Steigende Aktienkurse, ein stärkerer Dollar und ein Bitcoin-Rekordhoch: Das waren die ersten Reaktionen an den Börsen auf die erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Damit behielten auch die Buchmacher recht, die in den Tagen vor der Wahl Trump klar vor Harris gesehen hatten (siehe Börsenwoche vom vergangenen Wochenende).
Viele Anleger waren in den vergangenen Wochen sogenannte „Trump-Trades“ eingegangen. Sie kauften Aktien von Unternehmen, von denen sie erwarteten, dass die von einem Sieg Trumps bei den Wahlen profitieren werden. Und verkauften tendenziell Anleihen, weil sie von Trump eine noch expansivere Fiskalpolitik erwarten, die inflatorisch wirken könnte. In der Tat legten die Renditen amerikanischer Staatsanleihen bereits zu, als sich Trumps Sieg abzeichnete. Auch der Dollar zeigte sich stärker. Deutliche Verluste gab es beim Goldpreis, der in diesem Jahr immer neue Rekorde erreicht hatte.
Von einer zweiten Präsidentschaft Trumps erwarten viele Investoren, dass er die Unternehmenssteuern senkt und bestehende Regulierungen abschafft oder vereinfacht. Das sollte die wirtschaftliche Tätigkeit beleben und zu steigenden Gewinnen führen. Zudem sei davon auszugehen, dass eine Rezession in den USA vermieden werde und sich die wirtschaftliche Expansion bis ins Jahr 2025 fortsetze. Spätestens mit der Entwicklung dieser Woche verspricht 2024 für die Wall Street ein weiteres starkes Jahr zu werden. Der breite S&P 500-Index hat bereits ein Viertel zugelegt. Zum Vergleich: Der Euro-Stoxx-50 hat bisher um etwas mehr als sechs Prozent zugelegt, der DAX 16 Prozent.
Die Tesla-Aktien gewannen bei Börseneröffnung in New York bis zu 15 Prozent. Trump plant hohe Zölle auf chinesische Autos, was Tesla im Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz helfen dürfte. Der Gründer und Chef von Tesla, Elon Musk, hatte Trump im Wahlkampf stark unterstützt. Korrespondierend gaben die Kurse chinesischer Aktien deutlich nach.
Von Trumps Sieg profitierte der Bitcoin ganz besonders. Der Preis der Krypto-Leitwährung stieg um acht Prozent und erreichte mit über 75.000 Dollar ein neues Rekordhoch. Im Wahlkampf hatte Trump eine leichtere Regulierung für die Krypto-Branche in Aussicht gestellt und den Aufbau einer strategischen Währungsreserve in Bitcoin vorgeschlagen. Er positionierte sich als erster Krypto-freundlicher Präsident und versprach, aus den USA die „Krypto-Supermacht der Welt“ zu machen.
Auch die Papiere der Trump Media & Technology Group, der Muttergesellschaft von Donald Trumps Social-Media-Plattform Truth Social, machte bei Handelsstart in New York einen Kurssprung. Die volatilen Aktien hatten in den Tagen vor den Wahlen geschwächelt. Sie galten als Stimmungsbarometer für die Wahlaussichten Trumps und die Motivation seiner Anhänger. Eine neue Präsidentschaft verleiht der Plattform neue Wachstumsaussichten.
Große Bewertungsunterschiede
Allerdings gilt auch für amerikanische Aktien, dass die Kurse nicht ewig steigen können. „Nach unserer Einschätzung befindet sich die US-Börse nicht in einer Blase“, beruhigt allerdings Grace Peters, Leiterin der globalen Aktienstrategie im Privatkundengeschäft bei JP Morgan: „Wir sind im Gegenteil davon überzeugt, dass die amerikanischen Konzerne auch in den kommenden Jahren überdurchschnittliche Erträge erzielen können, was sich in steigenden Börsenkursen niederschlägt.“ Ihren Optimismus stützt Peters auf die fundamentale Stärke der US-Wirtschaft. Sie erwartet, dass das Bruttoinlandprodukt in den nächsten zehn Jahren um durchschnittlich zwei Prozent im Jahr wächst. Das ist deutlich mehr als in der Euro-Zone, der sie ein jährliches Wachstum von 1,4 Prozent zutraut.
Tatsächlich sind europäische Aktien im Vergleich deutlich günstiger bewertet. Ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt derzeit lediglich 14, während man an der US-Börse das 24-Fache bezahlen muss. Die zehn größten Aktien an der Wall Street kosten sogar das 30-Fache des derzeitigen Gewinns. Peters räumt zwar ein, dass die stolze Bewertung das langfristige Renditepotenzial etwas schmälert. Trotzdem könne man nicht von einer Überhitzung sprechen, der hohe Preis sei insgesamt gerechtfertigt. Zweifel weckt allerdings eine andere Proportion: Die zehn größten US-Konzerne haben mittlerweile dieselbe Marktkapitalisierung erreicht wie alle Börsen der 27 EU-Länder zusammen. Nach den Wahlen überwiegt nun aber erst einmal der Optimismus – unterstützt durch die Fed, die den Leitzins am Donnerstag um weitere 25 Basispunkte auf 4,5 bis 4,75 Prozent senkte.
