Am Donnerstag versammelten sich die Aktionäre von Tesla in Austin/Texas zur Hauptversammlung. Die Veranstaltung wird in die Geschichtsbücher eingehen; die Anteilseigner des E-Autoherstellers stimmten zum zweiten Mal einem Bonus für Firmenchef Elon Musk zu, der jede Vorstellungskraft sprengt. Er hat einen Wert von rund 56 Milliarden Dollar.
Ein Gericht in Delaware, wo Tesla bisher seinen Firmensitz hatte, hatte einen Beschluss des Verwaltungsrats zu dieser Vergütung im Januar mit dem Argument, das Board sei nicht unabhängig genug, für ungültig erklärt; aber nun wurde die variable Vergütung von der Hauptversammlung rückbestätigt. Zudem nahmen die Aktionäre den Antrag an, den Sitz von Delaware nach Texas zu verlegen. „Wir schlagen nicht nur ein neues Kapitel für Tesla auf“, sagte Gründer Elon Musk im Überschwang, „wir starten ein neues Buch.“ Das Vergütungspaket von 2018 ist auf zehn Jahre ausgelegt und wurde ursprünglich mit 2,3 Milliarden Dollar bewertet. Es war an die Bedingung geknüpft, dass Musk Tesla durch eine sehr schwierige Phase führen und den Aktienpreis des Elektroautopioniers deutlich erhöhen kann. Diese Bedingungen hat Musk erfüllt: 2017 war Tesla noch ein vergleichsweise kleiner Autobauer und hatte große Schwierigkeiten, in die Massenproduktion überzugehen. Das Unternehmen lieferte vor sieben Jahren 100.000 Fahrzeuge aus – 2023 waren es mehr als 1,8 Millionen.
Weil der Bonus aus Aktienoptionen besteht und weil Teslas Aktienpreis seit 2018 rasant anstieg (auch wenn er sich gegenüber 2021 wieder halbiert hat), hat Musks Vergütungspaket nun das gigantische Ausmaß von umgerechnet rund 50 Milliarden Euro angenommen. Welchen Wert es tatsächlich hat, hängt weiterhin stark vom Zeitpunkt der Ausübung der Optionen und vom weiteren Kursverlauf von Tesla ab. Klar ist: Wenn Musk alle Optionen ausübt, kann er seinen Anteil an Tesla von 13 auf 20 Prozent ausbauen; oder zumindest auf 18 Prozent, nachdem er die fälligen Steuern gezahlt hat. Dass die Abstimmung über den Bonus so deutlich ausfiel, ist angesichts des Widerstands eine kleine Überraschung. Im Vorfeld der Hauptversammlung hatten einflussreiche Aktionärsverbände Stimmung dafür gemacht, die Bonuszahlung abzulehnen. Auch einige große Tesla-Aktionäre wie , die mächtige Pensionskasse der kalifornischen Staatsangestellten oder der norwegische Staatsfonds hatten sich gegen das Vergütungspaket ausgesprochen.
Während der Verwaltungsrat die Aktionäre um Zustimmung bat, drohte ihnen Elon Musk: Er werde seine ambitionierten Pläne in Bezug auf künstliche Intelligenz und Robotik nur dann innerhalb von Tesla weiterverfolgen, wenn sie seinen Bonus und den Umzug nach Texas genehmigten. Musk kann sich das erlauben, weil er weiß, dass er ein wesentlicher Baustein des Tesla-Narrativs ist. Der Durchbruch bei der KI soll endlich ein vollautonomes Fahren ermöglichen und damit auch Taxis ohne Fahrer. Auf solche Robo-Taxis will Tesla in Zukunft voll setzen. Dafür stellt das Unternehmen andere Entwicklungsprojekte wie das günstige Tesla-Einsteigermodell zurück. Ob dieser Richtungswechsel gelingt, wird über die Zukunft der Aktie entscheidend sein; denn das Aus des Verbrennungsmotors wird wesentlich länger dauern, als man noch vor zwei Jahren dachte. Gleichzeitig machen die chinesischen E-Auto-Hersteller Tesla mit ihren günstigen Fahrzeugen auf der ganzen Welt trotz Einführung (EU) oder Erhöhung (USA) von Zöllen Marktanteile streitig. In China selbst, dem mit Abstand größten Markt für Elektroautos, steht Tesla unter besonders hohem Druck. Tesla wandelt sich vor diesem Hintergrund zu einem Autohersteller wie jeder andere; die meisten Finanzanalysten jedenfalls bewerten Tesla inzwischen auf dieser Basis und stellen die Frage, ob das Unternehmen seine Gewinnmargen verteidigen kann.
Mit der Schwerpunktsetzung auf selbstfahrende Taxis will Musk einmal mehr einen neuen Markt schaffen, auf dem andere Regeln gelten – und andere Bewertungen möglich sind. Elon Musk versprach seinen Anlegern auf der Hauptversammlung genau eine solche Revolution und versuchte sie mit seiner neuen Vision zu verführen: „Leute, ihr versteht es“, rief der Tesla-Chef dem jubelnden Publikum in Austin zu, „aber ein Großteil der Welt versteht es noch nicht“. Das klingt fast nach einer Sekte. Der Aktienkurs stieg am Donnerstag immerhin um fast zwölf Dollar auf knapp 190 Dollar an. Am Freitag musste er die Zugewinne jedoch komplett wieder abgeben.
