US-Präsident Donald Trump nennt den kommenden Mittwoch „Liberation Day“, den Tag der Befreiung. Am 2. April will er Zölle gegen wichtige Handelspartner einführen, welche die USA angeblich übervorteilen. So sind Importzölle in Höhe von 25 Prozent auf Autos und Autoteile angekündigt. Trump will das Handelsbilanzdefizit senken und die heimische Industrie stärken.
Angesichts der globalen Verflechtungen der Autoindustrie zog die Ankündigung Verwerfungen an den Börsen nach sich. Denn auch das makroökonomische Bild trübt sich ein: Wegen der Zölle steigt in den USA die Angst vor Inflation und damit mittelfristigen Zinserhöhungen. Zudem nimmt das Verbrauchervertrauen ab.
Mit seiner Zollpolitik möchte Trump das Land reindustrialisieren. Die Zölle sind aber erst einmal eine Besteuerung der Konsumenten. So schätzen Experten, dass Autos in den USA durchschnittlich um bis zu zehn Prozent teurer werden könnten. Insofern könnte Trump die Wirtschaft der USA in eine Rezession führen; denn es dauert mehrere Jahre, um neue Fabriken zu errichten. Die unmittelbaren Konsequenzen also sind wirtschaftlich schädlich – auch für Anleger, da die Gewinnerwartungen der Unternehmen sinken werden. An den amerikanischen Börsen hat eine Neubewertung bereits stattgefunden. Nach einem anfänglichen Kursschub nach der Wahl Trumps hat der S&P 500 seit einem Höchststand im Februar fast zehn Prozent verloren.
Besser als die Märkte der USA schnitten in diesem Jahr die europäischen Börsen ab: Der DAX hat seit Jahresanfang mehr als zwölf Prozent gewonnen, der breit abgestützte Stoxx Europe 600 immerhin rund sieben Prozent. Doch die massiven Stimuli in Form hoher staatlicher Sonderausgaben für Rüstung und Infrastruktur sind mittlerweile eingepreist. So werden nun auch an den europäischen Aktienmärkten die Auswirkungen der Trumpschen Zollpolitik auf die Bewertungen ausgehandelt – was für rückläufige Kurse sorgen dürfte.
Sollte Trump am Ende wieder einen Deal machen, könnte sich allerdings der Kauf jetzt abgestrafter Aktien lohnen – in Deutschland zum Beispiel Volkswagen, Mercedes oder BMW. Auch der US-Tech-Index Nasdaq ist ab einem bestimmten Niveau wieder attraktiv. So scheint den Analysten der UBS die derzeit hohe Volatilität als Chance, um sich langfristig in KI-Titeln zu engagieren. So haben etwa beliebte Tech-Aktien wie Nvidia seit Anfang Jahr rund ein Fünftel verloren.
Wall Street schwächelt
„Die Angst vor einer Stagflation nimmt zu und wird die Fähigkeit der US-Notenbank Fed, die Zinsen weiter zu senken, einschränken“, konstatierten die Experten der niederländischen Großbank ING nach Handelsschluss am Freitag. Eine Stagflation – Kurzwort aus Stagnation und Inflation – bezeichnet eine konjunkturelle Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig Inflation herrscht.
Der US-Leitindex Dow Jones Industrial büßte am Freitag letztlich 1,7 Prozent auf 41.584 Punkte ein, womit er auf Wochensicht ein Prozent verlor. Der breite S&P 500 sank um knapp zwei Prozent auf 5.581 Zähler und der Nasdaq 100 rutschte – vor allem belastet von den sogenannten „Glorreichen Sieben“, den sieben bedeutendsten Techwerten – um 2,6 Prozent auf 19.281 Zähler ab. Auf Wochensicht stand ein Verlust von 2,4 Prozent zu Buche.
Damit sind nun wieder alle drei Indizes technisch angeschlagen, denn auch der bekannteste Wall-Street-Index Dow rutschte wieder unter die 200-Tage-Linie, die den längerfristigen Trend signalisiert. Der S&P 500 hatte in dieser Woche nur kurzzeitig den Sprung über diese wichtige Trendlinie geschafft, der Nasdaq 100 dagegen gar nicht.
