Isabelle Guenou und Miriam Santer haben vieles gemeinsam. Lange gynäkologische Leidensgeschichten, ein Marketingkommunikation Studium und eine große Mission: Mit der von ihnen entwickelten Methodik zur Gesundheitsbestimmung von Frauen mittels Menstruationsblut wollen sie im Lauf der nächsten drei Jahre die gesundheitliche Diagnose junger Frauen vorantreiben und den Gender Data Gap schließen. Ihr Startup „theblood“ soll zum Unicorn werden.
von Delivan Abdou und Fanny Zschau
Courage: Liebe Isabelle, liebe Miriam, Ihr wart mit Eurem Startup „theblood“ in der Höhle der Löwen, seid in der Liste Forbes unter 30 und habt letzten Dezember den 1. Preis in der Kategorie Diversity auf der Tech Award Gala by WLOUNGE gewonnen. Wie geht ihr mit diesem Erfolg um?
Isabelle: Bei der Tech Award Gala fanden wir die Kategorie Diversity zwar eher unpassend, weil wir ein FemTech- oder HealthTech-Unternehmen sind, aber wir waren und sind sehr überrascht und dankbar für die Anerkennung unserer Arbeit. Seit Anfang des Jahres sind wir dabei, Investor:innen für unsere Mission zu gewinnen. Wir wollen Frauen dabei helfen, Zugang zu ihren individuellen Gesundheitsdaten zu erhalten, diese zu verstehen und von diesen Erkenntnissen zu profitieren. Deshalb geben wir unseren Nutzer:innen mit einem von uns entwickelten, nicht-invasiven Menstruationsblut-Testkit Selbstbestimmung und Kontrolle über ihre zyklusbedingten Gesundheitszustände und wollen den Gender Data Gap schließen.
Was ist der Gender Data Gap und wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
Miriam: Der Gender Data Gap bezeichnet fehlende oder unterrepräsentierte Datenerhebungen, die gesellschaftlich, kulturell oder auch medizinisch relevant sind.In Deutschland ist es erst seit 2004 verpflichtend, dass klinische Studien ausreichend die Unterschiede zwischen Frauen und Männern untersuchen. Wir haben beide schon als Teenager starke Zyklusbeschwerden gehabt und Medical Gaslighting erlebt, wie diverse Ärzt:innen befanden, dass ein paar Schmerztabletten helfen und wir uns nicht so anstellen sollen. Erst Jahre später wurden bei uns gynäkologische Krankheiten festgestellt und in Gesprächen mit unseren Studienkolleg:innen merkten wir, dass wir keine Einzelfälle waren.
Isabelle: Das war reiner Zufall. Als Leistungssportlerin habe ich erst nach meinem Karriereende Symptome bemerkt, und es hat ganze acht Jahre gedauert, bis bei mir Endometriose diagnostiziert wurde. Auf der Suche nach Antworten zu meiner Krankheit begann ich, wissenschaftliche Veröffentlichungen über Menstruationsflüssigkeit zu durchforsten. Zu meiner Überraschung stieß ich lediglich auf eine Handvoll wissenschaftlicher Studien und meine Mama, die als Pharmazeutin in einer Apotheke arbeitet, hat mich mit ihrem Knowhow und ihren Kontakten unterstützt. Als wir erkannt haben, dass nur eine US-Firma auch mit Menstruationsblut arbeitet, haben wir theblood mit dem Ziel gegründet, die bestehende Forschungslücke im Bereich der Menstruation zu schließen. Das Europäische Patent ist angemeldet.
Wann wurde denn aus der Erkennung dieser Forschungslücke die Idee, ein gemeinsames Unternehmen zu gründen?
Miriam: Isabelle war von Anfang an sehr ehrgeizig und leidenschaftlich dabei. Ich habe eine eher analytische und strategische Herangehensweise, was vielleicht daran liegt, dass ich selbst aus einer Unternehmerfamilie komme. Als Isabelle mir von ihrer Idee erzählte und fragte, ob ich sie unterstützen kann, war ich ziemlich schnell überzeugt. 2021 gab ich meinen Agentur-Job auf und wir haben theblood als GmbH gegründet. Als Expertin hatten wir von Anfang an die Molekularbiologin Dr. Amy Whitbread mit an Bord. Es hat eine Weile gedauert, bis Ärzte und Labore das Potenzial in der Analyse von Menstruationsblut erkannten. Wir haben mit sehr vielen von ihnen gesprochen und mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, bis wir die passenden Branchen-Partner gefunden haben.
Sind heute gängige Analyseverfahren für die Untersuchung von Menstruationsblut überhaupt geeignet?
Isabelle: Nein. Aber wir finden, dass Blut, das heute oft im Abfall oder der Toilette landet, sinnvoll genutzt werden sollte. Wir arbeiten an einer innovativen Lösung, mit der Menstruierende ihr Blut im Labor auf Farbe, Viskosität, Biomarker, wie etwa Hormone, Vitamine, Entzündungswerte, etc. analysieren und untersuchen lassen können. Die gesammelten Daten sollen dazu dienen, unsere Menstruation besser zu verstehen und individuelle Daten zu erhalten, die einen besseren Einblick in die eigene Gesundheit ermöglichen. Wir führen derzeit Studien durch, in denen wir Menstruationsblut mit anderen Blutquellen vergleichen, um unseren Test zuzulassen. Das Aussehen von Periodenblut variiert stark bei jeder Frau, von hellem Pink bis zu dunklem Blut mit Gewebeklumpen. Um diese Vielfalt zu erforschen, benötigen wir spezielle Methoden und Zentrifugen. Deshalb suchen wir Investor:innen und haben bereits Interesse von Pharmafirmen und gynäkologischen Praxen weltweit geweckt. Wir haben ein Zyklus Testkit entwickelt, das Frauen nach Hause geschickt wird. Sie können ihr Blut mit einer Menstruationstasse sammeln, in ein Teströhrchen füllen und es zur Analyse einsenden. Anschließend erhalten sie ein umfassendes Feedback über ihren Gesundheitszustand.
