Börsenwoche: Zollpolitik wird zur Bremse auch in Amerika

©peterschreiber.media /Adobe Stock
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Am vergangenen Wochenende schlossen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin das „Abkommen über Zölle und Handel“. Vergessen geht dabei oft, dass sich Trump zwar als Dealmaker im Dienste Amerikas versteht, dass aber die amerikanischen Verbraucher durch seine Zollpolitik mit erheblichen Mehrbelastungen zu kämpfen haben. 

Wenn auch nicht aus der EU, ist Nestlé ein schönes Beispiel für diese Entwicklung: Der Nestlé-Konzern produziert die Kaffeekapseln allesamt in der Schweiz, die USA sind der wichtigste Absatzmarkt. Noch Anfang April hatte eine Kapsel Ristretto in den USA 85 Cent gekostet. Derzeit sind es 90 Cent. Nach der Verhängung eines Zolls in Höhe von 39 Prozent ab der kommenden Woche wird es demnächst mindestens ein Dollar sein, denn Nestlé denkt gar nicht daran, sich durch die Zölle die Margen kaputtmachen zu lassen – und auf ein qualitativ vergleichbares heimisches Produkt können die US-Konsumenten nicht ausweichen. Die Elastizität der Nachfrage beim Kaffee sei begrenzt, schrieb Nestlé im jüngsten Halbjahresbericht. Im Klartext: Die amerikanischen Verbraucher haben die Preiserhöhungen des Konzerns geschluckt haben, ohne weniger Kapseln zu kaufen.

Bei Nespresso-Produkten dürften die Amerikaner also fast die gesamten Trump-Zölle selbst bezahlen. Das wird zwar nicht in jedem Fall so sein, aber die US-Zölle treffen die nach Amerika exportierenden Firmen aus der ganzen Weltsicht in dem Maße, wie sich Donald Trump das vorstellt. Ein Beispiel dafür sind die auch die deutschen Autobauer. Sie gehen zwar nicht davon aus, dass sie die künftigen 15-Prozent-Zölle für Autos aus der EU vollständig an die amerikanischen Konsumenten werden weiterreichen können und wird wohl zulasten der Gewinnmarge gehen, doch ein Teil der Preiserhöhungen werden die US-Autokäufer tragen. Wie stark die Preise für die amerikanischen Konsumenten steigen, hängt im Einzelfall von der Wettbewerbssituation für ein Produkt ab. So dürfte Porsche dank seinem exklusiveren Image in den USA eher mit Preiserhöhungen durchkommen als VW.

Trumps Ansicht, die Zölle würden nur an den ausländischen Firmen hängenbleiben, ist offensichtlich fehlerbehaftet. Ökonomen sind sich zudem einig, dass die Zollpolitik das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den USA dämpfen wird. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa geht von einer Reduktion um 1,2 Prozentpunkte aus. Die Amerikaner werden seine Zollpolitik im Portemonnaie spüren – nicht nur beim Einkaufen im Nespresso-Shop oder beim Autohändler.

Wall Street fremdelt mit Trumps Zollpolitik

Die Börse goutiert Trump Politik derzeit jedenfalls nicht. Zudem überraschte ein schwacher US-Arbeitsmarkt am Freitag die Anleger an der Wall Street und an der Börse Nasdaq. Die Aktienkurse gerieten ins Trudeln. Der Leitindex Dow Jones Industrial büßte am Ende gut 1,2 Prozent auf 43.589 Punkte ein und fiel auf den tiefsten Stand seit Ende Juni. Die Rekordjagd der vergangenen Woche an den US-Börsen hat damit zunächst ein Ende gefunden.

Der Dow verlor seit Montag kontinuierlich und beendete die Börsenwoche mit einem Verlust von knapp drei Prozent. Das ist die schwächste Bilanz des Dow seit Anfang April. Auch die zuletzt etwas besser gelaufenen Börsenbarometer S&P 500  und Nasdaq 100 gerieten vor dem Wochenende unter Druck. Der marktbreite S&P-500-Index  fiel um 1,6 Prozent auf 6.238 Punkte. Der Nasdaq 100  verlor knapp zwei Prozent auf 22.763 Zähler.

Der US-Arbeitsmarkt schockte mit einem Einbruch der Beschäftigung geschockt. Außerhalb der Landwirtschaft kamen im Juli 73.000 Stellen hinzu. Volkswirte hatten im Schnitt 104.000 neue Stellen erwartet. Noch schwerer aber wog, dass der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten nachträglich um insgesamt 258.000 nach unten revidiert wurde. “Die Zolleskapaden hinterlassen deutliche Bremsspuren am US-Arbeitsmarkt”, sagte Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Die Zölle dämpften die wirtschaftliche Entwicklung doch stärker als bislang angenommen. Zudem drohe die Teuerung wegen der Importzölle zuzunehmen. Die Folge: “Das reale Einkommen nimmt ab und schränkt die Konsummöglichkeiten ein“.

