Deutsche CEOs erwarten langanhaltende Unsicherheit

Im Containerhafen von Bremerhaven: Vor dem Hintergrund wachsender globaler Unsicherheiten und struktureller Umbrüche hat die OECD ihren neuen Konjunkturausblick vorgelegt.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Neue Zoll- und Handelsbarrieren entwickeln sich für global agierende Unternehmen zu einer erheblichen finanziellen Belastung: 77 Prozent der weltweit im August befragten 1.200 CEOs erwarten, dass höhere Zölle die finanzielle Leistung ihres Unternehmens deutlich schwächen werden. Besonders stark betroffen sehen sich US-Unternehmen (92 Prozent). Von den Unternehmen in Deutschland sehen 76 Prozent starke Einbußen, bei den chinesischen Unternehmen liegt der Anteil bei 68 Prozent.

Eine kurzfristige Entspannung der geopolitischen und wirtschaftlichen Lage erwartet nur eine Minderheit: Weltweit rechnen 43 Prozent, in Deutschland lediglich 37 Prozent, mit einer Beruhigung innerhalb der nächsten zwölf Monate. Von einer Unsicherheitsphase von mindestens drei Jahren gehen global 24 Prozent aus – in Deutschland sind es 32 Prozent. Noch pessimistischer sind nur die Unternehmenschefs in Japan (46 Prozent), während in den USA lediglich 15 Prozent eine anhaltende Unsicherheit über mindestens drei Jahre erwarten.

Dies sind Ergebnisse des aktuellen CEO-Survey von EY-Parthenon, der Strategie- und Transaktionsberatung von EY, basierend auf einer Befragung von 1.200 CEOs weltweit, darunter 100 in Deutschland. Die Umfrage wurde im August 2025 durchgeführt.

Als Reaktion auf geopolitische Krisen und steigende Zölle setzen Unternehmen verstärkt auf Lokalisierung ihrer Aktivitäten: Weltweit geben 74 Prozent der CEOs an, in den jeweiligen Absatzmärkten stärker zu investieren und dort eigene Produktions- und Vertriebskapazitäten aufzubauen. Unter den deutschen Konzernen liegt der Anteil ebenfalls bei 74 Prozent. Besonders aktiv sind japanische Unternehmen (97 Prozent), gefolgt von US-Konzernen (82 Prozent). Von den chinesischen CEOs hingegen gibt nur knapp ein Drittel (32 Prozent) an, verstärkt vor Ort zu investieren.

Für Deutschland bedeutet dieser Trend zur Lokalisierung, dass der Druck auf die hiesige Wirtschaft weiter steigt, sagt Sandra Krusch, Managing Partner EY-Parthenon in Deutschland: „Der Standort Deutschland war jahrzehntelang einer der großen Gewinner der Globalisierung. Das frühere Modell, von Deutschland aus die Welt zu beliefern, verliert angesichts zunehmender Handelsbarrieren an Tragfähigkeit. Immer mehr Länder verlangen Produktion vor Ort. Für deutsche Konzerne bedeutet das: Investitionen verlagern sich zunehmend ins Ausland. Deutschland profitiert damit nur noch begrenzt vom Wachstum internationaler Märkte – Aktivitäten hierzulande geraten stärker unter Druck.“

Lokalisierungsinvestitionen werden zur neuen Normalität

Da nur wenige Unternehmen mit einem Abbau der Handelshemmnisse und einer Rückkehr zu einem weitgehend freien Welthandel rechnen, betrachten die meisten Konzerne die Lokalisierung als langfristigen strategischen Wandel: 73 Prozent der deutschen und 72 Prozent der weltweit befragten CEOs sehen darin einen dauerhaften Kurswechsel. Krusch: „Nationalistische Wirtschaftspolitik ist global auf dem Vormarsch – Zölle werden zum Instrument politischer Auseinandersetzung. Unternehmen müssen sich darauf einstellen. Eine schnelle Rückkehr zu einer regelbasierten internationalen Ordnung mit möglichst freiem Handel ist nicht zu erwarten. Unwägbarkeiten und steigende Risiken sind die neue Normalität.“

Investitionsziele: Innovationsstärke schlägt Kostenfaktoren

Wenn Produktion stärker vor Ort angesiedelt wird, fließen Investitionen bevorzugt in wichtige Absatzmärkte. Als zentrale Standortvorteile nennen die befragten CEOs vor allem Innovationskraft und gute Infrastruktur – in Deutschland 63 Prozent, weltweit 54 Prozent. Diese Faktoren sind damit wichtiger als Energiekosten (Deutschland: 55 Prozent; weltweit: 49 Prozent) oder Arbeitskosten (Deutschland: 54 Prozent; weltweit: 47 Prozent).

Nordamerika ist aktuell das bevorzugte Investitionsziel: 82 Prozent der weltweit befragten CEOs zählen die USA zu ihren Top-5-Standorten. Auf den Plätzen folgen Kanada und Großbritannien (jeweils 32 Prozent), Indien (23 Prozent) und Deutschland (21 Prozent). Krusch: „Die US-Politik, verstärkt Investitionen ins Land zu holen, zeigt Wirkung. Für exportorientierte deutsche Unternehmen führt an den USA als Absatzmarkt kaum ein Weg vorbei. Trotz politischer Unwägbarkeiten wird das Engagement ausländischer Unternehmen in den USA hoch bleiben.“

M&A-Appetit sinkt, Kooperationen nehmen zu

Um vor Ort Präsenz aufzubauen, setzen Unternehmen auch auf Transaktionen – allerdings ist die M&A-Nachfrage rückläufig: Weltweit planen derzeit 49 Prozent der Konzerne eine Fusion oder Übernahme, vor sechs Monaten waren es noch 57 Prozent. In Deutschland fällt der Anteil von 56 auf 44 Prozent. Stattdessen gewinnen Joint Ventures und strategische Allianzen an Bedeutung: 67 Prozent der deutschen und 73 Prozent der weltweit befragten Unternehmen verfolgen entsprechende Kooperationen aktiv. „Der Appetit auf M&As ist aktuell überschaubar“, so Krusch. „Ständig neue geo- und handelspolitische Verwerfungen und die daraus folgenden Unsicherheiten, aber auch das unklare regulatorische Umfeld bremsen aktuell das M&A-Geschehen. Hinzu kommt, dass viele Verkäufer die schwierigen Rahmenbedingungen noch nicht eingepreist haben und mit ihren Vorstellungen häufig deutlich über dem liegen, was potenzielle Käufer zu zahlen bereit sind. Mittelfristig wird es aber wieder mehr Transaktionen geben, denn der Transformationsdruck auf viele Unternehmen ist unvermindert hoch“. (Quelle: EY)

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