Pop-up-Hotel statt Luxussanierung

Foto: Joshka Rzepka Das schöne Leben Hotel
Foto: Joshka Rzepka

Eine exzentrische Neuinterpretation eines Traditionsbetriebs – so beschreiben Marcel Hajnal und Franca Werhahn ihr Projekt „DAS SCHÖNE LEBEN“. Vor zwei Jahren übernahm das Paar aus München den Hotelbetrieb von Marcels Eltern im Schwarzwald und wurden „über Nacht“ zu Hotelbesitzern. Und wie sieht es heute aus? Das haben wir die beiden im Courage-Interview gefragt.

Courage: Franca und Marcel, bevor ihr 2022 das Hotel von Marcels Eltern im Schwarzwald übernommen habt, habt ihr als Unternehmensberater und Rechtsanwältin in München gearbeitet. Woher kam der Impuls, diese Jobs aufzugeben und ein Pop-Up-Hotel zu eröffnen?

Die Zukunft des bestehenden Hotels stand schon einige Zeit vor unserem Pop-Up Projekt im Raum. Eher aber wie eine Art Damoklesschwert, da klar war, dass meine Eltern früher oder später ihren Ruhestand antreten wollen. Was also tun? Hotel übernehmen? Ja? Nein? In den Schwarzwald ziehen? Zusammen? Fernbeziehung? Was machen wir aus dem Hotel? Grundsätzlich reizte mich das Thema Selbstständigkeit schon lange. Die Rahmenbedingungen im Schwarzwald dagegen weniger. Uns war von Anfang an klar, dass wir das Haus nicht in seiner bisherigen Form weiter betreiben wollten. Auch wirtschaftlich hätte das keinen Sinn ergeben, da die Zusammenarbeit mit Busreiseveranstaltern und sog. Wholesalern, wie es meine Eltern fokussiert haben, durch den hohen Preisdruck nur schwer profitabel sind.

Also suchten wir uns einen Architekten in München und erarbeiteten ein neues Gesamtkonzept, das sowohl uns als Gastgebern als auch den Bedürfnissen eines modernen Reisenden entspricht. Schnell stellte sich heraus, dass es in unserer Gemeinde keine Bebauungspläne gibt und daher ein größerer Umbau einen Planungsvorlauf von mindestens drei Jahren braucht. Das schreckte uns erstmal nicht ab und wir planten weiter. Die Tatsache, dass mein Vater 2021 an Demenz erkrankte, stellte unseren bisherigen Plan aber gänzlich auf den Kopf. Es brauchte eine zeitnahe Entlastung.

Doch wie könnte diese aussehen? Einfach in den Schwarzwald ziehen und den Betrieb so weiterführen wie bisher, kam für mich nicht in Frage. Zudem hatte Franca zu diesem Zeitpunkt ganz und gar nicht vor, ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin aufzugeben. Aus der Not wurde eine Tugend und wir sahen das Risiko schnell als Chance. Eine Chance, um das, was wir uns langfristig für das Haus vorstellen, im Kleinen auszuprobieren. Dadurch wurde die Pop-Up Idee geboren: eine provisorische Umgestaltung des Betriebs für einen begrenzten Zeitraum. Dann tat das Schicksal sein Übriges … Franca wurde schwanger und die Frage, ob wir das Projekt zusammen angehen, klärte sich quasi von selbst. 

Nach zweijähriger Unterstützung von Franca während ihrer Elternzeit kehrte sie in ihren bisherigen Beruf als Rechtsanwältin zurück und eröffnete im November 2023 ihre eigene Kanzlei für Lebensmittelrecht und Nachhaltigkeitsberatung.

Zwischen Hotelübernahme und der Neueröffnung unter neuem Konzept liegen nur etwa drei Monate – richtig? Gab es Schwierigkeiten bei eurem Projekt?

