Ich habe mich noch nie mit einem Mann verglichen. Und wenn ich es täte, fiele mir dafür wahrscheinlich nicht als erstes Jim Carrey ein.
Ein langer Sonntag auf den Raststätten, die Deutschland jenseits der Schnellstraßen säumen, teleportierte mich allerdings schonungslos in einen Moment seines Films „Die Truman Show“ von 1998. Um es kurz zu machen: Jim Carrey spielt die Hauptrolle – Truman – der in einer eigens für ihn erschaffenen, von Schauspielern bewohnten Scheinweilt, lebt und dabei von etwa 5000 versteckten Kameras täglich begleitet wird. Dass er Star einer erfolgreichen Reality-Show ist, weiß dabei jeder außer ihm.
Im Film gibt es eine Szene, in welcher der Protagonist um Haaresbreite von einem herabfallenden Scheinwerfer verfehlt wird. Die Fassade seiner auf Hochglanz polierten, aber leider nicht realen Welt beginnt zu bröckeln.
Eine Fahrt auf der Autobahn A3 hatte einen ähnlichen Effekt auf mich. Wer die Strecke zwischen München und Düsseldorf kennt, fühlt sich vielleicht unangenehm an die herrschenden Zustände erinnert. Überquellende Mülleimer, neben denen sich der brav und nach einer gewissen deutschen Ordnung strebende Abfall türmt, weil es einfach keinen Platz mehr dafür gibt. Jahrelange Baustellen, die zwar für Stau und Fahrbahnverengungen sorgen, auf denen aber sonst wenig stattzufinden scheint.
Russisch-Roulette spielt man mit der Funktion der öffentlichen Toiletten, dabei weiß man nicht, ob man sich freuen soll, wenn sie außer Betrieb sind oder nicht. So eklig ist das.
Die Städte sind oft auch nicht besser. Hochdigitalisierte Parkhäuser, in denen von fünf Stück nur ein Kassenautomat intakt. Und niemand fühlt sich zuständig, den Missstand zu beheben. Auch nicht die Leute, die dort arbeiten. Vieles, was vor einigen Jahren noch selbstverständlich war, funktioniert nicht mehr.
Immerhin scheint das Ganze nicht nur bei mir schlecht anzukommen. Diese Woche passierte die Bundesregierung unter Friedrich Merz die 100-Tage-Marke ihres Bestehens. Die Zustimmung für den Bundeskanzler ist niedrig wie nie. Umfragewerte schwanken zwischen 32 (Infratest dimap) und 29 Prozent (Forsa). Zum Vergleich: Sogar Olaf Scholz konnte zu seiner Zeit noch mit rund 56 Prozent Zustimmung glänzen. Vielleicht ist das auch für Merz ein böses Erwachen, wenn auch gedämpft durch die bald zu renovierenden schicken Mauern des Kanzleramts.
Seine Unbeliebtheit hat sicherlich nicht nur mit Autobahnbaustellen zu tun, an denen nicht gearbeitet wird. Auch nicht mit den hunderten von Milliarden Euro Schulden, die noch vor der Kanzlerwahl mithilfe des alten Bundestags aufgenommen wurden. Aber eins steht fest: Was auf meine Generation wartet, klingt nicht besonders verlockend: länger arbeiten, mehr arbeiten, mehr Steuern zahlen, wenig klagen und Begeisterung darüber zeigen, diesen an allen Ecken und Enden ächzenden Apparat zusammenhalten zu dürfen.
Wir könnten uns glücklich schätzen, in Deutschland zu leben, heißt es. Anderswo sei es schlimmer. Diese abgedroschene Floskel kommt den Menschen langsam zu den Ohren heraus. Sie ist kein Allheilmittel und keine wirksame Waffe gegen berechtigte Kritik.
So wie Regisseur Peter Weir es damals wagte, den Komiker Jim Carrey vollkommen gegen den Strich zu besetzen, könnte sich Friedrich Merz in seiner Rolle als Bundeskanzler als vollkommene Fehlbesetzung entpuppen. Mal schauen, wie lange es hält.
So schließe ich mit Trumans Worten. Falls wir uns nicht mehr sehen sollten: Guten Tag, guten Abend und gute Nacht!
Alexa Gräf
Redakteurin Courage