Börsenwoche: KI-Euphorie bröckelt, Hoffnung auf Zinssenkungen, Wirecard-Schadenersatz

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Der Strafprozess gegen den ehemaligen Konzernchef und Großaktionär des 2020 kollabierten deutschen Finanzkonzerns Wirecard, Markus Braun, und weitere Beschuldigte scheint eine Geschichte ohne Ende zu werden. Er läuft demnächst zwei Jahre, ohne das es Aussichten auf einen Abschluss gibt.

In der vergangenen Woche gab es nun auf einem anderen Feld ein Urteil, das zwar nichts über den Ausgang des Strafprozesses sagt, aber geprellte Anleger immerhin eine gewisse Befriedigung verschafft haben dürfte: In einem zivilrechtlichen Verfahren verurteilte das Landgericht München I Markus Braun sowie die damaligen Finanz-und Produktvorstände zur Zahlung von 140 Millionen Euro Schadenersatz zuzüglich Zinsen. Das Landgericht gab damit einer Klage des Insolvenzverwalters Michael Jaffé statt. 

In der Klage des Insolvenzverwalters ging es um einen Kredit und die Zeichnung von Schuldverschreibungen, über die in der Spätphase von Wirecard insgesamt 200 Millionen Euro an eine Firma in Singapur geflossen waren. Nur 60 Millionen Euro kamen zurück. Das Gericht erkannte auf „eine jedenfalls fahrlässig begangene Pflichtverletzung“ der drei Manager bei der Gewährung des Darlehens. Eine ungesicherte Kreditvergabe an einen finanzschwachen Vertragspartner sei ein unvertretbares Risiko und verstoße gegen die Sorgfaltspflicht. Die Vorstandsmitglieder hatten im Vorfeld entgegen anwaltlichem Rat eine gründliche finanzielle Prüfung unterlassen. 

Noch ist nicht klar, ob die Verurteilten in die Berufung gehen. Aber auch wenn das Urteil am Ende bestätigt werden sollte, ist fraglich, wieviel Geld der Insolvenzverwalter tatsächlich wird eintreiben können. Zwar haften die Manager mit ihrem Privatvermögen, doch ist unklar, wie viel davon noch übriggeblieben ist.

Technologiewerte wieder unter Druck

Konjunktursorgen und ein enttäuschender Ausblick des Chipkonzerns Broadcom haben am Freitag die US-Börsen stark belastet. Besonders heftig traf es erneut die Technologiewerte, die bereits am Dienstag auf Talfahrt gegangen waren. Für Verunsicherung sorgte zum einen, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Trend weiter abgeschwächt hat. Zum anderen würden Tech-Aktien derzeit insgesamt kritisch auf Substanz abgeklopft, schrieb Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Hohe Bewertungen, teilweise astronomische Umsätze und Gewinne sowie Skepsis an der Profitabilität von Unternehmen mit Geschäftsfokus auf Künstliche Intelligenz (KI) lüden förmlich zu Gewinnmitnahmen ein.

Der technologielastige Nasdaq 100 büßte 2,7 Prozent auf 18.421 Zähler ein. Auf Wochensicht ergibt sich damit ein Verlust von fast sechs Prozent. Es ist das größte Wochenminus seit November 2022. Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel um ein Prozent auf 40.345 Punkte, nachdem er vor einer Woche bei gut 41.585 Punkten ein Rekordhoch erreicht hatte. Dies bedeutet für das Kursbarometer der Wall Street ein Wochen- und Monatsminus von knapp drei Prozent. Der September gilt als schlechter Börsenmonat. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um gut 1,7 Prozent auf 5.408 Punkte nach unten. Sein Wochenminus von mehr als vier Prozent ist das größte seit März 2023.

Die Wirtschaft schuf im August weniger Arbeitsplätze als erwartet. „Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in einer stabilen Verfassung, wenngleich sich die Dynamik im Trend abschwächt“, urteilte Experte Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen. Seiner Einschätzung nach stützt dies die Erwartung, dass die Notenbank Fed Mitte September ihre Zinsen senken kann. Für einen großen Schritt um 0,5 Prozentpunkte, der von einigen für möglich gehalten wird, gebe es aber keine Argumente.

US-Notenbank-Direktor Christopher Waller zeigte sich nach der Veröffentlichung der Daten zumindest offen für eine größere Leitzinssenkung. Es sei wichtig, dass die Fed in diesem Monat mit der Senkung der Zinsen beginne. Er sei „aufgeschlossen“ für eine stärkere Zinssenkung und würde sich gegebenenfalls für eine solche einsetzen.

Die Aktien von Broadcom sackten als Schlusslicht im Nasdaq 100 um mehr als zehn Prozent ab. Am Markt hieß es, das klassische Geschäft mit Chips abseits von KI-Anwendungen habe im abgelaufenen Quartal etwas enttäuscht. Broadcom ist einer der Anlegerfavoriten für Künstliche Intelligenz – einem Trendthema, für das in den vergangenen Monaten viel Fantasie eingepreist wurde. Zuletzt war der Hype dann aber abgeflacht, was sich in den vergangenen Monaten auch bei anderen Werten aus diesem Umfeld bemerkbar machte. Die Aktien des KI-Pioniers Nvidia fielen am Freitag um gut vier Prozent.

Mit Blick auf kleinere Technologiewerte gab es auch Resultate von den Softwareunternehmen Docusign und UiPath. Letztere fielen in dem trüben Umfeld um sechs Prozent. Dabei hatte das diesjährige Umsatzziel die Erwartungen übertroffen. Die Anteilsscheine von Docusign stiegen um vier Prozent. Gelobt wurde hier die Profitabilität.

