Börsenwoche: Zollpolitik verliert Schrecken, Dax knapp unter Rekordhoch vom Mittwoch

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Sie erinnern sich? Vor Beginn des vorletzten Mai-Wochenendes verkündete US-Präsident Donald Trump einen pauschalen Zollsatz von 50 Prozent auf Einfuhren aus der Europäischen Union. Die Ankündigung folgte demselben Muster wie die meisten von Trumps Drohungen: Sie kam aus heiterem Himmel.

Die Börsen reagierten wieder unmittelbar. Aber im Gegensatz zu den Folgetagen nach den Zollankündigungen an dem von Trump „Liberation Day“ genannten 2. April blieben die Rückgänge der Aktienkurse diesmal überschaubar. Auch der Bondmarkt blieb einigermaßen ruhig. 

Was gut für Börsianer sein mag, ist schlecht für Trump. Seine Drohungen werden offensichtlich nicht mehr Enrst genommen. Die Relativierung folgt jeweils auf dem Fuß – im Fall der EU-Zolldrohung schon zwei Tage später, am vergangenen Sonntag. Nicht vergessen hat der Markt auch die Niederlage, die er im Zoll-Kräftemessen gegen China erlitt.

Es wäre zu kurz gegriffen, diese Mechanismen bloß mit Abnützungsrhetorik („Achtung, der Wolf kommt“ – und dann kommt er nicht) zu erklären. Es steckt viel mehr dahinter. Die Hauptsorge des Marktes gilt nun einem anderen Thema: Den geplanten Steuererleichterung in den USA und der US-Staatsverschuldung. Das muss Trump in der Tat Sorgen bereiten.

Zwar hat das US-Repräsentantenhaus die „Big Beautiful Bill“ gebilligt, die Steuererleichterungen in der Höhe von 4,5 Billionen Dollar vorsieht. Doch damit würde der über 36 Billionen hohe Schuldenberg der USA weiter anwachsen; denn nichts deutet bislang auf signifikante Ersparnisse oder Ausgabenkürzungen im Haushalt hin. Nur ein paar Tage zuvor hatte die Ratingagentur Moody’s den USA die Top-Bonität entzogen und warnte vor dem Anstieg der US-Staatsschulden. Der Dollar fällt wieder, die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen ist auf den höchsten Stand seit rund zwei Jahrzehnten. Die Nachfrage nach neuen 20-jährigen US-Staatsanleihen letzte Woche war schwach – das schlimmste, das Trump passieren kann, ist ein internationaler Käuferstreik.

In den USA wird bereits von einem Liz-Truss-Moment im Zeitlupentempo gesprochen. Die Kurzzeit-Premierministerin aus Großbritannien wollte im Herbst 2022 umfangreiche Steuererleichterungen durchdrücken. Der Bondmarkt reagierte mit einem massiven Ausverkauf von britischen Staatsanleihen, das britische Pfund sackte gnadenlos ab. Truss musste nach wenigen Wochen zurücktreten. 

Die US-Börsen gingen am Freitag nach einem nervösen Handelsverlauf wenig verändert ins Wochenende. Nachdem am Donnerstag das juristische Tauziehen um die Rechtmäßigkeit der Importzölle die Anleger beschäftigt hatte, richtete sich der Fokus nun auf den Handelsstreit mit China. Nachrichten zu dem Thema hatte zwischenzeitlich insbesondere die konjunktursensiblen Technologieaktien spürbar belastet. Der Leitindex Dow Jones Industrial legte um gut 0,1 Prozent auf 42.270 Punkte zu. Für die feiertagsbedingt verkürzte Handelswoche ergibt sich damit ein Plus von 1,6 Prozent. Die Bilanz für den Monat Mai weist einen Gewinn von 3,9 Prozent aus. Der marktbreite S&P 500 ging fast unverändert mit 5.912 Punkte aus dem Markt. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 0,1 Prozent auf 21.341 Punkte nach unten.

US-Präsident Donald Trump warf China vor, sich nicht an eine Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten im laufenden Handelsstreit zu halten. Vor wenigen Wochen habe er mit China einen „schnellen Deal“ geschlossen, der dem Land wirtschaftlich geholfen hätte, schrieb Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Die schlechte Nachricht sei nun aber, „dass China, was einige vielleicht nicht überrascht, seine Vereinbarung mit uns völlig gebrochen hat“, sagte der Republikaner.

Auf einer Pressekonferenz im Oval Office äußerte Trump etwas später, er sei sich sicher, dass er mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sprechen werde – „und hoffentlich werden wir eine Lösung finden“. Diese Aussagen beruhigten die Anleger wieder ein Stück weit.

Insgesamt sei die Lage an den Finanzmärkten nach den Gerichtsentscheidungen rund um die Zollpolitik der US-Regierung unübersichtlich, schrieben die Experten der Landesbank Hessen-Thüringen: „Ein Großteil der Zölle wurde für nichtig erklärt und blockiert, inzwischen hat ein Berufungsgericht die Maßnahmen aber wieder in Kraft gesetzt, vorläufig. Es bleibt spannend.“ Die Anleger an der Wall Street hatte das juristische Tauziehen aber bereits am Donnerstag unter dem Strich weitgehend kaltgelassen.