Ein Inflationsanstieg und zugleich sinkende Konsumausgaben seien die Trends, die durch Trumps aggressive Maßnahmen bei Zöllen und Kürzungen von Staatsausgaben wahrscheinlich noch weiter verstärkt würden, schrieb die ING unter Verweis auf die US-Konsumausgaben im Februar und das Konsumklima im März. Zuvor war bekannt worden, dass die von der Fed stark beachtete Kernrate der persönlichen Konsumausgaben von im Januar nach oben korrigierten 2,7 Prozent im Februar auf 2,8 Prozent gestiegen war. Erwartet hatten Experten für den vergangenen Monat einen Wert von 2,7 Prozent. Der sogenannte PCE-Kerndeflator ist eine wichtige Kennzahl zur Preisentwicklung, in der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden. Die Fed strebt eine Rate von 2,0 Prozent an.
Im weiteren Handelsverlauf wurde noch die zweite Schätzung für das von der Universität ermittelte Konsumklima veröffentlicht. Es zeigte, dass sich die Stimmung der US-Verbraucher angesichts wachsender Inflationssorgen noch stärker als zunächst ermittelt eingetrübt hat. Mit 57,0 Punkten fiel es auf den tiefsten Stand seit November 2022. Zudem wurde der dritte Rückgang in Folge verzeichnet. Volkswirte hatten mit einer Bestätigung der Erstschätzung von 57,9 Punkten gerechnet.
Unter den „Glorreichen Sieben“ gaben allesamt deutlich nach: Während sich Nvidia mit minus 1,6 Prozent noch am besten hielten, waren Alphabet mit minus 4,9 Prozent Schlusslicht. Im Dow hielten Amazon mit minus 4,3 Prozent die rote Laterne.
Lululemon waren mit einem Abschlag von 14,2 Prozent schwächster Wert im Nasdaq-Auswahlindex. JPMorgan verwies auf den vorsichtigen Ausblick, der die Erwartungen verfehlt habe. Die Quartalszahlen des Sportmodeherstellers seien solide gewesen. Warum die Aktien von Wolfspeed um 52 Prozent einbrachen, ließ Anleger und Börsianer rätseln. Ein Grund für den Ausverkauf war nicht direkt ersichtlich. Am Donnerstag hatte der Anbieter von Halbleiter-Bauelementen Robert Feurle mit Wirkung zum 1. Mai zum Vorstandschef ernannt. Er kommt vom Schweizer Chipkonzern Ams-Osram. Thomas Werner, der Wolfspeed derzeit interimsmäßig lenkt, wird wieder Verwaltungsratsvorsitzender.
Die Titel von Curevac schnellten um 6,4 Prozent hoch, während Biontech um 0,5 Prozent nachgaben. Das Europäische Patentamt (EPS) habe den Einspruch von Biontech vom April 2023 im mRNA-Patentrechtsstreit weitgehend zurückgewiesen und das Patent von Curevac in geänderter Form aufrechterhalten, teilte das Biotech-Unternehmen mit.
Dax unter Druck
Mit seinem dritten Verlusttag in Folge hatte zuvor der Dax schon eine schwache Woche besiegelt. Ein Minus von knapp ein Prozent auf 22.462 Punkte sorgte dafür, dass der deutsche Leitindex seinen Wochenverlust auf 1,9 Prozent ausdehnte. In der zweiten deutschen Börsenreihe ging es am Freitag für den MDax um 2,7 Prozent auf 27.852 Punkte bergab. Sein Wochenverlust beläuft sich damit auf 3,2 Prozent.
Belastet von den angekündigten US-Autozöllen hatte der Dax am Vortag den Kampf um die 21-Tage-Linie als kurzfristigen Trendindikator verloren. Neben dem Zollstreit wurde die Schwäche der vergangenen Tage auch mit Gewinnmitnahmen begründet, nachdem die Finanzpaket-Rally dem Leitindex in der Woche zuvor noch einen Rekord von 23.476 Punkten beschert hatte. Von diesem hat er sich mittlerweile wieder um gut 1.000 Punkte entfernt.