Der Euro gab unter dem Strich leicht nach und wurde zuletzt bei 1,1088 US-Dollar gehandelt. Am US-Rentenmarkt fiel die Rendite auf 3,72 Prozent. 

Dax mit Einbußen

Zuvor hatte der Dax bereits unter dem Eindruck des vorbörslich sehr schwachen US-Technologiesektors weiter nachgegeben. Die US-Arbeitsmarktdaten stellten dagegen zunächst kaum eine Belastung dar. Über die Ziellinie ging der deutsche Leitindex mit einem Abschlag von 1,5 Prozent auf 18.302 Punkte. Auf Wochensicht verlor er somit 3,2 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Börsenunternehmen büßte gut 1,2 Prozent auf 25.046 Punkte ein.

Nach dem Rekordhoch von 18.990 Punkten am Dienstag hatten trübe US-Konjunkturdaten bereits Gewinnmitnahmen im Dax ausgelöst. Inzwischen hat das Börsenbarometer von seiner fast 2000 Punkte umfassenden Erholung seit dem Kurseinbruch Anfang August mehr als ein Drittel wieder eingebüßt. Rezessionssorgen spielen am Markt weiter eine Rolle. In den USA hatte die Wirtschaft im August weniger Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. 

Am hiesigen Aktienmarkt waren am Freitag im Dax Siemens Energy mit minus 6,7 Prozent das Schlusslicht. Im Jahr 2024 sind die Titel des Energietechnikkonzerns aber noch immer mit weitem Abstand vorne, sie haben sich seit Jahresbeginn fast verdoppelt. Infineon verloren zum Wochenende 3,5 Prozent und folgten den schwachen US-Halbleiterwerten. Airbus verzeichneten Abschläge von 2,6 Prozent nach jüngsten Auslieferungszahlen des Flugzeugbauers. Zudem müssen nach einem Triebwerksbrand an einem Airbus A350-1000 die Jets dieses Typs vorzeitig in die Wartung. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA erließ eine entsprechende Anweisung.

Erneut ein Rekordhoch erreichten die Papiere der Deutschen Börse. Mit plus 1,3 Prozent lagen die Anteile des Börsenbetreibers am Ende des Tages auch im Dax vorne. Symrise gewannen 0,5 Prozent und profitierten davon, dass Goldman Sachs die Verkaufsempfehlung für die Titel des Aromen- und Duftstoffherstellers gestrichen hatte. Im Nebenwerte-Index SDax brachen Grenke um fast 13 Prozent ein. Auslöser war eine Mitteilung der Bundesfinanzaufsicht (Bafin) über Mängel bei der Tochter Grenke Bank in Teilbereichen der Geldwäscheprävention.

Die Kurse deutscher Bundesanleihen stiegen. Im Gegenzug sank die Umlaufrendite von 2,21 Prozent am Vortag auf 2,16 Prozent. Zinspolitik dürfte in den kommenden Wochen an den Börsen das wichtigste Thema bleiben. Am Donnerstag teilt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsentscheidung mit. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Notenbank die Zinsen weiter senkt – um erneut 0,25 Prozentpunkte. Nach der Sommerpause hätten sich die Aussichten für eine geldpolitische Lockerung weiter verbessert, hieß es von der Landesbank Helaba mit Verweis auf den im August erfolgten Rückgang der Inflation auf 2,2 Prozent im Euroraum.

Zinssenkung eingepreist

Eine weitere Zinssenkung durch die EZB gilt an der Börse allerdings als eingepreist. Der weitere Abstieg vom Zinsgipfel stimuliere vor allem nachhaltig die konjunkturellen und damit fundamentalen Auftriebskräfte der Aktienmärkte, erklärte Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, die Bedeutung dieses Schrittes für die Börsen. Das Überraschungspotenzial der EZB-Sitzung ist also eher gering, aber umso spannender ist der weitere Kurs der Notenbank der USA. Die Fed ist mit ihrer Zinsentscheidung knapp eine Woche nach der EZB an der Reihe. US-Notenbank-Präsident Jerome Powell hatte Ende August auf dem internationalen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole die Märkte wissen lassen, dass die Zeit für sinkende Leitzinsen gekommen sei, weil sich die Inflationsrisiken verringert hätten.

„Die letzten US-Inflationsnachrichten hatten dazu beigetragen, dass die Fed ihren Schwerpunkt eher auf die Konjunktur- und weniger auf die Inflationssicherung setzen konnte“, schrieben die Experten der Helaba. Damit bleibe der Arbeitsmarkt zentral für die künftige geldpolitische Ausrichtung der Fed.

Die Schwankungen am Aktienmarkt dürften vorerst hoch bleiben. Es sei derzeit Unsicherheit zu spüren, schrieb Experte Halver. Technologie-Aktien würden kritisch auf Substanz abgeklopft. Hohe Bewertungen, teilweise astronomische Umsätze und Gewinne sowie Skepsis an der aktuellen Profitabilität von Unternehmen mit Geschäftsfokus auf Künstlicher Intelligenz (KI) lüden förmlich zu Gewinnmitnahmen ein. Auch eine mögliche weiche Landung der US-Wirtschaft werde hinterfragt, so Halver. Gleichzeitig ist er davon überzeugt, dass die Zinswende, die die Fed im September einleiten wird, für konjunkturell frischen Wind sorgen wird. (wr/baha/dpa)

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