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Chaos und Gerangel bei Frankreichs Opposition

Jean-Luc Mélenchon (l.), Mitglied der linken Partei La France Insoumise (LFI), im Gespräch mit Medienvertretern.
Jean-Luc Mélenchon (l.), Mitglied der linken Partei La France Insoumise (LFI), im Gespräch mit Medienvertretern. Foto: Nicolas Tucat/AFP/dpa
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Im Eiltempo muss Frankreichs Opposition sich für die von Präsident Macron angesetzte Parlamentswahl formieren. Links und rechts gibt es chaotische Szenen und ein Gezerre um Posten.

Mit seinem mächtigen Präsidenten und der Pariser Zentralregierung vermittelt Frankreich zumeist ein Bild politischer Stabilität. Seit Präsident Emmanuel Macron aber als Reaktion auf die Niederlage seiner liberalen Kräfte bei der Europawahl und den haushohen Sieg der Rechtsnationalen überraschend Neuwahlen angesetzt hat, greift ein Gerangel um Bündnisse, Posten und Wahlkreise in Frankreichs Politik um sich. Parteigrößen werden abserviert und es kommt zu chaotischen Szenen. Was ist in dem Nachbarland los?

Viele Franzosen reiben sich entgeistert die Augen angesichts des Spektakels, das die Oppositionsparteien ihnen vor der Wahl – diese ist in zwei Durchgängen für 30. Juni und 7. Juli angesetzt – bieten. Darunter: der Chef der bürgerlich-konservativen Partei Les Républicains, Éric Ciotti, der die Parteizentrale abriegeln lässt, um eine Sitzung zu seinem Rauswurf zu verhindern, mit Tauziehen bis vor Gericht und geheimen Beratungen mit der extremen Rechten.

Konservative werfen ihren Parteichef zweimal binnen drei Tagen raus

Ciotti hatte Anfang der Woche überraschend und unabgestimmt eine Kooperation mit Marine Le Pens rechtsnationalem Rassemblement National (RN) sondiert. Führungskräfte der einstigen Volkspartei, die zuletzt mit Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 den Präsidenten stellte, empörten sich über diesen Tabubruch und warfen Ciotti aus der Partei – am Ende binnen drei Tagen gleich zweimal, weil Ciotti den Entscheid nach den Statuten für ungültig hielt.

Damit des Theaters aber nicht genug: Gestern hob ein Pariser Gericht Ciottis Rauswurf in einem Eilentscheid vorläufig auf: Binnen acht Tagen müsse Ciotti in der Streitfrage ein Hauptsacheverfahren anstrengen, so lange bleibe er Parteichef. Die Partei erklärte danach, sie werde zur Parlamentswahl mit unabhängigen Kandidaten antreten – Ciottis Plan nach Beratungen mit RN-Chef Jordan Bardella war gewesen, bei der Kandidatenaufstellung in den Wahlkreisen mit dem rechten RN zu kooperieren.

Auch rechtsextreme Spitzenkandidatin wird aus Partei geworfen

Dabei war Ciotti nicht der Einzige, dem ein Treffen mit Bardella schlecht bekam: Gleich am Montag nach der Europawahl hatte die Spitzenkandidatin der rechtsextremen Partei Reconquête für die Europawahl, Marion Maréchal, mit dem RN-Chef über eine Kooperation gesprochen. Dem Reconquête-Präsidenten Éric Zemmour, der sich anders als Maréchal mit der Le Pen-Partei überworfen hatte, passte das gar nicht. Am Mittwoch schmiss er Maréchal, eine Nichte der RN-Führungsfigur Marine Le Pen, aus der Partei. Diese hatte mit Maréchal als Zugpferd bei der Europawahl gerade erst 5,47 Prozent der Stimmen erhalten.

Aber auch beim linken Lager läuft es nicht rund. Zwar kündigte ein neues Linksbündnis aus Sozialisten, Linkspartei, Grünen und Kommunisten ein gemeinsames Antreten zur Wahl an. Wer Spitzenkandidat des Bündnisses Le nouveau Front populaire (Die neue Volksfront) werden soll, ließen sie jedoch offen. Denn trotz der vor den TV-Kameras inszenierten Einigkeit gibt es ein Kräftemessen zwischen Sozialisten und Linkspartei. Die Führungsfigur der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, will bei einem Sieg Premierminister werden. Anders als vor der Europawahl ist aber nicht mehr die Linkspartei stärkste linke Partei, sondern die Sozialisten sind es, die bei der Europawahl mit ihrem Kandidaten Raphaël Glucksmann punkteten.

