Börsenwoche: Kritische „Wirtschaftsweise“, gemischter Wochenausklang, Spekulationen über Disney 

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Am Mittwoch hat der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage“ seinen aktuellen Berichte vorgelegt. Er macht nur sehr wenig Hoffnung. Zwar erwarten die Professoren für das kommende Jahr eine leichte Erholung, doch die konjunkturelle Schwächephase werde vorerst andauern. Sie fordern mehr Investitionen, mahnen weniger Bürokratie an und wünschen sich eine stärker angebotsorientierte Politik, um das Wachstum wieder anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dauerhaft zu stärken.

Besonders kritisch beurteilt der Rat die Nutzung des milliardenschweren „Sondervermögens“, das eigentlich zur Sanierung der maroden Infrastruktur eingerichtet wurde. Dieses werde bei näherem Hinsehen größtenteils sachfremd eingesetzt, weil bereits geplante Projekte aus dem regulären Haushalt einfach in den Fonds verlagert würden – um mehr Mittel für Sozialausgaben und Subventionen frei zu machen. Das stärke das Wachstum nicht. In ihrem Jahresgutachten fordern die Wirtschaftsweisen zudem, den Bürokratieabbau „zur Chefsache“ zu machen. Die Zahl der Arbeitsstunden, die bei Unternehmen jedes Jahr allein für die Erfüllung administrativer Pflichten anfielen, sei horrend. Ein weiterer Hemmschuh resultiere aus der Tatsache, dass niemand in der Verwaltung Verantwortung übernehmen wolle.

Ein weiterer Schwerpunkt der Kritik des Rates sind die Sozialversicherungssysteme. Die Regierung Merz gehe bei den angekündigten Reformen viel zu zögerlich vor. Die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung stiegen weiter stark – an den strukturellen Ursachen habe sich bislang wenig geändert.

Positiv bewerten die Professoren dagegen die steuerlichen Entlastungen für Unternehmen, welche die Regierung plane. Firmen sollen Investitionen künftig schneller abschreiben können, ab 2028 ist zudem eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes geplant. Das reiche aber nicht für eine grundlegende wirtschaftspolitische Trendwende. 

Der Dax setzte am Freitag jedenfalls die vortags begonnene Korrektur fort. Mit einem Kursrückgang von 0,7 Prozent auf 23.877 Punkte schloss der deutsche Leitindex allerdings klar über seinem Tagestief. Mit den jüngsten Verlusten entfernte sich der Index weiter von seinem gut rund fünf Wochen alten Rekordhoch bei 24.771 Punkten.

“An der Börse ist der Kampf zwischen Bullen und Bären jetzt voll entbrannt”, kommentierte Marktexpertin Christine Romar vom Broker CMC Markets. “Während die Bären die vermeintliche Blase heute erneut zum Platzen bringen wollen, glauben die Bullen weiter fest an die Gewinnmaschine Künstliche Intelligenz und greifen auf dem Tief vom vergangenen Freitag wieder bei Aktien zu.” Der MDax der mittelgroßen Unternehmen sank letztlich um 0,7 Prozent auf 29.412 Zähler. 

Am deutschen Aktienmarkt stand vor dem Wochenende Siemens Energy nach einer Prognoseerhöhung im Fokus. Analysten sehen nun erheblichen Spielraum für die Markterwartungen. Die Aktien gewannen an der Dax-Spitze 9,4 Prozent und nahmen damit Kurs auf ihr Anfang November erreichtes Rekordhoch. Bei Allianz sorgte ein ebenfalls angehobener Ausblick für ein Kursplus von 1,2 Prozent. Die Titel blieben aber klar unter ihrem im August erreichten Jahreshoch. Wie andere Versicherer profitierte Allianz im Sommer von ungewöhnlich geringen Katastrophenschäden.

Dagegen büßten die Titel des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer am Indexende mit minus 5,1 Prozent einen Teil ihrer Wochengewinne ein. Auch für Technologiewerte wie Infineon und SAP ging es nach unten.

In den anderen Indizes sorgten IT-Dienstleister für Furore. Bechtle rechnet nach einem überraschend starken dritten Jahresviertel auch im Schlussquartal mit einem positiven Geschäftsverlauf. Die Aktien sprangen an der MDax-Spitze um 15 Prozent hoch.

Bei den jüngst rekordtiefen Anteilen von Branchenkollege Nagarro jubelten die Anleger nach der Zahlenvorlage über Kursgewinne von knapp 30 Prozent sowie den Spitzenplatz im Nebenwerte-Index SDax. Nagarro will zudem das Kapital der Gesellschaft durch Einziehung eigener Anteilscheine herabsetzen. Beschlossen wurde auch ein Aktienrückkaufprogramm. Im Kielwasser von Bechtle und Nagarro ging es auch für Cancom und Secunet bergauf. Beide Werte hatten zuletzt schon von den eigenen Quartalsberichten profitiert.

