Börsenwoche: Neue Zoll-Drohungen. Verschnaufpause nach Rekordniveaus. Millionäre wandern aus

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Nach den jüngsten Rekorden an den US-Börsen hat sich die Stimmung unter den Anlegern am Freitag wieder einmal eingetrübt. Die Zollsorgen sind zurückgekehrt, denn US-Präsident Donald Trump will pauschale Tarife für etliche Länder auf 15 bis 20 Prozent anheben. Gegen Kanada verhängte er sogar Zölle in Höhe von 35 Prozent, nachdem er bereits Ende Juni die Handelsgespräche mit dem Nachbarland für erfolglos beendet erklärt hatte.

Der Dow Jones Industrial sank um 0,6 Prozent auf 44.372 Punkte und büßte im Wochenverlauf ein Prozent ein. Der S&P 500 gab um 0,3 Prozent auf 6.260 Zähler nach. Der technologielastige Nasdaq 100 verlor 0,2 Prozent auf 22.781 Punkte. Auch diese beiden Indizes schwächelten damit auf Wochensicht, hatten allerdings – anders als der Dow – in den vergangenen Tagen Rekordhöhen erklommen.

Marktexperten hatten angesichts der jüngsten Zoll-Beschlüsse Trumps auf dem aktuell hohen Bewertungsniveau der Märkte Gewinnmitnahmen erwartet. Die neue Breitseite gegen US-Handelspartner habe wieder etwas mehr Angst ausgelöst, schrieb Rajeev De Mello, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Gama Asset Management in Genf. Zugleich richte sich der Blick bereits auf die in Kürze startende Berichtssaison, sagte ein weiterer Experte. Was die Unternehmen angehe, blieben die Anleger optimistisch und das halte sie bei der Stange. Des Zollthemas seien viele inzwischen müde angesichts der ständig neuen Ankündigungen.

Unter den „Magnificent 7“ (Alphabet, Amazon, Apples, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) setzten Nvidia ihren Rekordlauf fort und kletterten bis knapp unter 168 US-Dollar. Der KI-Chipvorreiter hatte bereits am Mittwoch als weltweit erstes Unternehmen einen Börsenwert von vier Billionen US-Dollar erreicht. Mit einem Plus von 0,5 Prozent gingen Nvidia-Aktien aus dem Handel. Amazon gewannen 1,2 Prozent. Die Aktie des US-Handelsgiganten profitierte von einem Analystenkommentar. Brian Nowak von Morgan Stanley hob das Kursziel von 250 auf 300 US-Dollar an und traut der Aktie im Idealfall sogar einen Kurs von 350 Dollar zu. Er hält die Zollbelastungen für Amazon inzwischen für gut stemmbar, sieht Gründe für ein noch dynamischeres Cloud-Geschäft und bekräftigte, dass das Papier einer seiner „Top-Favoriten“ sei. Schlusslicht unter den „glorreichen Sieben“ waren die Papiere von Meta mit minus 1,3 Prozent.

Gerüchte über neue Gebühren von JPMorgan brachten im Handelsverlauf Aktien von Kreditkartenanbietern und Finanztech-Unternehmen wie Visa, Mastercard und Paypal mit Verlusten zwischen 2,2 und 5,7 Prozent unter Druck. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Verweis auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtete, wolle die US-Bank für den Zugang zu den Kontodaten ihrer Kunden Gebühren in einer Gesamthöhe erheben, die in die Hunderte von Millionen Dollar gingen. Die Gebühren würden entsprechend der Nutzung der Daten variieren, hieß es. Sie sollen im Jahresverlauf in Kraft treten und stünden noch nicht endgültig fest.

