Börsenwoche: Hoffnung auf Verhandlungslösungen im Zollstreit

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Die Finanzmärkte haben erreicht, was weder der EU noch China noch sonst einer Regierung bisher gelungen ist.

Nachdem die Verhängung von Zöllen am sogenannten „Liberation Day“ vor knapp vier Wochen einen Absturz an den internationalen Börsen ausgelöst hatte, änderte US-Präsident Donald Trump zumindest vorerst seinen Kurs. Das neue Zollregime wurde gegenüber den meisten Ländern für 90 Tage ausgesetzt. Nachdem zahlreiche amerikanische Unternehmen baldige Störungen bei der Versorgung mit dringend benötigten Vorprodukten reklamierten, deutete Trump an, nun auch die Zölle von 145 Prozent auf chinesische Waren wohl kürzen zu wollen, wenn Peking „etwas Substanzielles“ anböte. Die Finanzmärkte reagierten darauf vorsichtig optimistisch. 

Von einem Einknicken will Trump allerdings nichts wissen. Er argumentiert, dass die Zollpolitik Teil seiner Strategie sei, möglichst viele Länder dazu zu bringen, Handelsabkommen mit den USA abzuschließen. Der frühere UBS-Chefökonom der UBS, der heutige Unternehmensberater Klaus Wellershoff, sieht das nicht so. Er sagte der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Die Finanzmärkte haben Donald Trump diszipliniert.“ Allerdings anders als erwartet: Hätte Trump während seiner ersten Amtszeit stärker auf die Aktienmärkte geachtet, seien es diesmal die Anleihenmärkte gewesen, welche Trump zu einer Kursänderung bewogen hätten. In der Tat waren nach Inkraftsetzung der Zölle die Renditen von US-Bonds explodiert. „Trump reagiert auf Stress im Markt“, sagte Wellershoff. Mittlerweile sind die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen von rund 4,5 Prozent wieder auf 4,2 Prozent gesunken. Ein Teil der Verkäufe sei laut Christof Schürmann, Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute, auch auf Hedge-Fonds zurückzuführen. „Verkäufe am Anleihenmarkt tangieren die amerikanische Regierung viel unmittelbarer als Verwerfungen am Aktienmarkt“, betont Schürmann. Der Grund ist, dass sich die Vereinigten Staaten über Anleihen refinanzieren. Steigen die Renditen, müssen sie für ihre Schulden mehr bezahlen. Für die Regierung von Trump könnte dies ungemütlich werden, meint Schürmann.

Nach der Wahl Trumps im November hatten Investoren auf der ganzen Welt auf Deregulierung und eine insgesamt deutlich wirtschaftsfreundlichere Politik in den USA gesetzt. Das brachte riesige Geldzuflüsse an die Wall Street. 

Die Investoren unterschätzten offensichtlich, dass Trump tatsächlich die Politik machen würde, die er im Wahlkampf angekündigt hatte und dass er gewillt scheint, kurzfristige wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen.

Starker Wochenschluss für die Wall Streeet

Angesichts dieser Gemengelage verlief der Freitag an den Bören per saldo recht erfolgreich. Der Technologie-Index Nasdaq 100 gewann am Ende des Tages gut 1,1 Prozent auf 19.433 Punkte. Der Leitindex Dow Jones Industrial ging mit einem Plus von knapp 0,1 Prozent auf 40.113 Zähler ins Ziel. Beim marktbreiten S&P 500 stand ein Aufschlag von gut 0,7 Prozent auf 5.525 Punkte zu Buche. Auf Wochensicht verbuchten alle drei Indizes klare Gewinne, die beim Nasdaq 100 mit 6,4 Prozent besonders deutlich ausfielen. Der Dow kommt auf ein Wochenplus von 2,5 Prozent, der S&P 500 auf 4,6 Prozent. Die Verluste seit dem Zoll-Schock von Anfang April haben der Nasdaq 100 und der S&P 500 nun weitgehend aufgeholt.

Positiv nahmen die Anleger den Quartalsbericht von Alphabet auf. Die A-Papiere der Google-Mutter gewannen 1,7 Prozent, hatten anfangs aber deutlich mehr zugelegt. Der Internetriese mache die Suchmaschinenaufrufe weiter konsequent zu Geld, schrieb etwa Douglas Anmuth von JPMorgan in einer Einschätzung zum Zahlenwerk.

