Offensichtlich sind die bisherigen Zollgespräche zwischen den USA und der EU nicht nach den Vorstellungen der Amerikaner verlaufen. Die Diskussionen führten nirgendwohin, beklagte sich US-Präsident Donald Trump jedenfalls am Freitag auf seiner Social Media Plattform Truth Social. Gleichzeitig empfahl er einen Zollsatz von 50 Prozent auf Einfuhren aus EU-Ländern. Dieser soll ab 1. Juni gelten.
Geht es nur darum, wieder Fahrt in die Verhandlungen zu bringen? Wir erinnern uns: Am 2. April hatte Trump für Importe aus der EU einen Zollsatz von 20 Prozent verkündet; eine Woche später setzte er dann die Umsetzung für 90 Tage aus, um sich und den Handelspartnern Zeit für Gespräche zu geben. In Kraft blieb, für alle Handelspartner der USA mit Ausnahme Chinas, ein vorläufiger einheitlicher Zollsatz von zehn Prozent. An den Märkten sorgte die neuerliche Eskalation im Zollstreit für Unruhe, der DAX fiel um gut 1,5 Prozent und der CAC 40 in Paris um knapp 1,7 Prozent. Auch an der Wall Street sanken die Kurse. Allerdings fielen die Verluste kleiner aus. Der Nasdaq-100-Index musste allerdings zusätzlich den von Trump gegen Apple angedrohten Sonderzoll von 25 Prozent wegstecken.
Zölle von 50 Prozent träfen nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft vor allem die Autoindustrie und die Luftfahrt Europas schwer. Die Experten schätzen, dass deren Produktion sich um fünf Prozent verringern würde. Was die Exporte der einzelnen europäischen Länder in die USA betrifft, wäre, vor allem auch wegen der Autoindustrie, Deutschland am stärksten betroffen. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic mahnte beruhigte dagegen: Die EU sei entschlossen, einen „Deal“ mit den USA abzuschließen, der für beide Seiten gut sei, schrieb er nach einem Gespräch mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer und Handelsminister Howard Lutnick auf der Plattform X. In der Tat läuft die EU-Politik seit Monaten darauf hinaus, eine Eskalation zu verhindern. Deshalb hat die EU bislang auch amerikanische Güter nicht mit Abgaben belegt, obwohl die USA ihrerseits inzwischen auf Waren aus der EU im Umfang von 380 Milliarden Dollar einen Zoll verlangen.
Die Mehrheit der Börsianer scheint davon auszugehen, dass Trump seine neueste Drohung gegen die EU ebenso schnell wieder fallenlassen wird, wie er es mit den Zusatzzöllen gegen China getan hat; andernfalls hätten die Kurse stärker auf Trumps radikalen Vorschlag reagiert. So verzeichneten die zuletzt stabilisierten New Yorker Börsen am Freitag nur leichte Verluste. Am Ende stand beim Leitindex Dow Jones Industrial ein Minus von gut 0,6 Prozent auf 41.603 Punkte zu Buche. Für den marktbreiten S&P 500 ging es um knapp 0,7 Prozent auf 5.803 Punkte nach unten. Der Nasdaq 100 verlor gut 0,9 Prozent auf 20.916 Punkte. Auf Wochensicht verzeichneten Dow und Nasdaq 100 damit Kursrückgänge um 2,5 beziehungsweise 2,4 Prozent.
Nur Verhandlungstaktik?
Nach Einschätzung der Wirtschafts- und Politikexperten von JPMorgan ähnelt die Drohung des US-Präsidenten dessen bisheriger Vorgehensweise und gehört zur Verhandlungstaktik. Denn die Drohung auf Truth Social sei wenige Stunden vor einer geplanten Gesprächsrunde zwischen der Europäischen Union und den USA erfolgt, heißt es in einer aktuellen Einschätzung. Zudem stünden der EU Vergeltungsmöglichkeiten zur Verfügung, die auch recht schnell umzusetzen wären. In jüngsten Aussagen ließ Trump indes keine Verhandlungsbereitschaft erkennen.
Seine direkten Drohungen gegen den iPhone-Hersteller Apple , im Ausland hergestellte iPhones mit einem mindestens 25-prozentigen Strafzoll zu belegen, brockten dem Technologieriesen einen Kursverlust von drei Prozent ein. Damit war er zweitschwächster Wert im Dow. Auch Papiere von Halbleiterunternehmen gerieten unter Abgabedruck. Intel , On Semiconductor und Texas Instruments verloren jeweils mehr als zwei Prozent. Vergleichsweise robust erwies sich Nvidia: Die Aktien des auf Chips für KI-Anwendungen spezialisierten Hersteller sanken lediglich um 1,2 Prozent.
Abseits des Zollthemas sorgten einige Konzerne aus dem Softwarebereich für Gesprächsstoff. Bei Intuit fiel die Reaktion auf gute Zahlen und einen angehobenen Ausblick positiv aus: Die Titel gewannen als Nasdaq-100-Spitzenreiter 8,1 Prozent.
Dagegen sackten die Papiere von Schlusslicht Workday um 12,5 Prozent ab. Die Zahlen fielen zwar ordentlich aus. Doch Karl Keirstead von der schweizerischen Bank UBS verwies darauf, dass die Erwartungen im Verlauf der Berichtssaison zuletzt deutlich anspruchsvoller geworden seien. Binnen eines Monats hatten die Workday-Aktien um gut 30 Prozent zugelegt.
