Brotzeit: Wie Frauen das Brot-Business aufmischen

Frauen mischen das Brot-Business neu auf
Frauen mischen das Brot-Business neu auf, ©Надія Коваль - stock.adobe.com

Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Mehr braucht es nicht um das Grundnahrungsmittel herzustellen. Nach 6.000 Jahren Back-Patriarchat mischen heute Frauen das Brot-Business neu auf.

Von Maren Schwarz und Julia Marten

Die Visionärinnen von „echt jetzt“

In München backen Katharina Böttger und Rena Wiese glutenfreie Brote in hochwertiger Bioqualität. Das Duo hat aus der Not eine Tugend gemacht – und die schmeckt ziemlich gut.

Bei Katharina Böttger wurde vor ein paar Jahren eine Glutenintoleranz festgestellt. Keine einfache Diagnose, vor allem für einen „Genussmenschen“. Restaurant- und Cafébesuche werden kompliziert, nicht selten bleibt ihr Teller leer. Sie blickt zurück: „Es war schwierig, gesunde, hochwertige und glutenfreie Angebote zu finden – selbst in einer Großstadt wie München.“ 

Mit dem Wunsch nach gutem glutenfreiem Brot entsteht die unternehmerische Idee. Zusammen mit Rena Wiese gründet sie „echt jetzt“. Was ihnen dabei wichtig ist: 100 Prozent glutenfrei zertifizierte Rohstoffe, keinerlei Hilfsmittel oder Chemie und trotzdem kompromisslos leckere Produkte. Für Menschen mit Glutenintoleranz – und zugleich für alle, die Wert auf gesunde Ernährung legen. 

Katharina Böttger und Rena Wiese haben das Bäckerhandwerk selbst nicht gelernt. Dafür bringen sie geballte Kompetenz aus BWL, IT und Gastronomie mit. Rena Wiese erzählt: „Mit unserem Freund Falk begannen wir Mitte 2017, erste Rezepte zu entwickeln.“ Der Bäcker unterstützt die beiden dabei, Brot, Baguettes, Brezen und Semmeln zu kreieren. „Das war gar nicht so einfach. Wir haben wirklich lange gebraucht, bis wir ein Ergebnis hatten, mit dem wir zufrieden waren.“ 

Doch Motivation und Vision sind groß, denn das Angebot an guten glutenfreien Backwaren bleibt gering. Und die Produkte, die es gibt, sind trocken, bröselig und schmecken ihnen nicht. Die beiden Frauen wollen Backwaren anbieten, die glutenhaltigen Produkten so nahe wie möglich kommen. Lange experimentieren sie mit verschiedenen Mehlsorten und stellen die unterschiedlichsten Teige her – bis es irgendwann gepasst hat.

„Nach zwei Jahren und mehreren Hundert Backversuchen gründeten wir 2019 dann endlich die good foods & beyond GmbH mit der Marke ,echt jetzt‘. Das war ein extrem gutes Gefühl“, erinnert sich Katharina Böttger. Im selben Jahr launchen sie ihren Onlineshop und starten mit ihrer Produktionsstätte in München. Mittlerweile haben sie rund 20 Mitarbeiter.

Die Brotsorten, die es in den Verkauf schaffen, wurden mindestens 200-mal gebacken, bis die Qualität stimmte. Die beiden müssen „zu 100 Prozent zufrieden“ sein. Jedes Brot hat seine perfekt abgestimmte Mischung aus glutenfreien Mehlsorten wie Reis-, Braunhirse-, Buchweizen- oder Kartoffelmehl. Da Gluten diesen Sorten von Natur aus fehlt, werden als -Bindemittel Leinsamen, Guarkernmehl oder Flohsamenschalen genutzt. Natur pur eben. Auf Soja- und Maismehl wird verzichtet, es bietet zu wenig Nährstoffe.

Traditionelle Backmethoden wie lange Teigführung, Vorteig und Kochstücke sorgen für ein tolles Aroma und lange Haltbarkeit: vier bis fünf Tage ohne Qualitätsverlust. Filialisten wollen Böttger und Wiese nicht werden. „Wir konzentrieren uns auf Produktentwicklung und Vertrieb, deshalb setzen wir auf ein tolles Partnernetzwerk“, sagt Wiese: Biomärkte, Gastrobetriebe und Hotels. „Wir bekommen sogar Anfragen von Kliniken und Heilpraktikern.“ Alle Produkte aus dem Onlineshop werden deutschlandweit und sogar nach Österreich versendet. Ein toller Service für alle, die nicht in München wohnen. 

Bäckermädle

Auf der Schwäbischen Alb steht ein echtes Powerpaket am Backofen. Katharina Regele weiß, was sie will und wie gutes Brot geht. Die Inspiration dazu bekam sie in Australien.

Herzlich, aber bestimmt: Katharina Regele erklärt in ihrem sympathischen schwäbischen Dialekt, wie das Handwerk funktioniert. Die Frühaufsteherin wurde mit der Landwirtschaft groß. „Ich war früh sehr viel auf Höfen unterwegs, ich war so nah dran. Die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse habe ich immer live miterlebt.“ Und auch, wie hart die Arbeit ist.

„Mein Vater wollte, dass ich studiere.“ Doch sie probiert verschiedene Praktika aus, aber erst beim Bäcker passt es „wie die Faust aufs Auge!“. Familie, Freunde und Berufsberater „sagten mir alle, dass das kein Beruf für eine Frau sei. Schlechter Verdienst und erst die Arbeitszeiten!“ 

Für Katharina ist es aber genau das, was sie will. Ihre Lehrer in der Berufsschule erkennen schnell, dass in dieser Bäckerin ein besonderes Talent steckt. Am Ende der Ausbildung ist sie Klassenbeste, sogar Innungssiegerin. Doch das soll nicht alles gewesen sein: Sie will auch noch Konditorin werden. Gesagt, getan. Wieder wird sie Klassenbeste und Innungssiegerin.

„Vor der Meisterschule wollte ich aber noch das Leben genießen.“ Also geht sie für mehrere Monate nach Australien – und arbeitet dort in einer Sauerteigbäckerei. Dort wird im Holzofen gebacken, die Teige werden ohne Hefe und nur aus regionalen Rohstoffen hergestellt. Die Bäckerei hat auch nur vier Tage die Woche geöffnet – Qualität geht vor Quantität. „Dieses so andere Konzept hat mich total überzeugt“, erzählt Regele.

Zurück in Deutschland absolviert sie nicht nur die Meisterschule, sondern auch noch eine Ausbildung zur Betriebswirtin. Dann bietet sich ihr die große Chance: Die Familie besitzt ein Grundstück mit Garten und einem traditionellen Backhaus. Dort kann sie nun alles so machen, wie sie es möchte: Backen ohne künstliche Zusätze, alles natürlicher Herkunft, unbehandelt. „Mir ist das wichtig. Sonst kommt morgen eine Nachricht, dass dies oder das wieder krebserregend ist. Und ich will auch dann backen können, wenn ein Lieferant mal nicht kommt.“

Katharina Regele ist angekommen: „Ich kann in der Selbstständigkeit frei sein und endlich all das umsetzen, was ich mir immer erträumt habe.“ Keine Rollenbilder erfüllen, keinen vorgegebenen Strukturen folgen zu müssen und trotzdem erfolgreich zu sein – das ist es, was sie sich wünscht. „Als Frau kann man Familie haben und Karriere machen. Diese Werte möchte ich meiner Tochter vorleben.“

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