Das nun entschiedene Übernahmerennen um das Hollywood-Urgestein Warner Bros. Discovery hinterließ am Freitag seine Spuren. Gewonnen hat es der Streaminganbieter Netflix, der 27,75 Dollar je Aktie bietet – den Löwenanteil in bar und einen kleinen Teil in eigenen Aktien. Der Netflix-Kurs gab nach.
Laut der DZ Bank zahlt Netflix einen zu hohen Preis. Die Netflix-Aktien rutschten nach einem Auf und Ab im frühen Handel zuletzt mit drei Prozent ins Minus auf den niedrigsten Stand seit April. Die Warner-Aktien zogen derweil um fast vier Prozent auf 25,49 Dollar an, blieben damit aber deutlich unter dem Angebotspreis. Große Bedenken gibt es auf kartellrechtlicher Ebene, weil die Warner-Gruppe mit HBO auch ein starkes Streaming-Standbein hat.
Netflix will nur das Studiogeschäft und den Streamingdienst haben, die klassischen TV-Sender wie etwa der Nachrichtensender CNN sollen vorher noch unter dem Namen Discovery Global in eine eigenständige Firma abgespalten werden. Inklusive Schulden ist der Deal knapp 83 Milliarden Dollar schwer. Mit ihm holt sich Netflix unter anderem Batman, Superman und Harry Potter ins Haus sowie Serien wie “Game of Thrones”. Für den Abschluss der Übernahme planen die Firmen bis zu eineinhalb Jahre ein – auch weil die Wettbewerbshüter den Zukauf unter die Lupe nehmen werden. Experte Kannan Venkateshwar von Barclays rechnet mit einem langen Weg, bis der Zukauf tatsächlich über die Bühne geht – und fürchtet, dass die Anlageidee hinter den Netflix-Aktien vorerst unter dieser Unsicherheit leiden wird. Auch er betonte aber, sollte der Deal vollzogen werden, dass ein Unternehmen “von weltweit beispielloser Qualität” entstehen würde.
Der Dow Jones Industrial festigte gleichwohl sein Dreiwochenhoch, indem er sich um bis zu 133 Punkte über die Marke von 48.000 Punkten vorwagte. Halten konnte er diese Marke jedoch nicht, denn über die Ziellinie ging er mit 47.955 Zählern, was ein Plus von 0,2 Prozent bedeutete. Das Rekordhoch vom November bei etwas über 48.430 Punkten kommt damit wieder in greifbare Nähe. Im Wochenverlauf legte der Leitindex ein halbes Prozent zu. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag ebenfalls um 0,2 Prozent auf 6.870 Zähler nach oben, während der technologielastige Nasdaq 100 mit 25.692 Punkten auf ein Plus von gut 0,4 Prozent kam. Für Bestmarken müssten diese beiden Indizes über 6.920 beziehungsweise 26.182 Punkte steigen.
Gute Stimmung an der Wall Street
Aktuelle Wirtschaftsdaten änderten zu Wochenschluss nichts an den Fed-Erwartungen. Die Blicke waren auf den PCE-Kerndeflator gerichtet, der das bevorzugte Preismaß für die Fed ist. Wie erwartet ausgefallen, hatte die Veröffentlichung aber keine spürbaren Auswirkungen. “Die Fed wird die Leitzinsen im Dezember senken”, schrieb am Freitag die DZ-Bank-Analystin Birgit Henseler. Die US-Börsen hätten dies in den vergangenen Tagen bereits mit deutlichen Kursgewinnen honoriert, doch perspektivisch werde dann der weitere geldpolitische Pfad entscheidend. In ihrem Hauptszenario für 2026 bleibt das Umfeld für Aktien freundlich.
Es herrschte allgemein gute Stimmung bei vielen Werten aus dem Technologiesektor, wobei Salesforce mit einem weiteren Anstieg um 5,3 Prozent positiv auffielen. Am Vortag hatte es zunächst etwas gedauert, bis die Resultate des SAP-Konkurrenten gut angekommen waren. Daran knüpften die Papiere nun an und überschritten ihre 200-Tage-Linie. Viele Anleger sehen darin ein langfristig positives Chartsignal. Nur gemäßigt anschließen konnten sich dem IT-Sektorumfeld die Aktien von Hewlett Packard Enterprise, die es nach schwachem Start aber auch mit 1,9 Prozent ins Plus schafften. Der IT-Konzern hatte für das laufende Quartal eigentlich enttäuschende Umsatzzahlen für sein Geschäft mit KI-Servern in Aussicht gestellt.
