Bei seinem Auftritt am Nato-Gipfel in Den Haag am Mittwoch schoss sich Donald Trump wieder einmal auf Jerome Powell ein, den Chef der mächtigen US-Zentralbank (Fed).
Vor den versammelten Regierungschefs der 32 Nato-Länder äußerte sich Trump wenig höflich über den Notenbankchef: “Zum Glück geht er bald, denn ich finde ihn schrecklich.” Und kartete nach, er mache sich bereits Gedanken über mögliche Nachfolger für Powell. Die neuerlichen Spekulationen um eine Auswechslung Powells vor Ablauf seiner regulären Amtszeit im Mai 2026 setzten den Dollar stark unter Druck.
Trump hat Powell wiederholt dafür kritisiert, dass er die Zinssätze noch nicht gesenkt hat und hält ihm vor, das Europa bereits zehn Zinssenkungen durchgeführt habe, die USA aber nur eine. Bislang ist Powell hart geblieben, der Zielkorridor für die amerikanischen Leitzinsen liegt nach wie vor zwischen 4,25 und 4,5 Prozent. Als Gründe für das Stillhalten betont der Fed-Chef die Unsicherheit, die mit der wilden Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung einhergehe, und die damit verbundene Gefahr eines Aufflammens der Inflation. Mit den Mai-Daten wurde er eigentlich auch bestätigt.
Überwiegend positive Nachrichten im Zollstreit und die erwähnten Spekulationen über Zinssenkungen sorgten dann am Freitag für neue Rekorde an den New Yorker Börsen. Nur der bekannteste Wall-Street-Index Dow Jones Industrial war nicht mit von der Partie, obwohl er im Tagesverlauf letztlich am deutlichsten zulegte. Insgesamt aber bröckelten die Gewinne im Handelsverlauf etwas ab, nachdem US-Präsident Donald Trump die Handelsgespräche mit Kanada aufgekündigt hatte.
Wall Street auf Rekordkurs
Der Dow legte um ein Prozent auf 43.819 Punkte zu, womit er auf Wochenbasis ein Plus von 3,8 Prozent erzielte. Sein jüngstes Rekordhoch aus dem Monat Dezember bei etwas über 45.070 Punkten ist nun wieder in Reichweite.
Für den marktbreiten S&P 500 ging es um 0,5 Prozent auf 6.173 Zähler hoch. Nachdem er am Donnerstag an seiner etwas mehr als vier Monate alten Bestmarke gescheitert war, gelang ihm nun der Sprung auf ein Rekordhoch. Die technologielastigen Nasdaq-Indizes erreichten ebenfalls Höchststände. Der Auswahlindex Nasdaq 100, der zeitweise über 22.600 Punkte geklettert war, beendete den Tag mit einem kleinen Plus von 0,4 Prozent bei 22.534 Punkten. Im Wochenverlauf steht ein Plus von 4,2 Prozent zu Buche.
Im Zollkonflikt einigten sich China und die USA auf ein Ende bestimmter Handelsbeschränkungen, wie beide Seiten mitteilten. Obendrein könnte noch vor Ablauf der Frist am 9. Juli ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA getroffen werden, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Verweis auf mit der Angelegenheit vertraute Personen schrieb. Einen Dämpfer erhielten die Börsen, nachdem Trump erklärt hatte, dass er sämtliche Handelsgespräche mit Kanada beendet habe, da das Land eine Digitalsteuer eingeführt sowie mit der Einführung eines neuen Zollsatzes innerhalb der nächsten Woche gedroht habe.
Die Konjunkturdaten an diesem Tag fielen gemischt aus. Die nur moderat gestiegene Inflation gibt laut Experten keinen Anlass zur Sorge. Bereits am Vortag waren Zinsfantasien durch einen Bericht des “Wall Street Journal” zur Nachfolge von US-Notenbankchef Jerome Powell angeheizt worden. Demnach könnte Präsident Trump, der auf Zinssenkungen drängt, bereits im Herbst über die Nachfolge entscheiden, obwohl Powell noch bis Mai 2026 im Amt ist.
Das Papier von Nike aber war mit Abstand der Favorit im Dow und sprang dank erfreulicher Geschäftszahlen um 15,2 Prozent nach oben auf den höchsten Stand seit März. Der Umsatz- und Gewinnrückgang des Sportartikelherstellers im vierten Geschäftsquartal fiel nicht so schlimm aus wie befürchtet. Zudem rechnet Nike für das erste Quartal beim Umsatz nur noch mit einem Rückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich, nachdem dieser zuletzt zweistellig gefallen war. Analysten hatten mit einer deutlich schwächeren Prognose gerechnet.
