Deutsche Konzerne sehen sich von US-Zöllen besonders stark betroffen – und stoppen Investitionen

Die Lage im Handelskonflikt der USA mit dem Rest der Welt bleibt unübersichtlich. (Archivbild)
(Archivbild) Foto: Damian Dovarganes/AP/dpa

Für Konzernchefs weltweit wird die US-Zollpolitik zum Sorgenfaktor Nummer eins: 42 Prozent bezeichnen sowohl in Deutschland als auch weltweit die aktuelle geo- und handelspolitische Unsicherheit als Hauptrisiko für ihr Unternehmen. Auch US-CEOs zeigen sich besorgt: Für 38 Prozent der US-amerikanischen Unternehmen stellt diese Unsicherheit das Hauptrisiko für das eigene Unternehmen dar. Damit stellt die Gefahr eines neuen weltweiten Handelskriegs alle anderen Themen in den Schatten: Ein Personalmangel ist beispielsweise nur aus Sicht von 13 Prozent der deutschen CEOs das Top Risiko für das eigene Unternehmen, weltweit sind 16 Prozent dieser Ansicht, in den USA 22 Prozent.

Es ist absehbar, dass die steigenden Zölle sowohl zu Margeneinbußen als auch zu Preiserhöhungen führen werden. Denn 38 Prozent der deutschen Konzerne planen, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben – weltweit liegt der Anteil bei 33 Prozent. Auch in den USA dürften die Zölle zu Preissteigerungen führen: 35 Prozent der US-Unternehmen planen, die Kosten zumindest teilweise an die Kunden weiterzugeben. Das dürfte die Nachfrage auch in den USA dämpfen und damit die Konjunktur zusätzlich belasten.

Ähnlich viele Unternehmenschefs – 42 Prozent weltweit, 41 Prozent in Deutschland – wollen versuchen, die zusätzlichen Kosten durch Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen aufzufangen.

Das sind Ergebnisse des aktuellen CEO-Survey von EY-Parthenon, der Strategie- und Transaktionsberatung von EY. Basis der Studie ist eine Umfrage unter 1.200 Vorstandsvorsitzenden weltweit – davon 100 in Deutschland. Die Umfrage wurde im April 2025 durchgeführt.

„Die volatile und unberechenbare US-Zollpolitik hat sich zum weltweiten Konjunkturrisiko Nummer eins entwickelt“, sagt Sandra Krusch, Managing Partner EY-Parthenon in Deutschland. „Die Unsicherheit ist enorm und führt dazu, dass Unternehmen weltweit ihre Investitionspläne überdenken. Das heißt konkret: Unternehmen verharren in Wartestellung und zögern größere Investitionsentscheidungen hinaus.“

Vor allem deutsche Unternehmen treten auf die Bremse: 38 Prozent der deutschen CEOs geben an, mindestens eine geplante Investition gestoppt zu haben – in China liegt der Anteil bei 23 Prozent, in den USA bei 21 Prozent.

„Die deutsche Unternehmenslandschaft zeichnet sich durch ihren hohen Internationalisierungsgrad aus“, sagt Krusch. „Die meisten größeren Unternehmen sind stark im Ausland engagiert. Wenn mit den USA und China die zwei wichtigsten ausländischen Märkte in einen Handelskrieg geraten, dann bekommen deutsche Unternehmen das unweigerlich massiv zu spüren. Gestörte Lieferketten, hohe Extrakosten, Preissteigerungen im Ein- und Verkauf, hohe Liquiditätsbelastungen und ein enorm steigernder Verwaltungsaufwand: Das ist der Gau gerade für die globalisierten deutschen Konzerne.“

Dementsprechend zeigen sich die deutschen Unternehmen in Alarmstimmung: 66 Prozent der befragten deutschen CEOs sind sehr oder äußerst besorgt, dass Zollerhöhungen sich negativ auf ihr Unternehmen auswirken könnten – weltweit liegt der Anteil bei 50 Prozent, in den USA aber immerhin bei 59 Prozent. Verhältnismäßig gelassen scheinen die chinesischen Unternehmen auf das Thema Zollerhöhungen zu schauen: 43 Prozent – so wenige wie in keinem anderen größeren Land – sind äußerst oder sehr besorgt.

