Rekorde, Rekorde, Rekorde – wohin man blickt. Die Finanzmärkte kannten zuletzt nur eine Richtung. Es scheint, als müsste man nur investieren, die Märkte erledigten den Rest, um möglichst schnell, möglichst viel Geld zu verdienen. Eine alte Börsianerweisheit sagt jedoch: Was hoch steigt, kann auch tief fallen.
An diese Börsenweisheit wird in diesen Tagen wieder öfter erinnert. Amazon-Gründer Jeff Bezos beispielsweise sieht eine „industrielle Blase“ heraufziehen und der qua Stellenbeschreibung eigentlich als Berufsoptimist agierende Goldman-Sachs-Chef David Solomon warnt vor einem Einbruch an den Finanzmärkten. Die Forschungskonferenz der EZB wiederum diskutierte bereits Mitte September unter Mitwirkung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Frage: „Kommt die nächste Finanzkrise?“
Ganz ausgeschlossen scheint das nach den jüngsten Entwicklungen nicht. Am 6. Oktober erreichte die Kryptowährung Bitcoin einen neuen Rekord von fast 126.000 Dollar (aktuelle 111.000 Dollar, 95.000 Euro). Auf Sicht von einem Jahr hat sich der Kurs damit verdoppelt. Am 7. Oktober durchbrachen dann der US-Leitindex S&P 500 und die Technologiebörse Nasdaq die alten Hochs (die sie am Freitag erneut verbesserten). Und am 8. Oktober hieß es dann: Der Goldpreis hat erstmals die Marke von 4000 Dollar pro Feinunze (gut 31 Gramm) durchbrochen (am Freitag 4.112 Dollar) – immerhin ein Anstieg von mehr als 50 Prozent seit Anfang des Jahres.
Weil diese Entwicklung sich nicht ewig fortsetzen kann, mehren sich nun die warnenden Stimmen. Sie schätzen die Kursentwicklung von Gold, Aktien und Bitcoin entrückt aller herkömmlichen Bewertungen ein. Besorgniserregend seien vor allem die Investitionen von Techfirmen untereinander. So wurde kürzlich bekannt, dass Nvidia, der grösste Chipanbieter der Welt, einhundert Milliarden Dollar in den KI-Entwickler Open AI investiert. Wenige Tage später gab Open AI seinerseits bekannt, man habe einen milliardenschweren Auftrag an den Chiphersteller AMD gegeben, den grössten Konkurrenten von Nvidia. Es sieht so aus, als hätten sich die Techfirmen vom Rest der Welt abgekoppelt und bliesen sich durch wechselseitige Transaktionen zu Mondbewertungen auf.
Stecken wir schon mitten in der “Everything Bubble”?
Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, sieht dagegen noch keine Notwendigkeit, Kapitalanlagen zeitnah zu verkaufen. Die Märkte befänden sich zwar „mittlerweile in einem Bereich, in dem die Luft dünn wird“, aber er sehe noch nicht das, was die Angelsachsen eine „everything bubble” nennen. Gleichwohl muss man einräumen, dass es Parallelen zwischen dem derzeitigen Hype um künstliche Intelligenz und der sogenannten Dot-Com-Blase zur Jahrtausendwende gibt. Damals schien es mitunter zu genügen, ein „.com“ im Unternehmensnamen unterzubringen, und schon wurde man von den Anlegern mit Kapital zugeschüttet. Die meisten Firmen standen jedoch erst am Anfang ihrer Entwicklung und erzielten keinen Gewinn. Die steigenden Kurse entkoppelten die Bewertungen von der Realität. Das Ende ist bekannt: Die Dot-Com-Blase platzte, viele Anleger verloren sehr viel Geld. Heute nun werden die KI-Firmen mit Milliarden geflutet, während viele von ihnen wie die erwähnte Open AI, noch in den roten Zahlen stecken. Da drängt sich die Frage geradezu auf, ob wir die absurd hohe Bewertung vieler KI-Firmen als Vorboten dafür nehmen müssen, dass die Dot-Com-Blase als KI-Blase ihren Wiedergänger findet. Auch die beste Party ist irgendwann zu Ende.
Wall Street mit neuen Rekorden ins Wochenende
Gestützt von positiven Unternehmenszahlen und günstigen Inflationsdaten sind die US-Aktienmärkte allerdings erst einmal mit Bestmarken und klaren Gewinnen ins Wochenende gegangen. Der Dow Jones Industrial erklomm ein Rekordhoch bei knapp 47.327 Punkten und schloss mit einem Plus von gut ein Prozent bei 47.207 Punkten. Auf Wochensicht resultiert daraus ein Gewinn von 2,2 Prozent. Der marktbreite S&P 500 verbuchte am Freitag ebenfalls einen Höchststand und gewann letztlich 0,8 Prozent auf 6.792 Zähler. Für den Nasdaq 100 ging es nach einem weiteren Bestwert am Ende um ein Prozent auf 25.358 Punkte aufwärts. Damit verbuchte der technologielastige Index ein Wochenplus von 2,2 Prozent.
Ein Grund: Die Verbraucherpreise in den Vereinigten Staaten waren im September moderater als erwartet gestiegen. Die Kerninflation, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden, schwächte sich überraschend etwas ab. „Die Inflationsdaten geben der Fed grünes Licht für eine weitere Zinssenkung in der kommenden Woche”, kommentierte Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Er geht zudem davon aus, dass die US-Notenbank auch im Dezember die geldpolitischen Zügel lockern wird.
