Börsenwoche: Deutsche Wettbewerbsfähigkeit, US-Zinssenkung, KI-Ängste

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Um wirtschaftlich wieder Fahrt aufzunehmen, müsse Deutschland preislich wettbewerbsfähig werden, wird Bundeskanzler Friedrich Merz nicht müde zu sagen. Angesichts dieser völlig zutreffenden Einsicht  fragt man sich, warum die Bundesregierung alles tut, um den Unternehmen den Preiswettbewerb weiter zu erschweren. 

Anfang 2026 kommt nun der nächste Kostenschub. Er resultiert aus der Klimapolitik – dann steigt die Steuer auf der Preis für den Ausstoss von Kohlendioxid von derzeit 55 Euro je Tonne CO₂ auf bis zu 65 Euro. Die begrenzt verfügbaren Zertifikate für die Sektoren Gebäude und Verkehr, die den Inhaber zum Ausstoss von CO₂ berechtigen, werden dann versteigert. Heizen und Autofahren werden teurer. Ein Liter Benzin beziehungsweise Diesel dürfte sich beispielsweise um rund drei Eurocent verteuern. Preistreibend dürfte auch wirken, dass die EU Anfang nächsten Jahres den Handel durch eine Reduzierung der handelbaren Emissionszertifikate für die Sektoren Industrie, Energieerzeugung sowie Luft- und Seeverkehr verschärft. Um europäische Unternehmen im Wettbewerb mit Ländern aus anderen Weltregionen nicht zu benachteiligen, war ein Großteil der Zertifikate bislang kostenlos an energieintensive Unternehmen verteilt worden. 

Der Luft- und Seeverkehr wird ab Januar keine kostenlosen Zertifikate mehr zugeteilt bekommen. Die Hersteller von Eisen, Stahl, Aluminium, Zement und anderen energieintensiven Produkten müssen zunächst für 2,5 Prozent der von ihnen emittierten CO₂-Mengen Zertifikate kaufen. Bis zum Jahr 2030 steigt der Anteil auf 48,5 Prozent. Ab 2034 müssen die Unternehmen dann alle von ihnen benötigten Zertifikate kaufen. Eine schwere Hypothek für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, zumal die EU die Gesamtmenge der gehandelten Zertifikate weiter verknappt. Die Zahl der verfügbaren Zertifikaten wird in den kommenden Jahren um mehr als vier Prozent jährlich verringert, auch das wird die Produktion hierzulande weiter verteuern.

Um Europa nicht gänzlich zu deindustrialisieren, haben sich die Brüsseler Bürokraten einen sogenanntenGrenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid (carbon border adjustment mechanism, CBAM) ausgedacht. Damit sollen europäische Unternehmen vor Konkurrenz aus Ländern geschützt werden, die keinen Emissionshandel betreiben und keine CO₂-Steuern erheben. Die Importeure von Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemitteln, Strom und Wasserstoff müssen ab Anfang nächsten Jahres für 2,5 Prozent der bei der Herstellung dieser Produkte im Ausland freigesetzten CO₂-Emissionen Zertifikate in der EU kaufen. Bis 2034 steigt der Anteil der in den Importen enthaltenen Emissionen, für den CBAM-Zertifikate erworben werden müssen, auf 100 Prozent. Dadurch soll der Import von CBAM-Produkten im gleichen Masse verteuert werden wie die Herstellung dieser Produkte im Inland. Zuende gedacht ist dieses System indes nicht, da der Grenzausgleich nicht für Fertigprodukte gilt. So kann China beispielsweise Autos ohne Grenzausgleich nach Europa exportieren, während der Grenzausgleich den chinesischen Stahl teurer macht, den deutsche Autohersteller für ihre Karossen aus China importieren. Immerhin liegt der Stahlanteil an allen Vorleistungen in der deutschen Autoindustrie bei zwölf Prozent. 

Das hat natürlich Auswirkungen auf die Inflationsrate. Bleibt der CO₂-Gehalt der Importe in den nächsten Jahren unverändert, werden die Preise für importierte Düngemittel und eingeführten Zement bis 2030 nach Berechnungen der Commerzbank um etwa 20 Prozent steigen. Das dürfte nicht nur den Wohnbau zusätzlich verteuern sondern auch die Preise für Nahrungsmittel klettern lassen. Fordern die Gewerkschaften wegen der steigenden Lebenshaltungskosten höhere Löhne, verschlechtert sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit weiter. In Deutschland speisen die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate den Klima- und Transformationsfonds. Mit ihm will die Bundesregierung die Energiepreise subventionieren, die sie mit der Klimapolitik zuvor nach oben getrieben hat. Fällt Friedrich Merz die Widersprüchlichkeit nicht auf? 

