Das Sonderdezernat geht mit seinem neuesten (und mittlerweile elften!) Fall in die nächste Runde.
Mit seinem neuesten Werk rund um das Sonderdezernat Q beweist Jussi Adler-Olsen erneut, dass er zu den großen Erzählern des skandinavischen Spannungsromans gehört. Diesmal steht alles auf Anfang. Carl Mørck, der grantige, brillante Ermittler, der die Reihe über Jahre geprägt hat, sitzt zu Beginn nicht am Schreibtisch, sondern im Gefängnis. Ein ganzes Jahr hat er unschuldig hinter Gittern verbracht, und nun zieht er die Konsequenzen. Er hat genug von den Intrigen, vom Druck, von der Dunkelheit, die ihm in jedem Fall begegnet. Carl kündigt den Dienst – und hinterlässt im Keller der Kopenhagener Polizei ein Vakuum, das kaum zu füllen ist.
Natürlich bleibt der Platz nicht lange leer. Seine Nachfolgerin Helena Henry, eine Ermittlerin aus Lyon, tritt ihren Dienst mit einer Mischung aus Charme, Selbstbewusstsein und Geheimnis an. Sie bringt frischen Wind, aber auch Unruhe. Rose reagiert mit offener Ablehnung, Assad mit vorsichtiger Neugier. Niemand weiß, was diese Frau wirklich antreibt, und was sie ausgerechnet nach Kopenhagen geführt hat. Erst allmählich wird deutlich, dass auch sie eine Vergangenheit hat, die tiefer reicht, als sie zugeben möchte.
Während sich die Spannungen im Team zuspitzen, erschüttert eine brutale Mordserie das Land. Die Opfer tragen Spuren alter Wunden, und bald zeigt sich, dass das Motiv weit in die Vergangenheit reicht. Die Ermittlungen führen zu einem abgeschiedenen Sängerinternat, einem Ort, an dem einst große musikalische Träume entstanden – und entsetzliche Dinge geschahen. Adler-Olsen entfaltet diese Geschichte mit jener Mischung aus psychologischem Feingefühl und erzählerischem Sog, die seine Romane so unverwechselbar machen. Stück für Stück zieht er den Leser hinein in ein Netz aus Schuld, Scham und Rache.
„Tote Seelen singen nicht“ ist ein Thriller über das, was Menschen zerbrechen lässt, und über die zerstörerische Kraft von Demütigung. Es geht um das Bedürfnis, gesehen zu werden, und um den Schmerz, über Jahrzehnte hinweg unsichtbar geblieben zu sein. Zwischen düsteren Rückblenden und rasanten Ermittlungssequenzen entwickelt Adler-Olsen eine Spannung, die weit über den bloßen Nervenkitzel hinausgeht.
Gleichzeitig ist das Buch auch ein Wendepunkt in der Geschichte des Sonderdezernats Q. Der Ton ist reifer, ernster, aber nicht ohne die feine Ironie, die Adler-Olsen seinen Figuren immer zugesteht. Rose kämpft mit ihrem Temperament, Assad bleibt der unbeirrbare Ruhepol, und irgendwo dazwischen versucht Carl, seinen Platz in einer Welt zu finden, die sich ohne ihn weiterdreht.
Adler-Olsen gelingt das Kunststück, seine Serie neu zu erfinden, ohne ihre Seele zu verlieren. „Tote Seelen singen nicht“ ist packend, emotional und atmosphärisch dicht. Ein Roman über Schuld und Wiedergutmachung, über Loyalität und Verrat, über das, was Menschen einander antun – und was sie trotzdem zusammenhält.