Für uns ist es heute noch erstaunlich, dass und wie wir das geschafft haben. Schließlich haben wir drei Häuser und 4.000 Quadratmeter Garten einem kompletten Facelift unterzogen – das Ganze im laufenden Betrieb mit durchschnittlich 30 Gästen im Hotel und zu 95% in Eigenleistung. Lediglich unsere Fassaden wurden von einem Malerbetrieb frisch gestrichen und die Dachterrasse vom Schreiner gezimmert. Zudem kam mitten in der Renovierungsphase auch noch unsere Tochter zur Welt. Trotz allem haben wir pünktlich zum Mai 2022 mit neuem Namen und Konzept eröffnet. 

Herausforderungen gab es dabei genügend: Wir haben das Pop-Up Konzept erst im Dezember 2021 geplant und uns dann auf die Suche nach Handwerkern gemacht. Bei der Aussage, dass wir im Mai eröffnen wollen, kam nur die Frage: in welchem Jahr? Schnell war klar, dass wir kaum jemanden finden werden, der uns hier unterstützt.

Daher mussten wir einen Plan entwickeln, wie wir es ohne Handwerker hinkriegen. Am nächsten Tag vefassten wir eine Mail an all unsere Freunde und erläuterten die Lage. Am Ende hatten wir über die drei Monate verteilt mehr als 60 Helfer, die jedes Wochenende bei uns gestrichen und gehämmert haben. Sogar aus Hamburg und aus London sind Freunde angereist, um uns zu unterstützen. Jede Woche fühlte sich wie ein großes Happening an, mit einer ganz eigenen Dynamik. Meine Eltern versorgten die Truppe mit Essen und abends ging es auf die alte Kegelbahn.

Lediglich zur Geburt unserer Tochter gab es drei Tage Pause. Wobei man erwähnen sollte, dass auch sie sich dem Renovierungsplan untergeordnet hat, da am Morgen der Geburt noch der Estrich im Restaurant fertig abgeschliffen werden musste, weil das Schleifgerät pünktlich zurück zum Baumarkt musste. Auch bürokratische Hürden gab es zu nehmen. Durch den Betreiberwechsel von meinem Vater auf mich war plötzlich unklar, ob wir das Haus ohne umfassende Baumaßnahmen hinsichtlich Brandschutz und Barrierefreiheit überhaupt weiter betreiben dürfen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem wir bereits mitten in der Renovierung waren und ein sechsstelliger Betrag investiert war.

Renovierung als Investition: Habt ihr auch einmal daran gedacht, das Hotel zu verkaufen?

Wir denken ehrlich gesagt täglich dran. Es ist eine unter vielen Optionen – nach wie vor. Die muss es auch sein. Einen möglichen Exit muss man immer in Betracht ziehen. Auch wenn das nicht unser Wunsch-Szenario ist. Bevor wir die Planungen für die Hotelübernahme angestoßen haben, haben wir mit meinen Eltern alle möglichen Szenarien erörtert: Übernahme, Verkauf, Verpachtung, Umnutzung. Für uns war klar: Selbst wenn Übernahme und Pop-Up schief gehen sollten – der Betrieb steht danach auf jeden Fall besser da als vorher und würde bei einem Verkauf einen höheren Erlös erzielen.

Doch auch ein Verkauf wäre nicht so einfach, wie es klingt. In unserer Region stehen zahlreiche Hotels leer. Das liegt nicht zwingend an der Nachfrage, als vielmehr an der Nachfolge. Und für einen Investor ist es eher zweitrangig, ob ein Haus in Betrieb ist und schwarze Zahlen schreibt, als die Lage und Substanz der Immobilie. Hotelketten drängen inzwischen in ländliche Regionen. Sie wollen meist keine Bestandshäuser weiterführen, sondern eigene Konzepte an für sie passenden Standorten realisieren. Das macht einen Verkauf zunehmend schwieriger. 

„Nothing lasts. Nothing is finished. Nothing is perfect“ – dieses Zitat aus der japanischen Wabi-Sabi-Philosophie findet man auf der Fassade eures Hotels. Ist bei einem Pop-Up-Hotel der Weg das Ziel?