Für Nervosität am Markt sorgte am Abend zudem der vorzeitige Rücktritt der Fed-Gouverneurin Adriana Kugler zum 8. August. Turnusmäßig hätte ihre Amtszeit im Januar kommenden Jahres geendet. Die Notenbank steht unter starkem Druck des US-Präsidenten, die Zinsen zu senken. Offen ist zudem, wer auf den amtierenden Fed-Chef Jerome Powell folgen wird, dessen Amtszeit im Mai 2026 endet.

Ganz schlecht kam an den US-Börsen die Quartalsbilanz von Amazon  an. Hatten Microsoft  der Facebook-Konzern Meta  am Vortag mit ihren Zahlen noch voll überzeugen können, fielen Amazon-Aktien um 8,3 Prozent. Analysten monierten vor allem ein schwaches Abschneiden der Cloud-Computing-Plattform AWS, mit der Amazon Unternehmen IT-Dienste anbietet. Lob von Analysten erhielt dagegen Apple  für seine Geschäftszahlen. Die Bank JPMorgan attestierte dem Tech-Riesen ein deutlich beschleunigtes Umsatzwachstum sowohl beim iPhone als auch beim Mac. Doch mit der verdüsterten Stimmung der Anleger ging es für Apple-Aktien um 2,5 Prozent nach unten.

Unter den kleineren Titeln sackten die Anteilscheine von Coinbase  um 16,7 Prozent ab. Die größte US-Kryptobörse hatte für das zweite Quartal einen unerwartet niedrigen Umsatz gemeldet. Die Titel von Reddit  schnellten hingegen um 17,5 Prozent nach oben. Das Social-Networking-Unternehmen verzeichnete sein bislang profitabelstes Quartal. Zudem stellte das Unternehmen für das dritte Jahresviertel einen unerwartet hohen Umsatz in Aussicht. Aktien des Impfstoffherstellers Moderna sackten um 6,6 Prozent ab. Das Unternehmen hatte mit Blick auf die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr etwas auf die Bremse getreten.

Dax mit Fehlstart in den August

Konjunktursorgen hatten zuvor schon den Dax auf Talfahrt geschickt. Zahlreiche Unternehmen kappten mit Verweis auf die schwierige Wirtschaftslage ihre Ausblicke, was zu teils deutlichen Kursverlusten bei Einzelwerten führte. Der deutsche Leitindex fiel deutlich unter 24.000 Punkte. Zum Börsenschluss stand ein Minus von knapp 2,7 Prozent auf 23.426 Punkte zu Buche, womit er wieder auf dem Niveau von Ende Juni ist. Auf Wochensicht büßte der Dax 3,3 Prozent ein. Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es am Freitag um 2,2 Prozent auf 30.317 Punkte nach unten. 

Hierzulande enttäuschten mit Ausnahme von Bayer ebenfalls zahlreiche Unternehmen. So macht die unsichere Wirtschaftslage infolge der US-Zölle dem Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck zu schaffen. Der Konzern senkte erneut seinen Jahresausblick. Die Aktien fielen am Dax-Ende um 8,7 Prozent. Bayer dagegen sorgte mit seinen Quartalszahlen für einen Lichtblick. Vor allem beim bereinigten operativen Ergebnis habe der Pharma- und Agrarchemiekonzern die Erwartungen übertroffen, lobte ein Händler. Zu verdanken sei dies dem Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft. Aber auch die jüngst gute Entwicklung der Pharmasparte macht Hoffnung – und stimmt die Leverkusener zuversichtlicher für 2025. Die Aktie zog unter den wenigen Gewinnern im Dax um 2,8 Prozent an. 

Der IT-Dienstleister Cancom blickt unterdessen nach einem enttäuschenden ersten Halbjahr zurückhaltender auf 2025. Die Aktie sackte um 11,7 Prozent ab. Im Sog dieser Enttäuschung fiel auch der Anteilschein des Wettbewerbers Bechtle und nahm mit minus 9,6 Prozent den letzten Platz im MDax ein. Der Brennstoffzellen-Spezialist SFC Energy kappte wegen des weiterhin herausfordernden Marktumfeldes seine Jahresziele kräftig. Die Aktie brach als Schlusslicht im Nebenwerte-Index SDax um 27 Prozent ein. (baha/dpa-AFX)

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