Unter den Nebenwerten schnellten die Papiere des Dessousherstellers Victoria’s Secret beflügelt von starken Umsätzen und erhöhten Zielsetzungen um 18 Prozent nach oben. Von der US-Bank JPMorgan gab es wegen der guten Resultate eine Analystenhochstufung und die Barclays-Expertin Adrienne Yih schrieb, die guten Nachrichten seien erst der Anfang. Unter den mittelgroßen US-Werten sieht sie in der Aktie einen “Top Pick” für 2026. Beim Kosmetikkonzern Ulta Beauty reichte der Kurssprung um 12,7 Prozent wegen eines angehobenen Ausblicks gar für ein Rekordhoch. Ashley Helgans von Jefferies verwies als Grundlage für die Unternehmensziele auch auf übertroffene Erwartungen im dritten Quartal. Die Nachfrage im Kosmetikbereich sei groß.
Ein negativer Ausreißer waren die Aktien von Docusign, die um 7,6 Prozent absackten und kurzzeitig ein Tief seit mehr als einem Jahr erreichten. Das Unternehmen bietet eine cloudbasierte Plattform zum elektronischen Signieren von Dokumenten an und blickt auf ein starkes drittes Quartal zurück. Beim Ausblick hatten die anspruchsvollen Anleger aber offenbar mehr erwartet. Noch stärker war der Abschlag bei SentinelOne mit 14 Prozent. Bei dem Spezialisten für Cybersicherheit wurden gute Zahlen überlagert von einer mauen Quartalsprognose und dem Abschied des Finanzchefs, der die Anleger etwas beunruhigte.
Dax wieder über 24.000 Punkten
Zuvor hatte die Erholung des deutschen Aktienmarktes bereits Fahrt aufgenommen. Erstmals seit Mitte November sprang der Dax über die psychologisch wichtige Marke von 24.000 Punkten. Letztlich ging der Leitindex 0,6 Prozent höher mit 24.028 Zählern aus dem Handel. “Die Börsenampel steht auf Grün”, kommentierte Jürgen Molnar von RoboMarkets. Die Anleger brächten sich bereits in Stellung für die mit Spannung erwartete Zinsentscheidung der US-Notenbank in der kommenden Woche. Der MDax der mittelgroßen deutschen Werte ging 0,3 Prozent im Plus bei 29.696,45 Punkten ins Wochenende.
Seit dem schwachen Monatsbeginn mit einem Verlaufstief von 23.433 Zählern am Montag hat der Dax inzwischen ein gutes Stück zugelegt. Er kommt auf ein Wochenplus von 0,8 Prozent. Mit den aktuellen Gewinnen steigen inzwischen auch wieder die Hoffnungen auf eine Jahresendrally im Dax. In diesem positiven Szenario rücke als nächstes Etappenziel der größere Widerstand bei 24.200 Punkten in den Fokus, so Molnar.
Auf Unternehmensseite gerieten die deutschen Rückversicherer in den Sog eines schwachen Ausblicks des Schweizer Branchenriesen Swiss Re. Die Aktien von Munich Re und Hannover Rück gaben 0,6 beziehungsweise 0,7 Prozent nach. Analysten hatten sich von den Zielen der Schweizer für das kommende Jahr mehr erwartet. Auch der angekündigte Aktienrückkauf fiel enttäuschend aus.
Die Anteilsscheine von Airbus setzten ihre jüngste Erholung nicht fort und büßten 0,2 Prozent ein. Der weltgrößte Flugzeugbauer hat wegen der bereits bekannt gewordenen Mängel an Rumpfteilen im November noch nicht zum Jahresendspurt angesetzt. Im Dezember muss Airbus noch 133 Jets ausliefern, um die zuletzt gekappte Jahresprognose zu erreichen. RBC-Analyst Ken Herbert hält dies aber durchaus für möglich.
