Ein halbes Jahr ist der von US-Präsident Donald Trump ausgerufene „Liberation Day“ nun her. Und seitdem holt die neue Zollpolitik der Vereinigten Staaten die Märkte immer wieder ein. So hat die Furcht vor einer Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China am Freitag die Rekordjagd am US-Aktienmarkt unvermittelt gestoppt. Dabei gerieten Technologie-Werte, die im frühen Handel einmal mehr Bestmarken erreicht hatten, stärker unter Druck als Standardwerte.
Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel jedenfalls um 1,9 Prozent auf 45.480 Punkte. Auf Wochensicht ergibt sich ein Minus von 2,7 Prozent. Das ist der größte Verlust seit Anfang August. Der marktbreite S&P 500 büßte am Freitag 2,7 Prozent auf 6.552 Punkte ein. Für den viel beachteten Technologie-Auswahlindex Nasdaq 100 ging es um 3,5 Prozent auf 24.222 Punkte nach unten. Der umfassendere Index Nasdaq Composite sackte um 3,6 Prozent auf 22.204 Punkte ab.
Ausgelöst wurde der Kursrutsch an den Börsen durch Aussagen des US-Präsidenten zu China. Donald Trump hat sein geplantes Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping in Südkorea mit Verweis auf den laufenden Handelskonflikt infrage gestellt. Er habe diesen beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft treffen sollen – “aber jetzt scheint es keinen Grund mehr dafür zu geben”, schrieb der Republikaner auf seiner Plattform Truth Social. Trump kritisierte Chinas jüngste Ausweitung der Exportbeschränkungen bei seltenen Erden und drohte mit einem “massiven Anstieg” von Zöllen auf chinesische Waren. “Der Streit zwischen den USA und China um seltene Erden scheint zu eskalieren”, schrieb Marktanalyst Christian Henke vom Handelshaus IG. Trump sei offensichtlich der Geduldsfaden gerissen. Die Angst vor einem weiteren Handelskrieg wie im Jahr 2018 sei an den weltweiten Börsen zurückgekehrt.
Die Furcht vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft im Zuge eines neu aufflammenden Handelskonflikts zwischen den USA und China belastete insbesondere die stark konjunkturabhängigen Technologie-Werte. Unter den “Magnificient Seven”, den sieben am stärksten beachteten Branchentiteln, kam es zu Verlusten zwischen zwei Prozent bei Alphabet und gut fünf Prozent bei Tesla.
Jäh endete auch der jüngste Höhenflug von Freeport-McMoran, die Papiere büßten 5,6 Prozent ein. Nachdem der Minenbetreiber jüngst von der Rekordjagd beim Gold profitiert hatte, litt er nun unter der Aussicht, dass die Handelsstreitigkeiten die Nachfrage nach dem wichtigen Industriemetall Kupfer schmälern könnten. Im S&P 500 sackten die Aktien von Mosaic um mehr als neun Prozent ab. Die Phosphatproduktion des Düngemittelunternehmens war im dritten Quartal hinter den Erwartungen des Managements zurückgeblieben. Die Aktionäre von Levi Strauss mussten ein Minus von fast 13 Prozent verkraften. Der Jeanshersteller hatte sein Gewinnziel nicht so stark angehoben wie am Markt erhofft. Analysten zufolge enttäuschte besonders, dass das Ergebniswachstum auch wegen der US-Zölle hinter dem Umsatzanstieg zurückbleibt.
Für einen Lichtblick sorgten Protagonist Therapeutics, die um fast 30 Prozent in die Höhe schnellten. Wie das Wall Street Journal berichtete, führt der Mischkonzern Johnson & Johnson (J&J) Gespräche über den Kauf des Biopharmaunternehmens. Die Anteilscheine von J&J gaben leicht nach und zählten damit zu den besten Werten im Dow.
Zuvor war auch der jüngst in neue Höhen gestiegene Dax kurz vor dem Handelsschluss auf Talfahrt gegangen. Um 1,5 Prozent tiefer auf 24.241 Punkte ging der Leitindex aus dem Tag, was im Wochenverlauf einen Verlust von etwas mehr als einem halben Prozent bedeutet. Tags zuvor noch hatte er mit 24.771 Zählern ein Rekordhoch erreicht und sich so der runden Marke von 25.000 Zählern angenähert.
Der MDax sackte am Freitag um 2,17 Prozent auf 30.250 Punkte ab. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor 1,7 Prozent auf 5.531 Zähler. Außerhalb der Euroregion schlossen der schweizerische SMI und der britische FTSE 100 spürbar tiefer. Die Furcht vor einer erneuten Zuspitzung der Handelskrise zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt habe die Anleger erfasst, kommentierte Marktexperte Timo Emden die Verwerfungen in Frankfurt. “Die Ankündigungen Trumps sind nicht nur wirtschaftspolitisch provokant, sondern entzünden Unsicherheiten an den Märkten. Die in den vergangenen Tagen aufgekommene Rekordstimmung ist damit wieder einer nüchternen Betrachtungsweise gewichen.”