Ampelbruch schürt Angst vor Hängepartie
In Deutschland gingen die amerikanischen Wahlen im Drama um den Bruch der Ampel am Mittwochabend etwas unter. Experten warnen: Weil noch kein Haushalt für das nächste Jahr verabschiedet worden ist, könne die Minderheitsregierung von Olaf Scholz bald nur noch Pflichtausgaben leisten – eine Verschärfung der Wachstumsschwäche sei wahrscheinlich.
Rund 80 Prozent der Bundesausgaben sind gesetzlich festgelegt. Renten, Sozialleistungen, Gehälter – all das wird der Staat – anders als in den USA – auch ohne neuen Haushalt weiter zahlen. Doch sonstige Maßnahmen wie Steuerentlastungen oder Investitionen in die Infrastruktur kommen erst einmal auf die Warteliste. Durch Scholz’ Zögern drohe Deutschland deshalb „ein deutlicher wirtschaftlicher Einbruch“, zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ den Erlanger Volkswirtschaftsprofessor Thiess Büttner, der auch Vorsitzender des Stabilitätsrats ist, des obersten Kontrollgremiums für die Staatsfinanzen: „Wenn Unternehmen und private Haushalte nicht wissen, ob und welche staatlichen Förderungen sie bekommen und mit welchen Steuern sie rechnen müssen, verschieben sie ihre Investitionen“, warnt er.
Während die deutschen Unternehmen bereits unter der Unsicherheit leiden, weitet sich die Krise auch auf europäischer Ebene aus. Denn nicht nur für Deutschland, auch für Europa wird die Verzögerungstaktik von Scholz zur Gefahr. Nach Scholz’ Fahrplan wird es vor der Sommerpause 2025 wohl keinen regulären Haushalt geben, denn nach den Neuwahlen im März wird es sicher noch einige Wochen für Koalitionsverhandlungen brauchen. Am Ende könnte Scholz’ Verzögerungstaktik Deutschland in eine monatelange Hängepartie führen – in einer Zeit, in der das Land eigentlich klare politische Führung braucht.
Rekordjagd an der Wall Street geht weiter
Die Rekordjagd am US-Aktienmarkt in der „Trump-Woche“ ließ auch am Freitag kaum Ermüdungserscheinungen erkennen. Seit dem Sieg des Republikaners bei der Präsidentschaftswahl zur Wochenmitte waren die Indizes von Rekord zu Rekord geeilt, so auch am letzten Handelstag einer turbulenten und ereignisreichen Woche. Erstmals in seiner Börsengeschichte stieg am Freitag der aufgrund seiner Marktbreite besonders aussagekräftige S&P 500 über 6.000 Punkte. Der Leitindex Dow Jones Industrial ließ zudem die Marke von 44.000 Punkten hinter sich, was ihm bislang noch nie gelungen war.
Zum Handelsschluss stand für den S&P 500 ein Zuwachs von 0,4 Prozent auf 5.996 Punkte zu Buche. Der Dow legte um 0,6 Prozent auf 43.989 Zähler zu. Der technologielastige Nasdaq 100 schloss nach seinem starken Vortag praktisch unverändert etwas höher bei 21.117 Zählern, zuvor hatte er ebenfalls ein Rekordhoch erklommen.
Der Gewinn für die Woche beim S&P 500 beläuft sich auf rund 4,7 Prozent, es war für die Anleger die beste des Jahres. Beim Dow ist die Wochenbilanz mit plus 4,6 Prozent genauso stark, beim Nasdaq 100 mit plus 5,4 Prozent sogar noch glanzvoller.
Wirtschaftsdaten zeigten am Freitag erneut ein robustes Bild. Das von der Universität Michigan ermittelte Konsumklima für November hatte sich überraschend deutlich aufgehellt. Die Datenerhebung hatte kurz vor der Präsidentschaftswahl stattgefunden.
Mit dem Börsenstart am Freitag wurden die Aktien des auf KI spezialisierten Chipherstellers Nvidia sowie jene des Farb- und Lackherstellers Sherwin-Williams in den Dow-Index aufgenommen. Nvidia erreichten bei fast 150 Dollar einen Rekord, fielen dann aber zurück und verloren am Ende des Tages 0,8 Prozent. Sherwin-Williams gewannen 0,7 Prozent und blieben damit unter ihrem Höchststand von Mitte Oktober.
Den Traditionsindex verlassen haben der Chiphersteller Intel und der Chemiekonzern Dow. Intel gaben nur leicht nach, für Dow ging es um 4,9 Prozent bergab.
