Dr. Anusch Arezki: „Mütter haben das lauteste Gewissen von allen“

Foto: Dr. Anusch Arezki, (Fotofabrik Stuttgart)
Foto: Dr. Anusch Arezki, (Fotofabrik Stuttgart)
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Dr. Anusch Arezki ist Chief Operating Officer bei der Thales Deutschland GmbH. Eine Führungskraft mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Technologiebranche. Mit ihrer empathischen und zielorientierten Führung hat sie bedeutende Erfolge bei der Umsetzung innovativer Projekte und der Leitung internationaler Teams erzielt. Die zweifache Mutter ist leidenschaftliche Verfechterin der Diversität und engagiert sich für die Förderung weiblicher Talente in der Tech-Branche. Sie ist eine von 13 Top-Managerinnen, die im September 2024 in das Netzwerk Generation CEO e.V. aufgenommen worden ist.

Courage hat bereits hier über das Netzwerk Generation CEO e.V. und den Auswahlprozess berichtet. In den kommenden Wochen stellen wir Euch alle 13 Top-Managerinnen in einer Serie vor – jeweils am Freitag!

Courage: Die Zeiten, in denen Arbeitnehmer ein Leben lang im gleichen Beruf arbeiteten, sind vorbei. Auch Sie haben die Branche gewechselt. Kann man branchenspezifisches Fachwissen ohne Weiteres in eine andere Branche transferieren?

Anusch Arezki: Ja, davon bin ich überzeugt. Bevor ich zu Thales kam, habe ich als Projektleiterin für klinische Studien in der Pharmaindustrie gearbeitet. Da hatte ich wenig mit der Hightech- oder Verteidigungsindustrie zu tun. Meine Erfahrungen im Projektmanagement, die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Stakeholdern zu arbeiten und meine strukturierte Arbeitsweise haben mir geholfen, auch bei Thales schnell Fuß zu fassen. Ich bin davon überzeugt, dass es Unternehmen sogar guttut, Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger einzustellen. Denn man bringt immer Best Practices aus dem vorherigen Job mit, die in der neuen Branche nicht unbedingt üblich sind.

Wie kann man Frauen für traditionell männlich dominierte Branchen wie Technologie oder Verteidigung begeistern?

Gott sei Dank hat sich die Situation inzwischen verbessert und wir sehen viele junge Frauen in MINT-Ausbildungen und -Studiengängen, die dann auch in die entsprechenden Industrien einsteigen. Aber wir brauchen noch mehr talentierte Frauen in der Hightech- und Verteidigungsindustrie. Ich denke, dass Managerinnen in diesen Branchen noch sichtbarer werden müssen, damit potenzielle Interessentinnen sehen, dass es auch hier sehr gute Karrierechancen gibt. Auch Partnerschaften mit Universitäten spielen eine große Rolle. Oft können sich junge Frauen gar nicht richtig vorstellen, was in einer solchen Industrie alles gemacht wird und wie spannend die Branche ist.

„Intelligenz macht den Unterschied“ – so steht es auf der Website von Thales. Wenn Sie sich die ideale Kandidatin für eine Führungsaufgabe backen könnten: Wie sieht Ihre „Traumfrau“ aus?

Mutig, strukturiert und aufgeschlossen, gepaart mit Leidenschaft und Empathie. Ich mag es, wenn Frauen wissen, was sie wollen und dafür einstehen, ohne dabei ihre Mitmenschen zu vergessen.

Kinder und Karriere – das eine schließt das andere nicht aus. Auch Ihre Vita zeigt: Es geht beides! Gibt es trotzdem Tage, an denen Sie lieber am Spielplatz sitzen und Ihren Kindern beim Schaukeln zusehen würden?

Meine Kinder sind aus dem Spielplatzalter heraus. Aber natürlich gibt es Tage, an denen ich das Gefühl habe, zu wenig Zeit für sie zu haben oder lieber bei ihnen zu sein, als wieder auf Dienstreise zu gehen. Aber dann sage ich mir immer, dass es ihnen gut geht und sie jetzt eine gute Zeit mit dem Papa, den Geschwistern oder den Großeltern haben, die für sie genauso wichtig sind. Die Kinder werden nicht nur von der Mutter geprägt! Mütter haben nur das lauteste Gewissen von allen. Ich bin nicht immer verfügbar, wenn meine Kinder es wollen, aber ich bin immer für sie da, wenn sie mich brauchen! Das ist ein Unterschied!

Wenn man „beides“ will – Kinder und Karriere – muss man Kompromisse eingehen. Das gilt übrigens nicht nur für die Familie, sondern auch für das Unternehmen, in dem man arbeitet. Auch hier muss man seinen Arbeitgeber entsprechend „erziehen“, um sich abgrenzen zu können. Ich habe schon vor zehn Jahren – lange vor Corona-Zeiten, mobiler Arbeit oder Home-Office – bei meinem Vorstellungsgespräch gesagt, dass ich nicht bis acht Uhr abends im Büro sein kann, sondern spätestens um halb sechs gehen muss, weil dann der Kindergarten, der direkt nebenan ist, schließt und ich notfalls noch Sachen von zu Hause aus erledige. Das hat meine Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber anscheinend eher beeindruckt als abgeschreckt. Tatsächlich habe ich die Familienzeit ab 18 Uhr bis heute beibehalten, auch als COO. Sie ist in meinem Kalender fest geblockt, um Terminkollisionen zu vermeiden.

Ermöglichen Sie bei Thales auch Führung in Teilzeit?

Natürlich! Genauso wie Jobsharing! Ich muss aber gestehen, dass ich kein großer Freund von Führung in Teilzeit bin, weil die Frauen am Ende fast immer Vollzeit oder vollzeitnah arbeiten, aber nur für Teilzeit bezahlt werden. Hier achte ich bei meinen weiblichen Führungskräften im Team immer sehr darauf, dass es stimmig ist und rate ihnen auch manchmal, die Stunden aufzustocken, weil sie das sowieso machen.

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