Unter den “Glorreichen Sieben”, den sieben bedeutendsten und größten Tech-Konzernen, erreichte die Aktie des KI-Profiteurs Nvidia ein weiteres Rekordhoch mit plus 1,8 Prozent. Hochstufungen halfen Einzelwerten wie Amazon , die um 2,9 Prozent stiegen und damit zurück sind auf dem höchsten Stand seit Februar. Exane BNP Paribas hob das Papier des Online-Handelsgiganten von “Neutral” auf “Outperform”. Boeing kletterten um 5,9 Prozent. Hier hatte Analyst Olivier Brochet von Redburn sein Anlageurteil von “Neutral” auf “Buy” hochgesetzt. Er sieht den Flugzeugbauer inzwischen als “gesünder” an, verwies auf die Produktionsbeschleunigung bei Verkehrsflugzeugen sowie eingeleitete Maßnahmen zur Krisenbewältigung.
Starke Woche für den Dax
Zuvor hatte schon der deutsche Aktienmarkt einen starken Abschluss einer erfolgreichen Börsenwoche hingelegt. Im späten Handel erhielten die Indizes einen zusätzlichen Schub von Spekulationen um ein näher rückendes Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Vor allem Autowerte profitierten von den freundlicheren Zollaussichten.
Der Dax stieg am Freitag wieder über die viel beachtete Marke von 24.000 Punkten auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Wochen und schloss mit einem Gewinn von 1,6 Prozent bei 24.033 Zählern. Daraus resultierte ein Wochenplus von knapp drei Prozent.
Der MDax legte am Freitag um knapp 0,9 Prozent auf 30.358 Punkte zu. Für den SDax ging es am Ende um 1,6 Prozent auf 17.429 Punkte nach oben auf ein Hoch seit dreieinhalb Jahren. Damit ist der Kleinwerteindex nur noch rund 20 Zähler von seinem Rekordhoch entfernt.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann letztlich 1,6 Prozent. Der SMI in Zürich schloss 0,8 Prozent höher und der Londoner FTSE 100 0,7 Prozent. Die wichtigsten US-Aktienindizes verzeichneten zum europäischen Börsenschluss Gewinne zwischen 0,7 und 1,1 Prozent.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ist einem Medienbericht zufolge zuversichtlich, dass die EU und die USA noch vor dem Stichtag am 9. Juli ein Handelsabkommen abschließen können. An diesem Tag will Washington Zölle von 50 Prozent auf fast alle EU-Produkte erheben, während die EU eine Reihe von Gegenmaßnahmen plant.
Von der Leyen habe den EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am Donnerstag hinter verschlossenen Türen mitgeteilt, dass vor Ablauf der Frist eine Einigung erzielt werden könne, um eine wirtschaftlich schädliche Eskalation zu vermeiden, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Dank der erneuerten Zollhoffnungen waren die deutschen Autowerte mit am stärksten gefragt. Sie profitierten zudem von Aussagen des US-Handelsministers Howard Lutnick, wonach die USA und China die im Vormonat erreichte Übereinkunft im Zollstreit finalisiert haben. Die Papiere des Sportwarenbauers Porsche AG standen mit einem Kursanstieg von 7,6 Prozent an der Dax-Spitze. Für BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen ging es um bis zu 5,3 Prozent aufwärts.
In Deutschland sorgte die RTL Group für einen Paukenschlag mit der Übernahme des Pay-TV-Senders Sky Deutschland. Der RTL-Kurs schnellte an der MDax-Spitze letztlich um mehr als 16 Prozent nach oben. Dies sorgte für Fantasie im Streaming-Bereich. Laut Mitteilung des Großaktionärs Bertelsmann schließt der Medienkonzern mit künftig rund 11,5 Millionen zahlenden Streaming-Abonnenten in Deutschland zu den großen US-Wettbewerbern auf.
Deutlich spürbar war außerdem, dass Nike die Aktien von Adidas und Puma. Deren Kurse zogen um 3,9 respektive drei Prozent an, nachdem der US-Sportartikelkonzern am Vorabend nachbörslich einen besser als befürchteten Quartalsbericht vorgelegt hatte. Die Nike-Aktien zogen am Freitag zuletzt um 17 Prozent an. Analysten gehen davon aus, dass die Umsatzentwicklung der Amerikaner die Talsohle erreicht hat.
Aktien von Knorr-Bremse fielen – belastet von gleich zwei Analystenabstufungen – um 2,2 Prozent. Neben einer gestrichenen Kaufempfehlung der Citigroup gab es auch ein schlechteres Rating von JPMorgan auf “Neutral”. JPMorgan-Analyst Akash Gupta sieht nach einem guten Lauf kaum noch Kurspotenzial bei der Aktie des Bremsenherstellers. Vivek Midha von der Citigroup sieht zudem Margenrisiken angesichts schwacher Daten vom Lkw-Markt in den USA.
Gewinnmitnahmen gab es ansonsten im Rüstungssektor, wie die Aktien von Rheinmetall, Renk und Hensoldt zeigten. Nach mehreren positiven Handelstagen, die geprägt waren von der Nato-Einigung auf höhere Ausgabenziele, büßten sie am Freitag zwischen 3,8 und 6,1 Prozent ein. (baha/dpa-AFX)