Eine Studie der Bank of America bewegte die deutschen Rüstungswerte. Die Aktien des Panzergetriebe-Herstellers Renk zogen um 4,6 Prozent an, nachdem Analyst Benjamin Heelan sie gleich doppelt auf “Buy” nach oben stufte. Beim Sensor-Spezialisten Hensoldt strich er derweil seine Kaufempfehlung bei deutlich gekapptem Kursziel, die Papiere fielen 0,9 Prozent. Rheinmetall verloren letztlich 0,7 Prozent. Auch hier hatte Heelan das Kursziel gesenkt, bleibt der Aktie aber gewogen.
In den hinteren Börsenreihen fielen die Anteile an Schott Pharma auf ein Rekordtief und notierten als Schlusslicht im Kleinwerte-Index SDax acht Prozent tiefer. Der Konzern hatte am Vorabend seine Mittelfristziele gekappt und einen verhaltenen Ausblick für das kommende Jahr abgeliefert. Das Management sprach von einem “Übergangsjahr 2026”. Laut UBS-Analyst Olivier Calvet dürften die Markterwartungen an den operativen Gewinn nun deutlich sinken.
Für Stahlwerte ging es dagegen aufwärts: Salzgitter-Papiere zogen um 3,2 Prozent an, die Citigroup hatte ihr Kursziel für den Stahlhersteller zuvor deutlich angehoben. Rückenwind für die Branche sehen die Analysten in den beschlossenen Abwehrmaßnahmen der Europäischen Union zum Schutz der eigenen Stahlindustrie. Die Papiere von Thyssenkrupp verteuerten sich um 2,5 Prozent. Die Gabelstapler-Hersteller Kion und Jungheinrich gerieten allerdings unter Druck und büßten jeweils 1,4 Prozent ein. Citigroup-Analyst Martin Wilkie strich seine Kaufempfehlung für Kion nach der vorherigen Kursrally. Jungheinrich passte wiederum seine Jahresprognose an. Die Ziele für Umsatz und Auftragseingang lägen etwas niedriger als zuvor, schrieb Analyst Siron Ng von der Citigroup.
Angst vor KI-Blase
Als Grundrauschen beherrscht die internationalen Börsen immer noch die Furcht vor dem Platzen der hochgesteckten Erwartungen in die KI. An Open AI lässt sich das gut illustrieren. Noch vor drei Jahren war das Unternehmen ein weitgehend unbekanntes Startup, das soeben einen Chatbot namens Chat-GPT herausgebracht hatte, der KI auf eine ganz neue Art einsetzte. Die Börse horchte auf, als Suchmaschinen-Gigant Google intern Alarm schlug. Inzwischen hat Google mit Gemini 3 ein neues KI-Modell präsentiert, das die Konkurrenz in vielen Bereichen hinter sich lässt. Nun ist es plötzlich Open-AI-Chef Sam Altman, der gemäß dem “Wall Street Journal” in einem internen Memo davor warnt, dass das neue Produkt von Google das eigene Unternehmen gefährde.
Die neue Hackordnung unter den KI-Bots schlägt sich indes auch an der Börse nieder. Der Aktienkurs des Google-Mutterkonzerns Alphabet hat sich seit Mai – als der Markt glaubte, Google werde von den Konkurrenten im KI-Wettstreit abgehängt – mehr als verdoppelt. Open AI, das jüngst mit rund 500 Milliarden Dollar bewertet wurde, wälzt seit langer Zeit schon Pläne für einen monumentalen Börsengang, zögert aber. Denn natürlich braucht es für einen erfolgreichen IPO das passende makroökonomische Umfeld und eine Erfolgsstory. Gemini 3 stellt diese Erfolgsstory gerade infrage. Und Open AI hat noch nie Gewinn geschrieben, sondern wegen seiner riesigen Investitionen in Rechencenter-Kapazität stets Verluste angehäuft. Und wie in Investorenpräsentationen dargelegt wird, dürften die Verluste bis 2028 noch massiv zunehmen. Insgesamt plant Open-AI-Chef Sam Altman in den kommenden acht Jahren 1,4 Billionen Dollar an Investitionen. Irgendwann könnten die Investoren die Geduld verlieren und den Geldhahn zudrehen. Dann platzt die Blase. (baha/dpa-AFX)
