Politik ist in sich widersprüchlich.
Dazu einige Überlegungen: Zölle sind nichts anderes als Steuern auf ausländische Waren, die aus einem anderen Land eingeführt werden. Die US-Regierung nimmt zwar gerade mit den Zöllen einige hunderte Milliarden Dollar ein, aber sie zieht diese Milliarden den amerikanischen Verbrauchern aus der Tasche. Wer Waren importiert, muss die Steuern zahlen, und – üblicherweise – gibt er sie dann, über einen höheren Preis, an die Verbraucher weiter. Ein zweites Ziel ist, ausländische Waren vom eigenen Markt fernzuhalten und inländische Hersteller und Produzenten zu schützen. Und dann geht es noch um Reziprozität: Die EU hat Handelshemmnisse für bestimmte Waren errichtet, also führen die USA einen Zoll ein. Danach haben beide einen Anreiz, den bilateralen Handel zu erleichtern.
Zum Teil widersprechen sich die Ziele. Wer den eigenen Markt schützt, erreicht damit, dass die Importe zurückgehen. Das bedeutet aber auch, dass mit Zöllen keine großen Einnahmen mehr erzielt werden können. Und wer Handelsbarrieren abbauen will, wird im Idealfall gar keine Zolleinnahmen mehr erzielen. Auch das Arbeitsplatzargument zieht weder hierzulande noch in den USA. Wer nicht importiert, lässt dem Partner keine Chance, mit Exporten Geld zu verdienen. Über kurz oder lang hat der Partner dann kein Geld mehr, Waren zu importieren. So zerstört man seine Exportindustrie. So rettet man vielleicht Arbeitsplätze in bestimmten Sektoren, zum Beispiel in der arbeitsintensiven Fertigung, aber man verliert Arbeitsplätze in vielen anderen Branchen. Es entsteht eine Abwärtsspirale – und zwar aus dem Irrglauben heraus, der internationale Handel sei ein Nullsummenspiel – was der eine gewinnt, muss der andere verlieren. Aber so funktioniert der internationale Handel nicht. Europäische und amerikanische Verbraucher verlieren nicht, wenn sie T-Shirts aus Bangladesch oder China kaufen und dabei Geld sparen, weil diese günstiger sind als T-Shirts aus Portugal, Rumänien oder den USA.
Trumps weiteres Argument lautet, die USA hätten zwar ein Handelsbilanzdefizit. Das stimmt zwar, aber gleichzeitig fließt über die Kapitalmärkte viel Geld zurück, weil andere Länder zum Beispiel Anleihen der US-Regierung kaufen. Ohne Überschüsse in der Handelsbilanz könnte das Ausland nicht die riesigen Budgetdefizite der USA finanzieren.
US-Börsen auf Rekordkurs
Vor dem Wochenende haben sich die Anleger an den US-Börsen erst einmal über deutliche Gewinne im Technologiesektor gefreut. Der Nasdaq 100 erreichte am Freitag ein Rekordhoch und verbuchte zum Handelsende ein Plus von gut 0,9 Prozent auf 23.611 Punkte. Erneut starke Apple-Aktien setzten die Akzente.
Der S&P 500 stieg um 0,8 Prozent auf 6.389 Punkte. Der marktbreite Index hatte in der vergangenen Woche eine Bestmarke aufgestellt, die nun wieder näher rückt. Für den Dow Jones Industrial ging es um 0,5 Prozent auf 44.176 Zähler hoch. Von seinem Rekordhoch vom Ende vergangenen Jahres ist der Leitindex noch ein Stück entfernt.
Nach dem schwachen Start in den August im Zuge schwacher Arbeitsmarktdaten hatten in den vergangenen Tagen vor allem Zinssenkungshoffnungen die Kurse wieder nach oben getrieben. Auf Wochensicht gewann der Dow 1,3 Prozent, der S&P 500 legte um 2,4 Prozent zu und der Nasdaq 100 verbuchte einen Zuwachs von 3,7 Prozent.
Apple glänzten am Freitag mit einem Gewinn von 4,2 Prozent auf dem höchsten Kursniveau seit Anfang März. Der iPhone-Konzern hatte in dieser Woche unter Druck durch die Politik Donald Trumps die Zusage für Investitionen in den USA um 100 Milliarden Dollar erhöht. Analysten sehen Apple dadurch mit Blick auf drohende Import-Zölle in einer vorteilhafteren Position. Die Papiere gewannen in drei Handelstagen 13 Prozent.
Under Armour schlug die Anleger mit einer ernüchternden Prognose für das zweite Geschäftsquartal in die Flucht. Die Papiere sackten um 18 Prozent ab. Zölle und zurückhaltendere Kunden machen dem Sportbekleidungshersteller zu schaffen. Die im vergangenen Jahr eingeleitete Restrukturierung wird nun komplizierter.
