Börsenwoche: Zinssenkung in den USA, Autozulieferer streichen immer mehr Arbeitsplätze, Verschiebebahnhof Sondervermögen

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Die gerade zu Ende gegangene IAA Mobility sollte in München Aufbruchstimmung. Doch nur ein paar Tage später herrscht schon wieder Katerstimmung.

Der Alltag bleibt geprägt von einer schwachen Autonachfrage. Der amerikanische Konzern Ford kündigte diese Woche einen weiteren Stellenabbau in seinem Kölner Werk an. Der Konzern will weitere 1000 Stellen streichen. Dabei hatten sich Management und Gewerkschaftsvertreter erst Ende des vergangenen Jahres auf den Abbau von 2900 Arbeitsplätzen bis 2027 geeinigt. Ford will die Produktion von derzeit zwei Schichten ab Anfang 2026 auf eine Schicht reduzieren. Ebenfalls diese Woche kündigte Bosch erhebliche Einsparungen in seiner Mobilitätssparte an. Der größte Autozulieferer der Welt will die Kosten in diesem Segment um weitere 2,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 senken, wie der Spartenvorstand Markus Heyn und der Arbeitsdirektor Stefan Grosch in einem Gespräch mit der “Stuttgarter Zeitung” ankündigten.

Bosch hat seit dem Frühjahr 2024 in mehreren Schritten den Abbau Tausender Stellen bekanntgegeben. Der Stellenabbau summiert sich mittlerweile auf rund 15 000 Arbeitsplätze, davon 10 000 in Deutschland. Vom Umbruch ist die gesamte deutsche Zuliefererbranche betroffen. Mit besonders grossen Problemen kämpfen vor allem ZF Friedrichshafen vom Bodensee und Continental aus Hannover. ZF hatte vor einigen Quartalen bereits den Abbau von 14 000 Stellen bis 2028 in Deutschland angekündigt, ein Viertel der gesamten Belegschaft. Auch bei ZF sind die Kapazitäten, gemessen an der derzeitigen Nachfrage nach Autos mit Verbrennungsmotor und nach Elektrofahrzeugen, deutlich zu groß. Auch viele kleinere Zulieferer, die weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen, restrukturieren ihr Geschäft und bauen Arbeitsplätze ab. Derweil schrumpft Continental immer weiter. Am Donnerstag ging der Börsengang der Elektroniksparte Aumovio über die Bühne gehen, die dadurch vom Konzern abgespalten wird. Das neue Unternehmen wird rund 92.000 Mitarbeiter haben und einen Umsatz von 20 Milliarden Euro generieren. Im kommenden Jahr will Continental dann noch die Einheit für Industriegummi namens Contitech verkaufen. Am Ende wird der Konzern wieder stark auf sein einstiges Kerngeschäft reduziert sein, die Herstellung von Fahrzeugreifen.

Bundesbank kritisiert Haushalt

Bei den Politikern scheint das alles noch nicht angekommen zu sein. Den Eindruck konnte jedenfalls bekommen, wer die Haushaltsdebatte im Bundestag verfolgte. Nicht zu unrecht hat die Bundesbank In ihrem jüngsten Monatsbericht den Verschiebebahnhof zwischen Sondervermögen und normalem Etat kritisiert: Mit diesen Krediten würden “bestehende Haushaltslücken gestopft oder Projekte jenseits von Verteidigung oder Infrastruktur finanziert“. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) rechnet vor: Für die Deutsche Bahn würden im Sondervermögen zwar 18,8 Milliarden Euro eingeplant. Gleichzeitig sänken aber im ordentlichen Haushalt die Investitionen ins Schienennetz so stark, dass die Regierung dort plötzlich 8,2 Milliarden zusätzlich verfügbar habe. Derselbe Trick komme bei den Autobahnbrücken zur Anwendung. Für deren Sanierung seien im Sondervermögen 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, doch im Kernhaushalt würden die Investitionen für Bundesfernstraßen um 1,7 Milliarden gekürzt. Ähnliche Verschiebungen finden sich beim Breitbandausbau, bei den Krankenhäusern und bei der Klima- und Energiepolitik. Das Fazit der Bundesbank: “Insgesamt drohen die Schulden anzusteigen, ohne Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur im gleichen Masse zu stärken.”