Den Experten der Landesbank Baden-Württemberg zufolge ist es wenig verwunderlich, dass die Anleger neuerdings hin- und hergerissen sind, ob es wegen der Langzeitwirkung des gigantischen Schuldenpakets angebracht sei, dem Dax weiter die Stange zu halten. Ob die verteilten Vorschusslorbeeren gerechtfertigt seien, müsse die Zeit erst noch zeigen.
Im Hinblick auf die Bewertungen deutscher Aktien betonte die Helaba, der Dax sei durch den dynamischen Kursanstieg der letzten Monate inzwischen aus seinem fairen Bereich nach oben ausgebrochen. „Auch wenn die Überbewertung nicht so stark ausgeprägt ist wie bei den US-Indizes, sind auch deutsche Blue-Chips inzwischen teuer“, schrieb Analyst Markus Reinwand.
Der Abgabedruck zeigte sich auch international. Während der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx den Freitag 0,9 Prozent tiefer beendete, gab es auch an den US-Börsen deutliche Kursverluste. Vor allem galt das für den technologielastigen Nasdaq 100, der zuletzt 2,4 Prozent einbüßte.
Commerzbank und Deutsche Bank mit der generell sehr schwachen Bankenbranche verzeichneten weitere Gewinnmitnahmen. Während ihre Aktien bis zu 4,7 Prozent verloren, legten jene aus der Immobilienbranche zu, wie unter anderem Vonovia mit einem Anstieg um 2,3 Prozent zeigte.
In den beiden Branchentendenzen spiegelten sich Bewegungen an den Anleihemärkten wider. Während die dort sinkenden Verzinsungen zehnjähriger Bundesanleihen tendenziell gut für die kreditabhängigen Immobilienunternehmen sind, wird dies als schlecht angesehen für die Zinseinkünfte der Banken. Bei der Deutschen Bank gab es auch noch den angekündigten Abschied des Finanzvorstands zu verarbeiten.
Generell stark unter Druck standen Aktien aus dem Halbleiterbereich, nebst angeschlossener Ausrüster. Verluste von vier Prozent bei Infineon sowie 5,8 respektive 9,2 bei Aixtron und PVA Tepla wurden mit der Nasdaq-Schwäche und einem Kurseinbruch des US-Chipherstellers Wolfspeed in Zusammenhang gebracht.
Noch viel größer war jedoch der Abgabedruck bei dem Chip-Ausrüster Suss Microtec, die mit minus 14 Prozent ihre Vortagskorrektur ausweiteten. Analyst Michael Kuhn von der Deutschen Bank traf in einem Kommentar mit dem Stichwort “KI-Müdigkeit” einen Nerv der Anleger.
Energiekontor büßten mit 13,5 Prozent fast genauso viel ein wie die Suss-Aktie. Nach einem mehrwöchig guten Lauf erlitten die Aktien einen ersten großen Rückschlag, weil der Wind- und Solarparkbetreiber vorsichtig in das neue Jahr geht. Ein Händler bezeichnete den Ausblick als enttäuschend.
Im MDax zog eine Analystenabstufung bei Jenoptik einen Abschlag von 7,7 Prozent nach sich. Der Deutsche-Bank-Analyst Michael Kuhn gab seine im Oktober noch ausgesprochene Kaufempfehlung wieder auf, da die erhoffte Wertschöpfungsstory nicht aufgegangen sei.
Eine positive Ausnahme am deutschen Aktienmarkt waren die Aktien von Cewe DE0005403901
mit einem Anstieg um 6,8 Prozent. Analyst Thilo Kleibauer von Warburg Research sieht bei dem Fotodienstleister ein Drittel Luft nach oben, indem er sein Kursziel in Erwartung eines weiteren Umsatz- und Margenwachstums auf 140 Euro erhöhte.
Die Aktien von GFT Technologies verteidigten außerdem einen Kursanstieg um 2,4 Prozent. Der vom Softwareanbieter angekündigte Aktienrückkauf sei überschaubar und habe eher Signalcharakter, sei aber gut für die Stimmung, kommentierten Börsianer. (baha/dpa-AFX)