Wacker Chemie gewannen 4,8 Prozent. Analyst Sebastian Satz von der Citigroup nannte den Chemiekonzern als größten Profiteur davon, dass die schwarz-rote Koalition die Industrie in den kommenden Jahren mit einem subventionierten Strompreis entlasten will. Beim Photovoltaikkonzern SMA Solar sorgte eine Kaufempfehlung des Bankhauses Metzler für ein Kursplus von 8,7 Prozent.

Nach den zurückliegenden Kursausschlägen legten die Anleger ihre Nervosität später auch an der Wall Street nicht ab. Der Handel ging mit tiefen Verlusten los, weil neben der Bewertung von Technologiekonzernen auch vermehrt daran gezweifelt wurde, ob die US-Notenbank Fed die Zinsen im laufenden Jahr noch ein weiteres Mal senken werde. Der Abwärtsdruck ließ zwar bald nach, aber Mut zum Einstieg wollte auch nicht wirklich aufkommen. Der Dow Jones Industrial verlor am Freitag 0,7 Prozent auf 47.147 Punkte. Er war der einzige unter den bedeutenden US-Indizes, der es im Tagesverlauf nicht zeitweise ins Plus schaffte, nachdem er sich in dieser Woche allerdings mit einem neuen Rekord positiv hervorgehoben hatte. Der marktbreite S&P 500 gab um knapp 0,1 Prozent auf 6.734 Zähler nach. Der technologielastige Nasdaq 100 legte um knapp 0.1 Prozent auf 25.008 Punkte zu, nachdem er im frühen Handel den tiefsten Stand seit Mitte Oktober erreicht hatte.

Die Euphorie über das Ende des Shutdowns in den USA hielt zuletzt nicht lange an. In den Fokus der Anleger rückten die Wirtschaftsdaten, die in den vergangenen Wochen während der Behördenschließung ausgefallen waren. Als erster Höhepunkt soll am Donnerstag der Jobbericht für September veröffentlicht werden. Laut dem ING-Experten James Knightley haben Umfragen privater Dienstleister zuletzt eher Anzeichen geliefert, dass dieser schwach ausfallen könnte.

Der Jobentwicklung in den USA kommt wegen der nächsten Zinsentscheide der US-Notenbank Fed große Bedeutung zu. Wie der Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets am Freitag sagte, wird eine dritte Zinssenkung in diesem Jahr von Anlegern als nicht mehr so eindeutig angesehen wie noch vor wenigen Wochen. Nach einigen zurückhaltenden Äußerungen von Fed-Mitgliedern sei die am Markt eingepreiste Wahrscheinlichkeit unter 50 Prozent gefallen.

Unter den sieben bedeutendsten Technologiewerten schafften es mit Nvidia, Microsoft und Tesla immerhin drei Titel ins Plus, nachdem es anfangs keine Gewinner gegeben hatte. Beim Google-Mutterkonzern Alphabet und dem Versand-Händler Amazon blieben aber größere Verluste von bis zu 1,2 Prozent auf der Kurstafel stehen.

An der Nasdaq gab es bei Applied Materials zuerst einen deutlichen Kursrutsch, aus dem aber ein Anstieg um 1,3 Prozent wurde. Anleger sahen also über die erste Enttäuschung hinweg, dass der Chipindustrie-Ausrüster mit seiner Umsatzentwicklung enttäuschte. Für die zweite Jahreshälfte 2026 wurde eine Verbesserung in Aussicht gestellt.

Im Dow sorgte es bei Walmart für etwas Unsicherheit, dass ein Wechsel an der Führungsspitze angekündigt wurde. Die Aktie des Handelskonzerns gab um knapp 0,1 Prozent nach. Der Vorstandsvorsitzende Doug McMillon will im Februar in den Ruhestand gehen und soll dann von John Furner, dem bisherigen US-Chef des Unternehmens abgelöst werden..

Einen Kurseinbruch um 21 Prozent erlebten die Aktionäre von Stubhub, nachdem die Papiere erst im September ihr Börsendebüt gefeiert hatten. Mit einem Rekordtief wird der anfangs noch gelungene Börsengang allmählich zu einem Desaster. Die Bank of America schrieb, der Ticketverkäufer verunsichere seine Anleger mit seinen Zukunftskommentaren. Analyst Justin Post gab daher seine Kaufempfehlung für die Anteilscheine auf.

Für die Aktien von Warner Bros. Discovery ging es um vier Prozent aufwärts. Wie das “Wall Street Journal” unter Berufung auf Insider berichtete, bereiten Paramount, Comcast und Netflix Angebote für den Medienkonzern vor. (baha/dpa-AFX)

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