Ja, in unserem Fall ist das so. Es gibt aber auch Pop-Up Projekte, wo dem nicht so ist, weil zum Beispiel bereits am Anfang konkret feststeht, was mit einer Immobilie nach dem Pop-Up passiert und die Pop-Up-Phase wirklich nur eine reine Zwischennutzung ist. Bei uns dient das Pop-Up eher als Testphase: Was funktioniert, was nicht? Was will der Gast? Welche Gäste wollen wir? Funktionieren „wir“ im Schwarzwald? Was ist wirtschaftlich sinnvoll und was überhaupt möglich? All das sind Fragen, auf die uns das Pop-Up Antworten gibt und auch noch geben soll. Unser ursprüngliches Konzept, das wir noch in München erarbeitet haben, ist mit den aktuellen Rahmenbedingungen, vor allem finanziell, nicht mehr umsetzbar. Denn dieses entwickelten wir vor Corona, vor dem Ukraine-Krieg, vor Inflation und Rezession.

Eine Investion in dieser Größenordnung, bei der damals angepeilten Anzahl an Zimmern, ist für einen Familienbetrieb wie unseren schlichtweg nicht mehr finanzierbar. Trotzdem ist klar, dass wir das Hotel ohne grundlegende Renovierung auch nicht mehr die kommenden zehn Jahre betreiben können. Daher stehen wir an einem schmalen Grat zwischen Weiterentwicklung und Rentabilität. Schließlich macht ein Unternehmen bei allem Herzblut auch nur Sinn, wenn wir gut davon leben können. Uns ist aber inzwischen auch klar, dass es nicht die eine Investition oder Renovierung geben wird und dann ist Schluss. Stillstand ist Rückschritt: Diese Gleichung hat mich in meiner Ausbildung geprägt und begleitet mich seither täglich. Das ist auch der Grund, warum wir diesen Leitspruch der Vergänglichkeit auf unsere Fassade geschrieben haben. Wer weiß, was uns morgen bringt? Eins ist sicher: Veränderung.

Kulinarisch versprecht ihr “Black Forest Soul Food“. Da fällt uns spontan nur die “Schwarzwälder Kirschtorte” ein….was genau steht auf Eurer Speisekarte?

Wir wollen zeigen, dass der Schwarzwald mehr zu bieten hat als Kirschtorte und Schinken. Trotzdem findet man auf unserer Speisekarte nicht die Standard-Auswahl eines gängigen Wirtshauses in unserer Region. Wo es geht, greifen wir auf regionale Produkte und alte Rezepte zurück, kombinieren diese aber mit internationalen Einflüssen – seien es Rezepturen, Gewürze oder Zutaten. Wir sind weit gereist und haben vieles probiert. Außerdem haben wir ein buntes internationales Team. Das wollen wir auch leben und in unsere Kulinarik einfließen lassen. So findet sich auf unserer Karte zum Beispiel eine Variante des Klassikers „Vitello Tonnato“ bei uns als „Vitello Forello“, da wir es in diesem Fall mit einer Creme aus Schwarzwälder Rauchforelle servieren. Unsere hausgemachten Maultaschen sind mit Maronen gefüllt und schwimmen in einem Sesam-Miso-Sud, der an eine Tantanmen Ramen Suppe erinnert.

Wir servieren Dim Sum gefüllt mit Rehragout, dazu eine Preiselbeer-Hoisin-Sauce. Unsere Käsespätzle passen sich der Saison an: im Frühling mit Bärlauch, im Sommer mit gegrillter Paprika, im Herbst mit Kürbis und im Winter als Trüffel-Käsespätzle. Im Winter der Renner: unser Dunkelbier Käsefondue, hergestellt aus Hofkäse vom Bauern nebenan, statt Weißwein mit Dunkelbier aus unserer örtlichen Brauerei, das dem Fondue eine herrlich karamellige Note gibt. 

Inzwischen gibt es bei uns sogar ein Pop-Up im Pop-Up. Im April wird unser Salon Sepp für vier Wochen zum Thai-Pop-Up PADA, in dem unsere thailändische Küchenchefin Songkran das Beste aus ihrer Heimat Thailand mit regionalen Zutaten aus dem Schwarzwald kombiniert.

Und wer jetzt neugierig geworden ist und sich ein paar Tage Auszeit im Hotel „SCHÖNER LEBEN“ nehmen möchte, der nimmt ganz schnell hier an unserem Gewinnspiel teil.

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