Mit Abschlägen von mehr als elf Prozent reagierten die Anleger auf die Geschäftszahlen der Telekom-Tochter T-Mobile US. Der Mobilfunker habe die stärksten Vertragskundenzuwächse der gesamten Branche verzeichnet, kommentierte Bernstein-Experte Laurent Yoon. Die Erwartungen seien aber einfach noch höher gewesen. Zudem werde der Wettbewerb härter.

Kursverluste von 6,7 Prozent verzeichneten Intel. Der neue Chef des kriselnden Chipkonzerns kündigte wenige Wochen nach dem Start „schmerzhafte Entscheidungen“ an und plant einen Stellenabbau. Mit seiner Umsatzprognose für das laufende Quartal hatte Intel die Börse enttäuscht.

Die Hoffnung auf eine Annäherung der USA und China im Zollstreit hatte zuvor schon die Erholung im Dax angetrieben. Der deutsche Leitindex ging 0,8 Prozent höher bei 22.242 Punkten ins Wochenende und fuhr damit ein Wochenplus von fast fünf Prozent ein – der größte Zugewinn seit Januar 2023. Seit dem Kurseinbruch vom 7. April hat der Dax um rund ein Fünftel zugelegt. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen zog am Freitag um 1,4 Prozent auf 28.295 Zähler an.

Im Handelsstreit der USA mit China beharrt US-Präsident Donald Trump auch nach einem Dementi aus Peking darauf, dass beide Seiten verhandeln. Angesprochen auf die Erklärung Pekings, dass es keine Verhandlungen gebe, sagte Trump: „Nun, sie hatten heute Morgen ein Treffen, und wir haben uns mit China getroffen.” Zudem berichteten Medien wie der US-Fernsehsender CNN, Peking habe wohl stillschweigend die Vergeltungszölle auf einige in den USA hergestellte Halbleiter zurückgenommen.

„Die Anleger setzen darauf, dass die positiven Nachrichten im Zollstreit nicht abreissen“, schrieb Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Die Investoren hofften auch auf ein gegenseitiges Fallenlassen aller Zölle zwischen der Europäischen Union und den USA sowie eine expansive deutsche Fiskalpolitik.

Mit Blick auf die Geldpolitik ließen Mitglieder der US-Notenbank Fed aufhorchen. Sie befürchten wegen Trumps Zollpolitik einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA. Damit könnte die Fed die Leitzinsen früher als aktuell am Markt erwartet senken, um die Wirtschaft zu stützen.

Europa und Dax gut erholt

Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 ging es vor dem Wochenende um knapp 0,8 Prozent auf 5.154 Punkte nach oben. Auch in der Schweiz und Frankreich gab es moderate Kursgewinne. Im Dax gewannen die Aktien des Triebwerksherstellers MTU an der Spitze 4,6 Prozent und die des Flugzeugbauers Airbus 2,4 Prozent. Für die Anteilscheine des Baustoffkonzerns Heidelberg Materials ging es um 3,8 Prozent nach oben. Frischen Schub brachten hier die positiv aufgenommen Geschäftszahlen der internationalen Wettbewerber Saint-Gobain und Holcim. Die Aktien von Merck legten um 1,2 Prozent zu. Der Pharmakonzern steht vor einer milliardenschweren Übernahme des US-Krebsspezialisten Springworks Therapeutics. Den nun im Raum stehenden Kaufpreis von rund 47 US-Dollar je Aktie bezeichnete JPMorgan-Analyst Richard Vosser als finanziell sinnvoll.

Der Reifenhersteller Continental trennt sich von seiner schwächelnden Autozuliefersparte. Conti beschloss die Abspaltung auf seiner Hauptversammlung. Außerdem konnte der Konzern einen neuen Finanzchef finden. Die Continental-Aktien stiegen um 1,7 Prozent. Starke Quartalszahlen des französischen Reifenherstellers Michelin stützten zusätzlich.

Als schwächster Wert im Dax fiel Deutsche Telekom um 4,8 Prozent. Die Tochter T-Mobile US hatte am Vorabend nach Börsenschluss in New York Geschäftszahlen für das erste Quartal vorgelegt, die hinsichtlich der Kundenzahl bei Mobilfunk-Laufzeitverträgen enttäuschten. Die Papiere von T-Mobile brachen daraufhin im US-Handel um mehr als zehn Prozent ein.

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