Wall Street auf Rekordjagd

Die Börsen scheinen von solchen Dingen wie abgekoppelt. Sie freuten sich über die Zinssenkung in den USA vom Mittwoch und setzten auch am Freitag ihre Rekordjagd fort. An der Wall Street erreichten alle wichtigen Standardwerte- und Technologie-Indizes sowie der führende Nebenwerte-Index Russel 2000 Höchststände. Unverändert treibt die Hoffnung, dass die Leitzinsen in den USA weiter sinken und so den Unternehmen niedrigere Finanzierungskosten bescheren. Sinkende Zinsen haben zudem den positiven Effekt, dass der heutige Wert insbesondere der erhofften hohen Erträge der Tech-Unternehmen steigt.

So legte der Nasdaq 100 um 0,7 Prozent auf 24.626 Punkte zu. Seine Bestmarke liegt aktuell bei knapp 24.642 Punkten. Der umfassendere Nasdaq Composite gewann ebenfalls 0,7 Prozent auf 22.631 Punkte.

Unter den Standardwerten stieg das marktbreite Börsenbarometer S&P 500 um 0,5 Prozent auf 6.664 Punkte. Für den Leitindex Dow Jones Industrial ging es um 0,4 Prozent auf 46.315 Punkte nach oben. Damit ergibt sich ein Wochenplus von 1,1 Prozent.

Analystin Birgit Henseler von der DZ Bank erwartet in den kommenden Monaten zwar weitere geldpolitische Lockerungen. Denn der jüngste Zinsschritt dürfte kaum ausreichen, um die wachsenden konjunkturellen Risiken am Arbeitsmarkt vollständig aufzufangen. Angesichts der wieder leicht anziehenden Inflation jedoch dürfte die Notenbank dabei behutsam vorgehen und die geldpolitischen Schritte sorgfältig dosieren.

Die Experten der Bank UBS sehen allgemein Potenzial für weitere Kurssteigerungen, auch wenn sie kurzfristig für globale Aktien eher neutral gestimmt sind. Sie raten Anlegern dazu, schrittweise zu investieren – vor allem dann, wenn mögliche Kursrückgänge neue Chancen mit sich bringen. Denn auch angesichts der robusten Wirtschaft und struktureller Trends wie etwa dem Thema Künstliche Intelligenz bleibe das Umfeld für Aktienanlagen positiv.

Aufseiten der Einzelwerte ging es bei Fedex um 2,3 Prozent nach oben. Der Logistik-Konzern war besser in das neue Geschäftsjahr gestartet als erwartet.

Mit Zahlen aufwarten konnte auch das Bauunternehmen Lennar, dessen Kurs daraufhin um mehr als vier Prozent fiel. Die Prognose für die vierteljährlichen Eigenheimbestellungen war hinter den Schätzungen der Analysten zurückgeblieben. Wie es hieß, dämpften Bedenken hinsichtlich der Erschwinglichkeit und des schwankenden Arbeitsmarktes die Nachfrage der Hauskäufer.

Unter den großen Tech-Werten sorgten zwei Analystenkommentare für Bewegung. Tesla stiegen um gut zwei Prozent auf 426 US-Dollar, nachdem sie vom Analysehaus Baird hochgestuft worden waren. Das von dem Experten Ben Kallo genannte Kursziel von 548 Dollar würde für die Aktien des Elektroautobauers Rekordniveau bedeuten. Die bisherige Bestmarke stammt mit 488 Dollar aus der Vorweihnachtszeit 2024.

Umgekehrt wird die Citigroup für Intel skeptisch nach dem Einstieg des Chipproduzenten Nvidia, die Titel des Prozessorherstellers wurden von der Bank zum Verkauf empfohlen. Nach der Rally, die der Deal am Vortag ausgelöst hatte, fielen die Anteilsscheine von Intel nun um mehr als drei Prozent. Christopher Danely begründete die Abstufung mit der seit Anfang August immens gestiegenen Bewertung. Er schätzt die Erfolgschancen von Intels Halbleiterproduktion als gering ein.