Euer Zyklus Testkit ist toll designt und ähnlich einfach wie ein Corona Test.
Wie lange bleibt Menstruationsblut ohne Kühlung untersuchbar und was bietet ihr Frauen noch an?
Miriam: Die Stabilität der Probe ist selbstverständlich abhängig von der Temperatur, aber in den meisten Fällen ähnlich dem venösem Blut, in der Regel rund 48 Stunden. Dadurch, dass in der Probe auch Gewebeproben enthalten sind, kann man auf sehr einfache Weise mehr über den Gesundheitszustand einer Frau ablesen, ohne ihr invasiv Blut oder Gewebeproben abnehmen zu müssen. Zusätzlich zu unseren Tests haben wir ein Proteinpulver entwickelt, das Frauen in der Zeit vor und während ihrer Menstruation mit den nötigen Nährstoffen versorgt. Immerhin haben 67 Prozent der Frauen Probleme während ihrer Periode und 63 Prozent leiden an Krämpfen und Stimmungsschwankungen.
Könnte man mit Eurem Test eine Endometriose sofort erkennen?
Isabelle: Bisher gibt es keinen spezifischen Bluttest zur Diagnose von Endometriose. Häufig ist eine Operation erforderlich, um eine definitive Diagnose zu erhalten. Wir konzentrieren uns darauf, neue Biomarker zu identifizieren, die eine frühzeitige Erkennung von chronischen Erkrankungen wie Endometriose durch das Menstruationsblut ermöglichen sollen.
Das klingt, als ob es nicht acht Jahre dauern muss. Wie lange denkt ihr, dass es dauert, an die Börse zu kommen und ein sogenanntes Unicorn zu werden?
Miriam: Die wichtigste Bedingung, um den Status eines Unicorns zu erhalten, ist die Firmenbewertung von Investoren mit mindestens einer Milliarde US-Dollar. Wir sind aktuell eines von zwei Unternehmen weltweit und das einzige Startup in Europa, das sich mit der Analyse von Menstruationsblut befasst. Sobald wir mit unserem Test zugelassen sind, ist das Wachstumspotenzial sehr groß.
Wie bzw. wann wird ein Startup zum Unicorn und kann man noch in Euch investieren?
Isabelle: Die statistische Wahrscheinlichkeit, vor dem Börsengang oder Exit eine Firmenbewertung in Milliardenhöhe zu erhalten, ist vergleichbar mit der (Un)Wahrscheinlichkeit, dem Traumwesen Einhorn persönlich zu begegnen. Um eine so hohe Bewertung zu erreichen, muss das Marktpotenzial gegeben sein und ein großes Vertrauensverhältnis zwischen den Gründer:innen und den Investor:innen bestehen, die von der Lukrativität der Idee und des Unternehmens absolut überzeugt sein müssen. Wir, unsere bisherigen Berater:innen, Investorinnen und auch die Tech Award Jury denken, dass wir Unicorn-Potenzial haben, parallel braucht es noch viel Forschungs- und Überzeugungsarbeit. Investieren kann man derzeit in einer Höhe von mindestens 25.000 Euro. Interessent:innen können sich gerne direkt bei uns melden.
Kannst Du unseren Leserinnen erklären, was Gründer:innen unter einem „Exit“ verstehen?
Miriam: Mit einem Exit bezeichnet man im Bereich Venture Capital den schrittweisen Ausstieg von uns Gründer:innen mit der schrittweisen Vergabe von Unternehmensanteilen an potenzielle Investor:innen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Aktuell befinden wir uns in der zweiten Seed-Finanzierungsrunde und benötigen drei Millionen Euro Kapital, um die kommenden Studien und weitere Forschung finanzieren zu können. Ein Exit für ein Startup erfolgt häufig erst nach späteren Finanzierungsrunden, wenn das Unternehmen verkauft wird oder es an die Börse geht. Kapitalgeber und Shareholder können sich über die dann höhere Unternehmensbewertung und den gestiegenen Wert ihrer Unternehmensanteile freuen.
Euer Tipp für Gründer:innen in einem Satz?
Miriam: Unternehmertum ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Isabell: Habt Mut und bleibt euch treu.
Isabelle Guenou ist Gründerin und CEO von theblood. Mit einem Master-Abschluss in Marketingkommunikation und Erfahrung als Beraterin und Projektmanagerin im Bereich der digitalen Transformation und des Markenmanagements verfügt Isabelle über Kenntnisse in Marketingkommunikation, Strategieentwicklung und Verbraucherpsychologie. Als frühere Profi-Sportlerin hat sie gelernt, Ziele ehrgeizig und entschlossen zu erreichen. Da sie selbst an Endometriose erkrankt ist, kennt sie die Einsichten und den persönlichen Weg der Konsumenten von theblood.
Miriam Santer ist Mitgründerin und COO von theblood. Die Unternehmerin mit einem Master-Abschluss in Marketingkommunikation und einem Bachelor of Science in Wirtschaftswissenschaften konzentriert sich auf die operative Geschäftsentwicklung und Finanzplanung. Miriam ist Expertin mit Fachkenntnissen im Bereich des Verbraucherverhaltens in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und ist bestrebt, die Datenlücke zwischen den Geschlechtern auf lange Sicht zu schließen.
Mehr unter www.theblood.io