Drohende Inflation

Viele Unternehmen werden versuchen, die teils sehr hohen Zölle auf ihre Kunden abzuwälzen – das wird nach Kruschs Einschätzung aber nur zum Teil möglich sein und zudem zur Folge haben, dass die Kauflaune sinken und die Konjunktur zusätzlich belastet wird. „Für die Unternehmen gibt es aktuell sehr wenig zu gewinnen“, stellt Krusch fest. Zunächst müsse es darum gehen, das sehr unklare regulatorische Umfeld zu verstehen und zu navigieren und potenzielle Risiken zu vermeiden. „Im zweiten Schritt müssen die Unternehmen ihre Strategie anpassen – was allerdings sehr schwierig wird. Zunächst einmal legen Unternehmen weltweit ihre Investitionspläne auf Eis, denn das Vertrauen ist weg.“

Trotz der aktuellen Durststrecke sollten die deutschen Unternehmen aber in ihren Transformationsbemühungen nicht nachlassen, empfiehlt Krusch: „Wer jetzt trotz des Gegenwinds die anstehenden Transformationen in den Bereichen Technologie, Produktionsverfahren, Produktangebot etc. durchführt, wird mittel/langfristig einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.“

Interesse an Zu- und Verkäufen trotz Unsicherheit auf hohem Niveau

Dazu passt, dass trotz der schwachen Konjunktur und der massiven Unsicherheit das Interesse an Zu- und Verkäufen von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen weiterhin relativ hoch ist: Derzeit planen 56 Prozent der deutschen Konzerne mindestens eine Fusion oder Übernahme in den kommenden 12 Monaten. Weltweit liegt der Anteil mit 57 Prozent ähnlich hoch.

„Aktuell passiert auf dem Transaktionsmarkt wenig, das Interesse bei den Unternehmen ist dennoch groß. Denn die Treiber – Innovationsdruck und technologischer Wandel, Suche nach Wachstumschancen und Konsolidierungsdruck – sind äußerst virulent. Zudem sinken die Zinsen wieder leicht. Dennoch werden große Transaktionen vorerst die absolute Ausnahme bleiben“, sagt Krusch. Dazu sei das konjunkturelle und geopolitische Umfeld zu volatil, zudem seien die Unternehmensgewinne rückläufig. „Trotz des grundsätzlichen Interesses an strategischen Transaktionen stehen bei vielen Unternehmen derzeit Kostensenkungsmaßnahmen ganz oben auf der Agenda.“

Gleichzeitig zeigen gerade deutsche Unternehmenslenker eine starke Präferenz für den Aufbau strategischer Partnerschaften, die den Vorteil bieten, Kosten zu minimieren und Unternehmensressourcen zu schonen. Der Anteil deutscher Unternehmen, die mindestens eine Allianz bzw. ein Joint Venture anstreben, liegt bei 75 Prozent – weltweit sind es 67 Prozent, insgesamt in Europa nur 64 Prozent. “Strategische Allianzen bekommen eine immer größere Bedeutung“, sagt Krusch. In einer Zeit, in der viele Branchen durch massive technologische Veränderungen geprägt sind, bieten sie die erforderliche Flexibilität und ermöglichen ein schnelles Handeln. Kein großes Unternehmen kann mehr als Einzelkämpfer erfolgreich sein – diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch.“

Diesen Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Foto: Money Day Banner
Anzeige

Jetzt neu

Sie hat eine Achterbahnfahrt hinter sich – beruflich und mental. Ein Interview mit Sophia Thiel über Körpergefühl, Kalorien und Kapitalanlagen.