Tesla konnte sich damit nicht von der Technologiebörse Nasdaq abkoppeln, die wie der marktbreite S&P 500 nach ihrem Rekordlauf der vergangenen Tage am Freitag eine Pause einlegte. Sogar deutlich abwärts ging es zunächst für den Dow Jones Industrial, wobei ein eingetrübtes Verbrauchervertrauen auf der Stimmung für Standardwerte lastete. Später konnte er sich wieder etwas erholen, so dass in der Endabrechnung ein Minus von 0,2 Prozent auf 38.568 Punkte stand. Der marktbreite S&P 500 sank am Freitag nach mehreren Tagen mit Rekorden um 0,3 Prozent auf 5.415 Punkte, während der Nasdaq 100 um knapp 0,2 Prozent auf 19.611 Zähler zulegte. Im Wochenverlauf bedeutete das für den technologielastigen Auswahlindex ein Plus von etwas mehr als drei Prozent.
In den Tagen zuvor hatten die Inflationsdaten für den Monat Mai neue Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen in den USA aufkeimen lassen, was vor allem den zinssensiblen Technologiewerten Auftrieb gab. Die US-Notenbank Fed signalisierte am Mittwoch zwar nur eine Zinssenkung im laufenden Jahr, ein Drittel der Währungshüter halten aber zwei Zinsschritte für durchaus möglich. „Viel spricht dafür, dass die US-Notenbank im Herbst mit einer ersten Zinssenkung beginnt, alle weiteren Schritte aber eng an die künftigen Wirtschaftsdaten bindet“, schrieb Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Mit Blick auf die Tech-Branche und einzelne Aktien aus dem Sektor ging die Euphorie rund um Künstliche Intelligenz (KI) weiter. Wie bereits viele andere hat auch der für seine Photoshop-Software bekannte Konzern Adobe seine Produkte mit KI-Funktionen ausgestattet und die Preise angehoben. Mit seinem zweiten Geschäftsquartal übertraf Adobe nun die Erwartungen der Analysten und wurde für das Gesamtjahr etwas zuversichtlicher. Die Aktie sprang mit plus 14,5 Prozent an die Spitze des Nasdaq 100.
Die tags zuvor in Rekordhöhe geschnellten Aktien des Halbleiterkonzerns Broadcom, der mit seinen Quartalszahlen und Zielen überzeugt hatte, legten um 2,1 Prozent zu. Nvidia gewannen 1,5 Prozent und erreichten eine neue Bestmarke. Apple, Microsoft und Oracle gaben unterdessen einen kleinen Teil ihrer jüngsten Gewinne ab.
Der deutsche Aktienmarkt hatte zuvor erneut deutliche Kursabschläge erlitten. Für den Dax ging es letztlich um gut 1,4 Prozent auf 18.002 Punkte bergab. Damit hielt er sich denkbar knapp über der Marke von 18.000 Punkten, unter die er zeitweise erstmals seit sechs Wochen gerutscht war. Der Wochenverlust von drei Prozent war der höchste seit August vergangenen Jahres.
„Der Schock über das Ergebnis der Europawahl und die nun anstehenden Neuwahlen in Frankreich sitzt nicht nur an der Börse in Paris, sondern auch in Frankfurt tief“, kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets. Dazu belaste der mögliche Handelskonflikt mit China nach der Androhungen von Strafzöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge. „Die nächste Woche dürfte damit ganz im Zeichen des Versuchs einer Stabilisierung stehen, mehr sollte in der aktuellen Situation nicht drin sein.“
Pessimistisch zeigte sich auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets: „Aktuell ist die Chance für eine erfolgreiche Vorrunde der deutschen Fußball-Nationalmannschaft höher als für einen positiven Stimmungsumschwung an der Frankfurter Börse“, urteilte er. Auch angesichts der schon wieder erloschenen Zinsfantasie in Europa und der geopolitischen Krisenherde gebe es derzeit „nicht wirklich einen triftigen Grund, Aktien zu kaufen“.
Das bekamen am Freitag auch andere europäische Handelsplätze zu spüren. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verabschiedete sich knapp zwei Prozent tiefer ins Wochenende. In Paris ging es noch deutlicher bergab, während London mit einem moderaten Minus davonkam. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial gab zum europäischen Börsenschluss etwas nach, während der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 ein knappes Plus schaffte.
Über die Aktien von Rheinmetall und andere deutsche Rüstungswerte schwappte wieder einmal eine Welle von Gewinnmitnahmen. Rheinmetall konnten die Kursverluste von zeitweise neun Prozent zwar eindämmen und schlossen 5,3 Prozent tiefer, blieben damit aber einer der schwächsten Dax-Titel. Hensoldt im MDax und die Renk verloren am Ende jeweils 2,9 Prozent.
Die kaum veränderten Thyssenkrupp zeigten sich stabilisiert nach dem Donnerstags-Fall auf ein Dreieinhalbjahrestief. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters verstärkt der US-Investor Carlyle seine Bemühungen um die Rüstungstochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Demnach könnte Carlyle die Mehrheit an TKMS erwerben und die deutsche Staatsbank KfW eine Sperrminorität. Thyssenkrupp würde dann nur noch eine Minderheitsbeteiligung halten.
Am Devisenmarkt sank der Euro zeitweise auf den tiefsten Stand seit Anfang Mai, konnte sich mit zuletzt 1,0695 Dollar aber etwas berappeln. Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite von 2,61 Prozent am Vortag auf 2,44 Prozent.