Im Fokus standen zudem Papiere aus der Internetbranche. Expedia gewannen nach sehr starkem Start bis fast an das Rekordhoch von Anfang 2022 am Ende noch etwas mehr als 4 Prozent. Der Online-Reisedienstleister hatte im zweiten Quartal besser abgeschnitten und die Ziele für das Gesamtjahr erhöht. Das beflügelte auch die Aktien von Tripadvisor, die um fast zwölf Prozent in die Höhe schnellten.
Die Aktien von Pinterest rutschten um über 10 Prozent ab. Die Foto- und Videoplattform hatte im zweiten Quartal die Erwartungen verfehlt. Beobachter verwiesen auf schwache Anzeigenpreise.
Die Anteile von The Trade Desk brachen um annähernd 39 Prozent ein. Der Spezialist für digitale Werbung konnte im zweiten Quartal die hochgesteckten Erwartungen des Marktes nicht erfüllen. Befürchtungen nehmen zu, dass die Werbetechnologie des Unternehmens von den Angeboten von Amazon überrollt werden könnte.
DAX wieder über 24.000 Punkte
Zuvor hatte der Dax eine insgesamt starke Woche mit leichten Verlusten beendet. Der deutsche Leitindex ging 0,1 Prozent tiefer bei 24.163 Punkten aus dem Handel. Auf die gesamte Woche gerechnet ergab sich ein Plus von 3,2 Prozent.
Viele Marktteilnehmer hätten sich nach der aufregenden Handelswoche an den Seitenlinien positioniert, sagte Marktexperte Andreas Lipkow. “Die Gefahr von unliebsamen Nachrichten über das Wochenende bleibt latent vorhanden und sorgt für eine gewisse Kaufzurückhaltung.” Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es am Freitag um 0,5 Prozent auf 31.493 Punkte nach oben.
Insgesamt zeige sich der Dax weiterhin sehr robust, schrieben die Experten der DZ Bank. Die überhitzte technische Konstellation hätten die Pessimisten nicht für sich nutzen können. Das Sommerloch habe zudem wohl ebenso wenig Einfluss auf das deutsche Börsenbarometer gehabt wie die weiterhin sehr ambitionierte Bewertung anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses. Vielmehr treffe Fantasie mit Blick auf das Milliarden-Investitionspaket in Deutschland auf Hoffnungen, die aus dem anstehenden Treffen zwischen den Präsidenten der USA und Russlands resultierten. Nach Meinung der Marktteilnehmer gehe dieses mit der Aussicht auf ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges einher.
Die Unternehmensberichtssaison beruhigte sich vor dem Wochenende: Bei Munich Re nahmen die Anleger Kursgewinne mit. Im Rahmen der jüngsten Vertragserneuerung mit Erstversicherern sanken die Preise für Rückversicherungsschutz. Der weltweit größte Rückversicherer verzichtete daher auf Geschäft. Die Aktien, die sich tags zuvor noch dem Rekordhoch vom April stark angenähert hatten, sackten als Dax-Schlusslicht um 7,2 Prozent ab. Das zog den gesamten europäischen Versicherungssektor mit nach unten. Die Papiere von Allianz, Talanx und Hannover Rück verloren bis zu vier Prozent.
Die Aktien von Bechtle stiegen nach Zahlen des IT-Dienstleisters an der MDax-Spitze um elf Prozent. Das Unternehmen sieht nach einer längeren Flaute eine Belebung der Nachfrage.
Der Medienkonzern RTL sieht sich trotz weiter schwacher Geschäfte mit klassischer TV-Werbung und bei der Produktionstochter Fremantle auf Kurs zu den Jahreszielen. RTL habe beim bereinigten operativen Ergebnis im zweiten Quartal ihre Erwartungen leicht übertroffen, bemerkte Bernstein-Analystin Annick Maas. Die Anteilscheine legten um 2,5 Prozent zu.
Jungheinrich verzeichnete wegen einer schwachen konjunkturellen Dynamik, insbesondere im europäischen Kerngeschäft, auch im zweiten Quartal eine verhaltene Entwicklung. Die Titel des Gabelstaplerherstellers verloren 1,7 Prozent.
Kalte Dusche für die Anleger von Eckert & Ziegler: Nach den Halbjahreszahlen des Strahlen- und Medizintechnik-Unternehmens büßten die Aktien 9,5 Prozent ein und waren damit das klare Schlusslicht im Nebenwerteindex SDax. Das Unternehmen steigerte zwar Umsatz und bereinigten operativen Gewinn im ersten Halbjahr. In der Sparte Isotope Products aber war die Geschäftsentwicklung rückläufig. (baha/dpa-AFX)