Im schwachen Gesamtmarkt griffen Anleger gegen Handelsschluss vor allem nach defensiven Werten wie Immobilienaktien, die von konjunkturellen Verwerfungen weitaus weniger betroffen sind als etwa Industriewerte. So gewannen Vonovia an der Dax-Spitze ein Prozent, TAG Immobilien legten an der MDax-Spitze um 1,8 Prozent zu und Grand City Properties gewannen im SDax 0,9 Prozent.
Schlusslicht im Dax waren die Papiere von Brenntag mit minus fünf Prozent. Sie wurden von einer Verkaufsempfehlung der Schweizer UBS belastet. Angesichts wachsender Anzeichen einer schwachen Nachfrage in den Absatzmärkten des Chemikalienhändlers und Überkapazitäten in der chemischen Industrie sieht Analystin Nicole Manion bis zum ersten Halbjahr 2026 Absatz- und Ergebnisrisiken.
Der Chemiekonzern BASF verkauft einen Großteil seiner Lacksparte an den US-Finanzinvestor Carlyle, was dem Aktienkurs zeitweise Auftrieb gab. Letztlich aber gingen die Papiere mit minus 1,8 Prozent aus dem Tag. Da BASF 40 Prozent am Unternehmen behalte, bedeute dies, dass der Konzern an allen späteren Aufwärtstrends teilhaben könne, sollte das Geschäft aufgespalten und an Branchenunternehmen veräußert werden, kommentierte Analyst Chris Counihan von Jefferies.
Die Aktien des Werbevermarkters Ströer konnten sich im MDax mit plus 0,7 Prozent gegen den Abwärtsdruck stemmen. Der Infrastruktur-Investor I Squared sei interessiert an der Außenwerbe-Sparte des MDax-Unternehmens, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg und Berufung auf informierte Personen.
Die Papiere von Energiekontor brachen um knapp 20 Prozent ein, nachdem der Wind- und Solarparkentwickler sein Ziel für das Vorsteuerergebnis wegen Verzögerungen in seinem Projektgeschäft in diesem Jahr nahezu halbierte.
Beginnt der Herbst der Reformen nun doch? Das Bürgergeld soll Geschichte sein – aber es scheint sich nur um eine Umbenennung zu handeln. Neu ist von Grundsicherung die Rede. “Das ist insofern ehrlicher, als es auf den Punkt bringt, worum es bei dieser Sozialleistung letztlich geht: um eine Sicherung der Grundbedürfnisse für Arbeitssuchende in Not“, spottet die „Neue Zürcher Zeitung. Tatsächlich ist der Handlungsdruck beim Bürgergeld gross: Erstens können die derzeit rund 5,5 Millionen Bezieher bislang ihre Mitwirkung auf dem Arbeitsamt verweigern, ohne dass ihnen das Geld gestrichen wird. Zweitens bleibt das Vermögen von Bürgergeld-Bezügern ein Jahr lang weitgehend unangetastet, und es ist auch erlaubt, weiterhin in einer teuren Wohnung zu leben. Drittens liefert das Bürgergeld nur wenig Anreiz, einen niedrig bezahlten Vollzeitjob anzunehmen, weil dann die Geldleistung sinkt und netto nur ein kleiner Zuwachs übrig bleibt. Einige dieser Probleme packt die Regierung an; die Umsetzung ist für Frühjahr 2026 geplant: Wer einen Termin im Jobcenter zweimal hintereinander versäumt, erhält die Grundsicherung um dreissig Prozent gekürzt. Schwänzt man auch einen dritten Termin und reagiert nicht auf die Kontaktversuche der Arbeitsvermittler, werden die Geldleistungen komplett gestrichen. Das umfasst nach einem Monat auch die Kosten für die Unterkunft. Auch die einjährige Schonfrist beim Einfordern des Vermögens will man streichen. Die neue Frist bemisst sich am Alter und an der Anzahl der Jahre, in denen in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurde. Die Karenzzeit entfiele auch bei unverhältnismässig hohen Kosten der Unterkunft. Doch das wichtigste Thema wird nach wie vor nicht angegangen: Das Institut für Weltwirtschaft weist zurecht darauf hin, es sei weiterhin attraktiver, eine geringfügige Beschäftigung mit Bürgergeld zu kombinieren, statt eine Vollzeitstelle anzutreten. Der Grund: Der Mehrverdienst einer Vollzeitstelle gehe auch in Zukunft zu einem großen Teil durch eine Kürzung des Bürgergeldes verloren.