Für deutliche Kursausschläge sorgten Übernahmefantasien. Eine Kreisemeldung der Nachrichtenagentur Bloomberg über den möglichen Kauf von Informatica durch den Softwareriesen Salesforce ließen die Aktien des Anbieters von Datenintegrationssoftware um gut 17 Prozent nach oben schnellen. Für Salesforce ging es am Dow-Ende um 3,6 Prozent bergab.
Die Anteilseigner von US Steel konnten sich über einen Kurssprung von rund 21 Prozent freuen. Trump kündigte an, eine Partnerschaft des Stahlkonzerns mit Nippon Steel zu unterstützen. Zuvor hatte der US-Präsident – genauso wie Amtsvorgänger Joe Biden – eine Übernahme von US Steel durch die Japaner abgelehnt.
Dax belastet
Die neuerlichen Zolldrohungen des US-Präsidenten hatten zuvor den Dax schon deutlich belastet. Der deutsche Leitindex war im Handelsverlauf um bis zu drei Prozent abgesackt und hatte so den tiefsten Stand seit gut zwei Wochen erreicht. Zum Handelsschluss hin erholte sich der Börsenbarometer ein Stück weit, sodass letztlich ein Minus von gut 1,5 Prozent auf 23.630 Punkte zu Buche stand. Auf Wochensicht bedeutet das einen Verlust von 0,6 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Werte büßte am Freitag gut 0,5 Prozent auf 29.895 Zähler ein.
Europaweit und auch hierzulande gerieten unter anderem Banken- und Technologiewerte nach der Trump-Drohung unter Verkaufsdruck. Um Automobilaktien machten die Anleger einen besonders großen Bogen. So fielen im Dax Mercedes-Benz und Porsche AG um jeweils knapp vier Prozent.
Im ersten Quartal hatten zwar Ausfuhren gerade auch von Autos noch die deutsche Wirtschaft gestützt. Diese war nicht zuletzt deshalb mit 0,4 Prozent zum Vorquartal doppelt so stark gewachsen wie zunächst vom Statistischen Bundesamt geschätzt. Die Experten sprachen aber von Vorzieheffekten im schwelenden Handelskonflikt mit den USA. Insofern könnte das Wachstum in Deutschland „bald zu einer positiven Eintagsfliege werden”, hieß es von der Bank ING.
Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer kann sich Hoffnungen auf eine Zulassung seines Kassenschlagers Eylea für eine längere Behandlung in der EU machen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur hatte eine Zulassungserweiterung für das Augenmittel empfohlen. Die Bayer-Aktien gehörten mit plus 0,5 Prozent zu den besten Dax-Werten.
Für die Papiere von PVA Tepla ging es nach einer Kaufempfehlung der Deutschen Bank letztlich um 6,4 Prozent auf gut 17 Euro aufwärts. Analyst Michael Kuhn sieht beim Halbleiterzulieferer das volle Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft und hob sein Kursziel von 14,50 auf 26,00 Euro an. Die Titel von Evotec setzten ihre Erholungsrally vom Vortag dynamisch fort. Die Papiere des Wirkstoffentwicklers gewannen mehr als 17 Prozent.
Alle drei Monate müssen institutionelle Anleger in den USA, die mehr als 100 Millionen Dollar verwalten, ihre Käufe und Verkäufe – die sogenannten 13F-Filings – des abgelaufenen Quartals bekannt machen. Jetzt war es wieder soweit.
Buffet, Bury und Soros – die Aktionen der Legenden
„The big short“ Michael Burry – der mit seinen Wetten gegen die Subprimes 2007 und 2008 bekannt geworden war – hat im ersten Quartal fast sein gesamtes börsennotiertes Aktienportfolio aufgelöst und setzt nun bei sechs Tech- und Chinaaktien auf fallende Kurse. So hat Burrys Hedgefonds Scion Asset Management zum Beispiel bei Nvidia, Alibaba und Baidu Put-Optionen zugekauft. Ebenfalls für Gesprächsstoff sorgt seine auf rund 13,2 Millionen Dollar erhöhte Beteiligung am Kosmetikkonzern Estée Lauder. Die Aktie war zuletzt stark gefallen – von 375 Dollar Ende 2021 auf knapp 64 Dollar – unter anderem wegen Problemen im Management und schwacher Geschäftszahlen.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen hat Georges Soros seine Beteiligung bei Apple um 3,2 Prozent reduziert. Andererseits ist Soros Neuengagements bei American Electric Power und JPMorgan eingegangen. Der heute 94-Järige Soros wurde in den 1990ern aufgrund seiner Devisenspekulationen unter anderem gegen das britische Pfund bekannt.
Käufe und Verkäufe von Altmeister Warren Buffett und seiner Beteilungsgesellschaft Berkshire Hathaway überraschen wenig. Der beinahe 95-Jährige hat seine Bestände an Finanzwerten weiter verringert und den Fokus stattdessen auf den Aufbau seiner Csshreserven gelegt, der Ende März fast 350 Milliarden Dollar erreicht hat. Seine wertvollste Position ist nach wie vor Apple, die er im ersten Quartal nicht veränderte. Gleichzeitig hat er seine Beteiligung an Constellation Brands (Corona-Bier) aufgestockt und Aktien von Sirius XM Holdings und Occidental Petroleum gekauft.