Am US-Aktienmarkt haben am Freitag Bedenken wegen hoher Bewertungen von Tech-Unternehmen die Stimmung belastet. In diesem Umfeld war von dem Schwung nichts mehr zu spüren, den zur Wochenmitte die US-Notenbank mit einer Leitzinssenkung ausgelöst hatte. Grund für die triste Stimmung waren ein nur in einem kleinen Teil etwas schlechter als gedachter Geschäftsbericht des Chipzulieferers Broadcom sowie ein Bericht zu möglichen Verzögerungen beim Bau von KI-Rechenzentren-Kapazitäten des IT-Konzerns Oracle für OpenAI. In diesem Umfeld gerieten Tech-Werte teils deutlich unter Druck. Während der Techwerte-Index Nasdaq 100 bis zum Handelsende um 1,91 Prozent auf 25.197 Punkte fiel, hielt sich der marktbreite S&P 500 mit einem Minus von 1,1 Prozent auf 6.827 Punkte ein wenig besser.

Der US-Leitindex Dow Jones schloss nach einem weiteren Rekord im frühen Handel mit 48.458 Punkten und damit 0,5 Prozent im Minus. Vorn zu finden waren hier Aktien aus Branchen abseits des KI-Trends. Der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble, der Versicherer UnitedHealth, das Telekomunternehmen Verizon, Boeing, Coca-Cola und McDonalds legten zwischen rund 1,5 und gut zwei Prozent zu. Die Aktien des KI-Chipvorreiters Nvidia fielen hingegen um 3,3 Prozent. Abseits des Dow Jones knüpften der Software- und Hardware-Anbieter Oracle mit einem Verlust von 4,5 Prozent an seinen schwachen Vortag an – da hatte das Wachstum im KI-Bereich, obwohl sehr hoch, für Enttäuschung gesorgt. Am Freitag schrieb nun die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen, Oracle habe Fertigstellungstermine für einige der Rechenzentren für den Entwickler von KI-Modellen OpenAI von 2027 auf 2028 verschoben, vor allem wegen Arbeitskräfte- und Materialengpässen. Oracle reagierte aber mit einem Dementi. Demnach gibt es keine Verzögerungen mit Blick auf vertragliche Verpflichtungen.

Nach der langen Rally vieler KI-Werte scheint der Bericht dennoch bereits vor Wochen aufgekommene Sorgen genährt zu haben, wann Unternehmen angesichts knapper Ressourcen und damit eventuell noch höherer Investitionen mit ihren KI-Geschäften Geld verdienen werden. Zudem sorgte der Chipzulieferer Broadcom für teils lange Gesichter. Denn der Apple- und Google-Chipzulieferer schnitt im Schlussquartal sowie mit seinem allgemeinen Geschäftsausblick für das laufende Quartal zwar besser als erwartet ab, doch kamen Äußerungen zum KI-bezogenen Auftragsbestand schlecht an. Für die Broadcom-Aktie ging es um mehr als elf Prozent nach unten. Allerdings hatten sie erst jüngst ein Rekordhoch erklommen.

Besser sah es für den kanadischen Sportartikelhersteller Lululemon aus, der mit seinem Quartalsbericht und einer Anhebung der Jahresprognose überzeugte. Goldman-Sachs-Analystin Brooke Roach schrieb, dass Lululemon die Erwartungen am Markt vor allem wegen der sehr starken Geschäftsentwicklung in der Volksrepublik China übertroffen habe. Der Aktienkurs legte um fast zehn Prozent zu. Das ist langfristig eher ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin könnte damit eine Erholung einsetzen, sollten Anleger Vertrauen fassen und weiter zugreifen. Nach einer frühen Dax-Annäherung an die 24.500-Punkte-Marke haben die Anleger am Freitag noch auf die Bremse getreten. Der deutsche Leitindex erreichte bei 24.474 Punkten ein Zweimonatshoch, drehte aber ins Minus mit dem New Yorker Leitindex Dow Jones Industrial, der anfangs noch einen erneuten Rekord verbucht hatte. An den US-Börsen waren einmal mehr Sorgen um den Megatrend der Künstlichen Intelligenz aufgekommen.

Der Dax war zuvor knapp 0,5 Prozent tiefer bei 24.186 Zählern aus dem Handel gegangen. Anleger schreckten im Verlauf vor der Marke von 24.500 Punkten zurück, die laut dem Kapitalmarktstrategen Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets “die derzeit letzte relevante Hürde” ist auf dem Weg zum Rekordhoch von 24.771 Punkten, das vom Oktober stammt. In der abgelaufenen Woche hat der Dax 0,7 Prozent gewonnen.