Dax kaum verändert

Nach der kräftigen Erholung am Vortag hatte sich zuvor der Dax kaum verändert ins Wochenende verabschiedet. Am Freitag gab der deutsche Leitindex knapp 0,2 Prozent auf 23.639,41 Punkte nach. Anfängliche Kursgewinne von bis zu 0,5 Prozent in Richtung der runden Marke von 23.800 Zählern und der 21-Tage-Durchschnittslinie als Indikator für den kurzfristigen Trend konnte der Dax nicht halten. Auf Wochensicht steht damit ein Minus von knapp 0,3 Prozent zu Buche. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen verlor am Freitag 0,9 Prozent auf 30.196 Punkte.

Der sogenannte “große Verfall” von Aktien- und Indexoptionen an den Terminbörsen sorgte für moderate Bewegungen. An den vier Verfallstagen im Jahr können Aktienkurse und Indizes ohne wesentliche Nachrichten spürbar schwanken. Laut Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets sei dieser Termin schon oft ein Wendepunkt gewesen. Gerade im schwächsten Börsenmonat des Jahres dürfte die Nervosität der Anleger daher auch nach dem Wochenende steigen.

Zuletzt ließ sich der Dax von der Euphorie an der Wall Street anstecken, nachdem die US-Notenbank Fed zur Wochenmitte erstmals in diesem Jahr die Zinsen gesenkt hatte. Die Bank of England und Japans Zentralbank hatten ihre Leitzinsen derweil bestätigt. “Die Sitzungen der wichtigsten Notenbanken sind vorbei und die Investoren schauen nun nach vorne in Richtung des vierten Quartals und bereits auf das kommende Börsenjahr 2026”, kommentierte Marktbeobachter Andreas Lipkow.

Unter den Einzelwerten zogen am zweiten Handelstag nach der Abspaltung die Kurse des Reifenherstellers Continental und des Autozulieferers Aumovio um 0,9 beziehungsweise 1,2 Prozent an. Mehrere Analysten äußerten sich positiv zu Aumovio, Kaufempfehlungen gab es von der Deutschen Bank und der UBS. Conti will sich auch noch von der Kunststofftechniksparte Contitech trennen. Bereits 2021 hatten die Hannoveraner die Antriebssparte Vitesco abgespalten, die mittlerweile im Schaeffler-Konzern aufgegangen ist.

Die Papiere von Scout24 reagierten mit einem Kursabschlag von 5,9 Prozent auf einen Zukauf des Immobilienplattform-Betreibers. Scout24 übernimmt die spanischen Online-Immobilienplattformen Fotocasa und Habitaclia. Der Unternehmenswert der Transaktion liegt bei 153 Millionen Euro. Am kommenden Montag steigt die Scout24-Aktie vom MDax in den Dax auf, was die Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx bereits Anfang des Monats angekündigt hatte.

Die Aktien von Ströer büßten zeitweise gut vier Prozent ein und gingen 0,3 Prozent tiefer aus dem Handel. Der Werbevermarkter hatte seinen Ausblick gesenkt. Die gekappten Jahresziele dürften die durchschnittliche Markterwartung für das operative Ergebnis 2025 um fünf Prozent sinken lassen, schätzt JPMorgan-Analyst Marcus Diebel. Langfristig glaubt der Experte aber an die Wachstumschancen des Außenwerbespezialisten.

Der Autozulieferer Stabilus streicht derweil 450 Arbeitsplätze. Das Sparprogramm setze die Gewinne kurzfristig unter Druck, sorge auf längere Sicht aber für eine bessere Effizienz, schrieb MWB-Analyst Harald Hof. Die Stabilus-Papiere gaben dennoch um 2,8 Prozent nach und gehörten zu den schwächsten Titeln im Kleinwerte-Index SDax.

Gespräche über einen Verkauf des Wassermanagement-Geschäfts kommen bei den Anlegern der Norma Group weiter gut an. Vor dem Wochenende ging es für den Kurs um 5,3 Prozent hinauf. Am Vortag berichtete der Hersteller von Verbindungstechnik von fortgeschrittenen Verhandlungen mit einer kleinen Anzahl an Bietern für die Sparte.

Befesa zogen um 2,6 Prozent an. Rückenwind lieferte UBS-Analyst Olivier Calvet, der die Aktien des Recycling-Spezialisten mit “Buy” in die Bewertung aufnahm. Für die Anteilsscheine der DHL Group ging es dagegen um 1,2 Prozent bergab, nachdem die Deutsche Bank den Logistiker unter anderem wegen des weltweiten Zollstreits auf “Hold” abgestuft hatte. (baha / dpa-AFX)

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