Im Lebensmittelbereich standen Übernahmen und Ausgliederungsspekulationen im Fokus. Dass der Lebensmittel-Großhändler US Foods Kreisen zufolge seinen Konkurrenten Performance Food schlucken will, sorgte für eine Fortsetzung des Rekordlaufs dieser Aktie. Sie legte um 4,8 Prozent zu. Die ebenfalls gut gelaufenen Titel von US Foods hatten zum Handelsauftakt ein Rekordhoch erreicht, stiegen letztlich dann aber nur um 0,4 Prozent. Für die Kraft-Heinz-Aktie ging es um 2,5 Prozent nach oben. Hier berichtete das „Wall Street Journal“, dass der Lebensmittelkonzern erwäge, einen großen Teil seines Lebensmittelgeschäfts auszugliedern.

Dax bröckelt ab

Zuvor hatten bereits in Frankfurt die neuen Zolldrohungen von Donald Trump die Rekordjagd des Dax vorerst beendet. Der US-Präsident erwägt pauschale Strafzölle von 15 oder 20 Prozent auf Importe aus der Europäischen Union. „Die Investoren stecken in einer Art Schockstarre fest, da das weitere unkonventionelle diplomatische Vorgehen der USA ein unschönes Gefühl in der Magengrube hinterlässt“, kommentierte Marktbeobachter Andreas Lipkow. Vor dem Wochenende steige die Nervosität besonders, da die Anleger am Montag nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden wollten.

Der Dax schloss gut 0,8 Prozent im Minus bei 24.255 Punkten. Am Donnerstag hatte der deutsche Leitindex noch einen Höchststand bei 24.639 Zählern erreicht. Nach rund 24 Prozent Plus im laufenden Jahr fehlten dann jedoch die Anschlusskäufe. Auf Wochensicht hat der Dax trotzdem immer noch um zwei Prozent zugelegt. Der MDax der mittelgroßen Börsenunternehmen gab um 0,9 Prozent auf 31.354 Punkte nach.

Neben der Drohung in Richtung EU hatte Trump außerdem neue Zölle gegen Kanada in Höhe von 35 Prozent verhängt – trotz Verhandlungen mit dem Nachbarland. Es sei besorgniserregend, dass die Gespräche im Ergebnis weitestgehend zwecklos gewesen seien, stellte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets fest. Dieses Schicksal drohe auch Europa. „Im schlimmsten Fall entpuppen sich sämtliche Verhandlungen als bloße Show, um am Ende doch die hohen Zölle erheben zu können.“

Unternehmensseitig schauen die Anleger zunehmend auf die kommende Woche startende Berichtssaison. Jefferies-Analystin Chloe Lemarie erwartet eine gute Halbjahresperformance des Triebwerksbauers Rolls-Royce. Möglicherweise könnten die Briten sogar ihre Jahresziele nach oben präzisieren. Das schob die Aktien von Konkurrent MTU um gut ein Prozent an, womit sie zu den wenigen Gewinnern im Dax gehörten.

Der frühere Dax-Konzern Covestro, der mittlerweile mehrheitlich dem Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört, senkte seine Prognose für das laufende Jahr. Der Kunststoffkonzern verwies auf die anhaltend schwache Konjunkturlage und sieht keine Anzeichen für eine kurzfristige Erholung. Die Aktien des Chemiekonzerns BASF büßten daraufhin ebenfalls fast zwei Prozent ein. Mehrere Analysten hatten befürchtet, dass auch dieser demnächst eine Gewinnwarnung herausgeben könnte. Nach Börsenschluss kappten die Ludwigshafener tatsächlich ihre Jahresprognose für das operative Ergebnis.

Schlusslicht im SDax waren Stabilus mit Kursverlusten von mehr als neun Prozent auf 25,35 Euro. Warburg-Analyst Marc-Rene Tonn hatte zwar sein Votum für den Autozulieferer auf „Buy“ belassen, aber das Kursziel von 54 auf 44 Euro gesenkt. Das zweite Quartal dürfte eher schwach gewesen sein, das untere Ende der Jahresziele jedoch bleibe erreichbar.