Geht es nach den Experten von Index-Radar, bleibt die Stimmung auf dem Parkett freundlich – trotz einiger Rücksetzer, die der Markt in den vergangenen Tagen schon klaglos absorbiert habe. In der zweiten Börsenreihe schlug sich der MDax zum Freitagsabschluss denn auch etwas besser: Der Index mit den mittelgroßen deutschen Werten verteidigte ein Plus von gut 0,1 Prozent auf 29.959 Punkte. Dass der Dax ins Minus drehte, lag auch an Siemens Energy. Die Aktien des Energietechnikkonzerns rutschten mit 4,3 Prozent ins Minus, nachdem aus Kreisen vermeldet wurde, dass es bei dem US-Softwarekonzern Oracle Verzögerungen bei der Fertigstellung von Rechenzentren für den KI-Modellentwickler OpenAI gebe. In den Aktien von Siemens Energy ist viel Fantasie für solche Rechenzentren eingepreist. Sie sind deshalb mit einem Jahresplus von 135 Prozent der zweitbeste Dax-Wert. Gefragt waren die Aktien von Sportartikelherstellern. Adidas legten im Dax zwei Prozent zu und Puma im MDax 3,2 Prozent. Beide profitierten von positiven Signalen des kanadischen Wettbewerbers Lululemon, der vor allem wegen des stark gelaufenen China-Geschäfts die Erwartungen übertroffen und die Jahresziele angehoben hatte. Im Rüstungsbereich fiel Hensoldt mit einem Anstieg um 2,5 Prozent positiv auf. Der im MDax gelistete Rüstungselektronikkonzern schloss mit dem Dax-Konzern Rheinmetall einen langfristigen Rahmenvertrag über die Lieferung von Radargeräten für Luftverteidigungssysteme. Rheinmetall behauptete sich daraufhin mit 0,8 Prozent im Plus, während die Renk-Papiere als dritter Rüstungswert 2,1 Prozent tiefer schlossen. Eine Kaufempfehlung durch Kepler Cheuvreux verhalf den Papieren der Lufthansa um 4,8 Prozent nach oben. Das Verhältnis zwischen Chancen und Risiken werde immer attraktiver, schrieb Analyst Marc Zeck. Trotz aller Probleme, wie beispielsweise dem Druck der Gewerkschaften oder der Konkurrenz aus dem Nahen Osten, lasse sich das Potenzial kaum mehr ignorieren. 2026 glaubt er, dass frühzeitig erkennbar wird, ob die Wende erfolgreich verläuft. Mit einem Abschlag von 1,9 Prozent half es der Fraport-Aktie nicht, dass der Flughafenbetreiber ankündigte, erstmals seit der Corona-Pandemie wieder eine Dividende zahlen zu wollen. Graham Hunt vom Analysehaus Jefferies zeigte sich davon aber in einem ersten Kommentar nicht überrascht. Das Unternehmen hatte außerdem mitgeteilt, dass der Gewinn im kommenden Jahr wegen höherer Abschreibungen deutlich sinken dürfte.

Am Mittwoch hatte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins um 0,3 Prozentpunkte gesenkt. Es war die dritte Zinssenkung in Folge. Das zuständige Gremium traf die Entscheidung am letzten Treffen des Jahres. Das Ergebnis der Abstimmung zeigt: Die Fed ist gespalten. Wegen des Government Shutdowns im Herbst fehlten der Fed zuletzt gewisse Wirtschaftsdaten. Dennoch entschied sie sich für den Arbeitsmarkt – also dafür, den Leitzins noch einmal zu senken. Die Entscheidung fiel mit neun zu drei Stimmen. Zwei Mitglieder waren gegen eine Zinssenkung, Stephen Miran, der kürzlich in das Gremium berufen wurde, ging die Zinssenkung nicht weit genug. 

Präsident Donald Trump fordert seit Langem deutlich tiefere Zinsen und kritisiert die jüngste Senkung als zu gering, de Zinsen hätten “mindestens um das Doppelte” gesenkt werden können. Angeblich will Trump in Kürze einen Nachfolger für Powell präsentieren. Als Favorit auf den Chefposten wird der Vorsitzende des Nationalen Wirtschaftsrats im Weissen Haus, Kevin Hassett, gehandelt. Hassett gilt als Vertreter einer lockeren Geldpolitik und dürfte wie Trumps Vertrauter Miran dann regelmässig für Zinssenkungen stimmen. (baha/dpa-AFX)

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