Im Nasdaq 100 kam es bei Einzelwerten zu deutlichen Kursausschlägen nach oben und unten. So brachen die Aktien von Regeneron am Index-Ende um 19 Prozent ein. Studiendaten zu einem möglichen Medikament des Pharmakonzerns und des französischen Partners Sanofi gegen die sogenannte chronisch obstruktive Lungenerkrankung hatten enttäuscht. Sanofi schlossen in Paris knapp fünf Prozent im Minus.

An der Index-Spitze schnellten die Papiere von Zscaler um knapp zehn Prozent in die Höhe. Der Anbieter für Cybersicherheit hatte sich mit Blick auf den bereinigten Gewinn je Aktie im laufenden Geschäftsjahr zuversichtlicher gezeigt als von Analysten erwartet.

Im S&P 500 hatten die Anteilscheine von Ulta Beauty mit einem Plus von fast zwölf Prozent die Nase vorn. Die Kosmetika-Kette überzeugte mit Quartalszahlen. Für die Analysten der US-Bank JPMorgan “blüht die Anlagestory von Ulta Beauty weiter auf.” Außerhalb der großen Indizes mussten die Anleger von Gap ein Minus von gut einem Fünftel verkraften. Der Bekleidungseinzelhändler rechnet wegen der Zölle mit zusätzlichen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.

In Frankfurt hatte zuvor der Dax noch moderat zugelegen können. Nach einem Anstieg bis auf gut 24.181 Punkte verließ ihn nach einer insgesamt guten Woche am Ende aber etwas die Kraft. Aus dem Handel ging der deutsche Leitindex mit eine Plus von knapp 0,3 Prozent auf 23.997 Zählern. Sein am Mittwoch erreichtes Rekordhoch steht bei knapp 24.326 Punkten. Der MDax der mittelgroßen Werte gab am Freitag um gut 0,34 Prozent auf 30.594 Punkte nach.

Auf Wochensicht gewann der Dax 1,6 Prozent. Noch besser verlief der zu Ende gehende Mai, dem meist der Ruf eines schlechten Monats für die Börse vorauseilt: Der Zuwachs beläuft sich auf 6,7 Prozent. Erstmals war das wichtigste deutsche Barometer über die runde Marke von 24.000 Punkte gestiegen. Die Hoffnung auf eine Beilegung der Zollkonflikte und das milliardenschwere Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung waren zentrale Pfeiler für den Kursauftrieb.

Das Zoll-Thema sorgt zwar weiter für Unsicherheit, scheint aber – siehe oben –einen großen Teil seines Schreckens verloren zu haben. So reagieren Investoren längst nicht mehr panikartig auf jede Nachricht und rechnen eher mit Lösungen als mit dauerhaften Handelskriegen. Die Vorwürfe von US-Präsident Donald Trump, China halte sich nicht an eine Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten im laufenden Handelsstreit, waren daher am Freitagnachmittag auch keine nachhaltige Belastung für die Börsen.

Unternehmensseitig verlief es am Brückentag nach Christi Himmelfahrt sehr ruhig. Die Blicke richteten sich auf Konjunkturdaten. Aus Deutschland etwa kamen Verbraucherpreise für den Mai, die Teuerungsrate verharrte wie erwartet bei 2,1 Prozent.

Der Verbraucherpreisindex liege knapp oberhalb des Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB), schrieb Ökonom Ulrich Wortberg von der Helaba: „Vor diesem Hintergrund dürften die Währungshüter darin bestärkt werden, dem Zinssenkungspfad weiter zu folgen, zumal die Inflation in anderen Ländern der Eurozone zum Teil weiter rückläufig war.“ Die Zinsentscheidung der EZB steht am kommenden Donnerstag an. Marktteilnehmer gehen fest davon aus, dass die Notenbank den Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte senken wird. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gab am Freitag um 0,08 Prozent auf 5.366,59 Punkte. Außerhalb der Eurozone schlossen der britische Leitindex FTSE 100 und der Schweizer SMI etwas höher. 

Zalando lagen im Dax zum Wochenschluss vorne. Die Papiere des Internetmodehändlers zogen um zwei Prozent an. Auf dem letzten Platz fanden sich die Anteile des Laborzulieferers Sartorius, die am Ende nochmals deutlich absackten und 3,3 Prozent tiefer schlossen.

Die Papiere des Dialysekonzerns Fresenius Medical Care (FMC) sanken um 0,7 Prozent. Die Analysten der Investmentbank JPMorgan werteten aus, welche europäischen Werte besonders unter der Schwäche des US-Dollar leiden. FMC zählen sie dazu.

Unter den boomenden Rüstungswerten legten Rheinmetall, Renk und Hensoldt zum Börsenschluss jeweils moderat zu. Beim Panzergetriebehersteller Renk beläuft sich der Kursgewinn seit Jahresanfang mittlerweile auf fast 328 Prozent. (baha/dpa-AFX)

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