Für Friedrich Vorwerk ging es als Spitzenreiter im Nebenwerteindex um gut neun Prozent nach oben. Analyst Nikolas Demeter vom Bankhaus Metzler erwartet, dass der Pipeline- und Anlagenbauer für Erdgas-, Strom- und Wasserstoffanwendungen seine Jahresziele anheben wird. Bereits mit den Zahlen zum Jahresauftakt habe Friedrich Vorwerk die Umsatz-Zielspanne nach oben hin eingeengt, was Demeter im derzeit günstigen Geschäftsumfeld aber für konservativ hält.

Millionärsflucht aus Umverteilungsstaaten

Derweil nimmt die Migration des Kapitals Tempo auf: Laut dem Henley Private Wealth Migration Report 2025 werden in diesem Jahr weltweit 142.000 Millionäre ihren Wohnsitz in ein anderes Land verlegen – ein Allzeithoch. Besonders betroffen: Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien. Großbritannien wird mit einem prognostizierten Nettoverlust von 16.500 High-Net-Worth Individuals (HNWIs) zum traurigen Spitzenreiter – mehr als doppelt so viele wie in China, das in den vergangenen zehn Jahren stets das Land mit den höchsten Abwanderungszahlen war. Auch Deutschland verliert laut der Studie netto 400 Millionäre – ein bislang einmaliger Wert für Europas größte Volkswirtschaft. Deutschland galt lange als stabiler Hort für Wohlstand und Investitionen. Doch nun scheint das Vertrauen der Reichen zu schwinden. Gründe sind unter anderem steuerliche Belastungen, wachsende Bürokratie sowie politische Unsicherheiten. Die steuerpolitische Debatte um Vermögensabgaben, das Auslaufen einiger Steuervergünstigungen und zunehmende Regulierungen im Immobiliensektor wirken abschreckend – besonders auf vermögende Familienunternehmer und internationale Investoren, fasst der Report zusammen. Auch Frankreich (–800), Spanien (–500), Schweden (–50), Irland (–100) und Norwegen (–150) werden in diesem Jahr voraussichtlich mehr Millionäre verlieren als gewinnen. Damit geraten die klassischen Wohlstandszentren Europas zunehmend unter Druck.

Bei den Zielländern liegen die Vereinigten Arabischen Emirate, allen voran Dubai, mit einem erwarteten Zuzug von 9.800 Millionären vorne. In Europa verzeichnen insbesondere die Schweiz (+3.000), Italien (+3.600), Portugal (+1.400) und Griechenland (+1.200) starke Nettozuwächse. Die Zuwanderung werde getragen von attraktiven Steuerregimen, hoher Lebensqualität und gezielten Programmen zur Förderung von Investorenansiedlung, schreiben die Autoren. Die Entwicklung stelle tradierte Muster auf den Kopf: Die neue Achse des Reichtums verlaufe durch den Süden Europas: Städte wie Lissabon, Athen, Mailand und Zug würden zu bevorzugten Wohnsitzen für Wohlhabende. Auch kleinere Länder holten auf: Malta (+500) und Montenegro (+150) gehören laut Henley-Report zu den am schnellsten wachsenden Millionärsmärkten der letzten zehn Jahre.

Besonders dramatisch sei die Entwicklung im Vereinigten Königreich. Höhere Erbschafts- und Kapitalertragsteuern sowie eine Aufweichung der früher sehr vorteilhaften Regeln für sogenannte „Non-Doms“, hätten zu einem Exodus geführt. In der Tat sprechen manche in Anlehnung an den „Brexit“ (den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU) schon vom „Wexit“ (Wealth Exit).

Der britische Fall sollte als Warnsignal auch für Deutschland dienen. Der internationale Steuerwettbewerb verschärft sich, ebenso wie der Wettbewerb um Talente, Investitionen und Innovationskraft. Eine moderate Besteuerung, Rechtssicherheit und unternehmerfreundliche Politik sind die Stellschrauben, an denen die Regierung drehen könnte. Bislang sieht es allerdings nicht danach aus, als wolle sie da etwas unternehmen. Statt Standortsicherung steht immer noch Umverteilung ganz oben auf der politischen Agenda. (baha/dpa-AFX/Henley)

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