Vor dem Wochenende stand einmal mehr die Berichtssaison der Unternehmen im Fokus. Die Aktien von Intel kletterten zunächst deutlich auf den höchsten Stand seit anderthalb Jahren. Letztlich blieb davon aber nur noch ein Gewinn von 0,3 Prozent übrig. Der kriselnde Chipkonzern schaffte es im vergangenen Quartal unter anderem dank geringerer Verluste in der Fertigung in die Gewinnzone. Analysten lobten zwar die übertroffenen Erwartungen, zeigten sich aber skeptisch, ob das schon ein Zeichen für ein Comeback von Intel sei. Für die Titel des Intel-Rivalen AMD ging es um 7,6 Prozent und einem Rekordhoch im Handelsverlauf nach oben. Die jüngst geschlossene Milliardenvereinbarung mit dem KI-Unternehmen OpenAI weckt weiterhin die Anlegerfantasie.
Dem Konsumgüterkonzern Procter & Gamble bescherten ein überraschend gutes erstes Geschäftsquartal und bestätigte Jahresziele zunächst ein deutliches Kursplus. Im weiteren Handelsverlauf bröckelten die Papiere jedoch ab, rutschten zwischenzeitlich ins Minus und gingen mit einem Kursanstieg von 0,2 Prozent aus dem Handel. Die Aktie von IBM setzte sich mit einem Kurssprung von 7,9 Prozent an die Dow-Spitze und kletterte auf ein Rekordhoch. Tags zuvor war sie nach der Bekanntgabe von Quartalszahlen um 0,9 Prozent gesunken. Ein etwas besserer Konzernumsatz und eine positive Gewinnüberraschung hatten die Anleger nicht überzeugt.
Die Papiere von Ford stiegen auf den höchsten Stand seit Juli 2024 und standen mit einem Kursanstieg von zwölf Prozent an der Spitze des S&P-100-Index. Der Autobauer setzt darauf, dass sich seine Geschäfte 2026 weitgehend von einem verheerenden Brand erholen werden, der einen wichtigen Zulieferer für seinen meistverkauften Pickup-Truck F-150 lahmgelegt hatte. Dafür soll im kommenden Jahr die Produktion dieses Modells um 50.000 Fahrzeuge hochgeschraubt werden.
Deutsche Aktien verabschieden sich mit Plus
Am Ende einer guten Börsenwoche hatte zuvor schon der deutsche Aktienmarkt nochmals Gewinne verbucht. Aus dem Handel ging der Dax gut 0,1 Prozent höher bei 24.240 Punkten. Damit verblieb er unterhalb des Rekordes von 24.771 Punkten in seiner jüngsten Handelsspanne, die in den vergangenen Tagen bis nahe an die Marke von 24.400 Zählern reichte. Mit einem Anstieg um 1,7 Prozent sieht seine Wochenbilanz ansehnlich aus. Der MDax verbuchte am Freitag deutlichere Kursgewinne. Der Index der mittelgroßen deutschen Börsenunternehmen schloss gut 0,9 Prozent höher bei 30.292 Zählern.
Der Dax trotzte mit seinem moderaten Anstieg der Tatsache, dass die besonders gewichtigen SAP-Aktien mit einem Abschlag von 3,6 Prozent an ihre Vortagsschwankungen anknüpften, die es nach den vorgelegten Quartalszahlen gegeben hatte. Die Charttechniker der UBS erwähnten beim Hoch vom September von 236,65 Euro eine Unterstützung, die nun unterschritten wurde. Als Gegengewicht fungierte Siemens Energy mit einer weiteren Erholung des Kurses um etwa fünf Prozent. Die Titel des Energietechnik-Konzerns wagten damit den Versuch, ihren jüngsten Rutsch unter die 21-Tage-Linie wieder auszumerzen. Diese ist eine bei charttechnisch orientierten Anlegern eine beliebte Indikatorlinie.
Gemäßigter als zuletzt ging es im Rüstungssektor zu, in dem Rheinmetall mit einem knappen Abschlag von 0,1 Prozent aus dem Handel gingen. Hensoldt hob sich hier positiv ab, indem sie im MDax um 1,2 Prozent zulegten. Am Vorabend hatte das Rüstungsunternehmen von steigenden Aufträgen berichtet. Mehr Musik war unter den Nebenwerten im SDax. Die Tabelle wurde dort angeführt von den Aktien von Siltronic, die an ihre Erholung seit Mitte September anknüpften, indem sie 7,8 Prozent an Wert gewannen. Ein japanischer Wettbewerber hatte von einer starken Nachfrage nach Chip-Wafern im Halbleitermarkt gesprochen.
Heftige Schwankungen machten im SDax die Anleger von PVA Tepla durch. Eine Gewinnwarnung wegen Projektverzögerungen hatte die Anleger erst einmal böse überrascht, wie ein zwischenzeitlich fast 19-prozentiger Abschlag zeigt. Die ersten Wogen der Enttäuschung ließen aber schnell nach wegen der Erkenntnis, dass sich die Aufträge lediglich ins neue Jahr verschieben. Die Aktien gingen dann deutlich gemäßigter mit 2,3 Prozent im Minus aus dem Handel. Analyst Constantin Hesse von Jefferies sah in der zwischenzeitlichen Schwäche eine Kaufgelegenheit. Ein nur mäßiger Verlierer waren die Papiere von Nordex, die letztlich um 0,4 Prozent nachgaben. Die Investmentbank Oddo BHF hatte die Kaufempfehlungen für die Aktien des Windturbinenherstellers gestrichen.
Auf europäischer Bühne schloss der EuroStoxx 50 bei 5674,50 Punkten, was nahe seines Rekordes ein moderates Plus von 0,1 Prozent bedeutete. Außerhalb der Eurozone legte der Schweizer SMI ebenfalls leicht zu, während der Londoner FTSE 100 mit einem Anstieg um 0,7 Prozent relativ gut dastand. (baha/dpa-AFX)