Alt-Linker Mélenchon gibt sich nicht geschlagen

Glucksmann sprach sich gegen Mélenchon als Spitzenkandidaten aus – und auch anderen im linken Lager ist der Alt-Linke ein Dorn im Auge. Beim Familienfoto und den programmatischen Reden zum neuen Linksbündnis am Freitag fehlten beide. Offenbar aber gibt der Strippenzieher und Stratege Mélenchon sich längst nicht geschlagen.

Es gab zugleich große Aufregung in der Linkspartei über die Kandidatenliste zur Wahl, von «Säuberung» und «Sektierertum» war die Rede. Verdiente Abgeordnete fanden sich nicht auf der Liste wieder, wie etwa Alexis Corbière, der Mélenchon vorwarf, «seine Rechnungen zu begleichen», wie der Sender France Info berichtete. Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier äußerte sich «extrem schockiert» über die Vorgänge bei der Linkspartei und forderte Beratungen – wahrlich kein guter Start für das neue Linksbündnis.

Macron präsentiert sich als Garant von Stabilität

Präsident Macron könnte das Chaos links und rechts seines Mitte-Lagers bei der Wahl durchaus in die Karten spielen – auf jeden Fall präsentierte er sich und seine Bewegung als den einzigen Garanten für Stabilität in Frankreich und warnte vor der Gefahr durch das extreme linke und rechte Lager. Die Blöcke seien sich bei keiner Zukunftsfrage einig und könnten keine regierungsfähige Mehrheit bilden.

«Ich glaube fest, dass nur die politischen Kräfte, die heute die Präsidentenmehrheit bilden, die Fähigkeit haben, ein kohärentes, realistisches und zukunftsweisendes Regierungsprojekt voranzubringen», sagte Macron. Kommentatoren in Frankreich meinten auch, Macron könne mit der kurzfristig angesetzten Wahl die Unordnung bei seinen Gegnern absichtlich provoziert haben, um als politischer Ruhepol bessere Karten zu haben.

Da für Frankreich viel auf dem Spiel steht, gibt es im Wahlkampf unterdessen auch Einmischung von unerwarteter Seite. Frankreichs zweitbeliebtester Youtuber, der Künstler Squeezie, warnte seine fast neun Millionen Follower auf Instagram vor einem «drastischen Anstieg der extremen Rechten» und rief junge Menschen, zur Wahl zu gehen.

Zehntausende gehen auf die Straße

Zehntausende Menschen haben in Frankreich gegen die extreme Rechte demonstriert. In Paris und anderen Großstädten und Orten folgten Menschen Aufrufen der Gewerkschaften und anderer Organisationen zum Protest gegen die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, die bei den kurzfristig angesetzten Parlamentswahlen möglicherweise in Regierungsverantwortung gelangen könnte. Zu rund 200 Protestkundgebungen wurden rund 300.000 Teilnehmer erwartet, über 20.000 Polizisten waren im Einsatz. Am Rande mehrerer Protestzüge kam es zu Sachbeschädigungen und Konfrontationen von Demonstranten mit der Polizei, wie Medien berichteten. Auch morgen soll demonstriert werden.

«Entweder es ist die extreme Rechte, oder es sind wir», sagte die Fraktionschefin von Frankreichs Linkspartei, Mathilde Panot, an der Spitze des Pariser Demonstrationszugs mit Blick auf die Parlamentswahl. Wie Panot hatten sich zahlreiche weitere Spitzenpolitiker der linken Parteien, die am Vortag ein Linksbündnis für die Wahl vorgestellt hatten, in den Demonstrationszug in der Hauptstadt eingereiht. «Man muss nicht RN wählen, um Frankreich zu lieben» und auch «Nie wieder» stand auf Transparenten von Demonstranten in Marseille. «Gegen die braune Pest, Pflastersteine an die Urne» hieß es auf einem Banner in Paris. (dpa/ml)

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