Tesla erreichten den höchsten Stand seit April 2022 und zudem bei der Marktkapitalisierung wieder die Schallmauer von einer Billion Dollar. Zum Schluss gewannen die Titel des E-Autoherstellers 8,2 Prozent. Der Wahlsieg Trumps verleiht Tesla Rückenwind. Gründer und -Chef Elon Musk stand im Wahlkampf eng an der Seite von Trump.
Die Aktien von Pinterest sackten um 14 Prozent ab. Das Online-Netzwerk hatte für das vergangene Quartal einen leicht höheren Umsatzanstieg ausgewiesen als erwartet, mit dem Ausblick auf das laufende Quartal aber enttäuscht. Auch die Ankündigung weiterer Aktienrückkäufe konnte die Anleger nicht überzeugen.
Airbnb gaben nach Quartalszahlen einen optimistischen Ausblick auf die Zeit der Weihnachtsferien. Die Nachfrage zeige einen starken Trend, hieß es. Die Papiere des Unterkunft-Vermittlers büßten dennoch 8,7 Prozent ein, waren jüngst aber stark gestiegen.
Der Euro gab zum Ende der Woche nach. Die Gemeinschaftswährung kostete nach dem US-Börsenschluss 1,0718 US-Dollar. Die Kurse von US-Staatsanleihen legten etwas zu. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere sank auf 4,30 Prozent.
Anleger in Frankfurt bekommen kalte Füße
Nach der Erholung am Vortag bekamen die Anleger in Deutschland wieder kalte Füße. Konjunktursorgen mit Blick auf China trugen dazu bei, dass der Dax am Freitag letztlich 0,8 Prozent auf 19.215,48 Punkte verlor. Auf Wochensicht ergab sich daraus ein Minus von rund 0,2 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Börsenwerte stieg am Freitag um gut 0,2 Prozent auf 26.591 Zähler.
Im Fokus der Investoren blieben der Wahlsieg von Donald Trump in den USA und das Ende der Ampel-Koalition in Deutschland. „Die Entwicklung in Amerika verschärft die schwierige Lage der deutschen Wirtschaft“, sagte LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer. „Der nun freie Weg zu Neuwahlen bietet ihr aber auch neue Chancen.“
Auf der Stimmung lasteten am Freitag Sorgen um die schwächelnde Konjunktur in China. Marktexperte Stephen Innes vom Vermögensverwalter Spi Asset Management verwies auf Zweifel, ob die Konjunkturmaßnahmen der chinesischen Regierung ausreichen, um eine härtere Gangart der künftigen Trump-Regierung gegenüber dem Land auszugleichen. Es brauche dafür ein massives Paket. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Erholung der chinesischen Wirtschaft wieder abebbe.
Für viele deutsche Unternehmen ist das Land ein wichtiger Markt. In der Folge gerieten Aktien aus zyklischen Branchen am Freitag unter Druck. Zu diesen gehörten deutsche Chemie- und Autoaktien, die nach ihrer Erholung am Vortag nachgaben. BASF verloren am Dax-Ende 5,2 Prozent. BMW gaben um 3,2 Prozent nach.
Die anderen Leitbörsen in Europa verbuchten klare Abgaben. Der EuroStoxx 50 verlor rund ein Prozent. Die Börsen in Zürich und London schlossen mit ähnlich starken Verlusten.
Nach spannenden Tagen der Berichtssaison machte diese vor dem Wochenende deutlich weniger Schlagzeilen. Der Immobilienkonzern LEG bestätigte sein erst im August erhöhtes Gewinnziel fürs laufende Jahr. Auch 2025 soll der operative Gewinn weiter zulegen, was die Analysten der US-Bank JPMorgan als „Highlight“ bezeichneten. Nach verhaltenem Start setzten sich die LEG-Aktien am Ende mit zwei Prozent ins Plus ab.
Der Mobilfunk- und Internetanbieter Freenet streute Optimismus für das laufende Jahr, indem er seinen Ausblick erhöhte. Hinzu kam das Ziel, dass der operative Gewinn bis 2028 um ein Fünftel steigen soll. Für die Papiere ging es um 5,6 Prozent aufwärts.
Ansonsten fielen die Aktien von Redcare Pharmacy positiv auf, weil sie mit einem Kurssprung um 9,5 Prozent den höchsten Stand seit 2021 erreichten. Sie durchbrachen eine Barriere im Bereich von 153 und 154 Euro, die in diesem Jahr immer wieder Widerstand geleistet hatte. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux hat derweil seine pessimistische Haltung zur Aktie wegen der Potenziale mit dem eingeführten E-Rezept aufgegeben.
Die Aktien des Flughafenbetreibers Fraport profitierten von einer positiven Studie der US-Investmentbank Goldman Sachs und kletterten um 2,2 Prozent nach oben. Analyst Patrick Creuset sieht in den kommenden Jahren großes Kurspotenzial mit Blick auf sinkende Investitionen. Sein Kursziel von 87 Euro liegt fast 80 Prozent über dem aktuellen Kurs.
Die Umlaufrendite fiel von 2,41 Prozent am Vortag auf 2,33. (wr/baha/dpa-AFX)