Alexandra Lehne war Profiseglerin, nahm an Weltmeisterschaften und Olympia teil. Später jettete sie als Produktionsleiterin für eine Modefirma um die Welt. Bis ihr mit 34 alles zu viel wurde, sie in Oxford Gartendesign studierte und ein Start-up gründete.
von Sandra Berthaler
Die Natur ist ihr Büro, Pflanzen sind ihre Kollegen und Baustellen die Konferenzräume. Alexandra Lehne ist Gartendesignerin, seit knapp 15 Jahren. In dieser Zeit betreute sie als Selbstständige und mit ihrem Unternehmen „Soulgarden“ über 800 Gartenprojekte weltweit. In der ZDF-Sendung „Duell der Gartenprofis“ erreichte sie seit 2017 ein Millionenpublikum. „Als ich letztens geflogen bin, sagte die Flugbegleiterin beim Aussteigen: ‚Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Frau Lehne. Ich liebe Ihre Gärten.‘ Das war so cool!“, schwärmt sie.
1975 in Berlin geboren, wuchs die Tochter zweier Sportlehrer im Süden der damals geteilten Stadt auf. „Mein Leben war und ist kunterbunt“, erzählt sie. „Ich bin ein bisschen wie Pippi Langstrumpf, immer offen und neugierig, und unsere Eltern haben mir und meinen Geschwistern ein Leben wie in Bullerbü ermöglicht.“ Von klein auf hat Alexandra eine starke Verbindung zu Natur und Tieren. „Ich hatte früh ein eigenes Pferd und bin jeden Tag nach der Schule in den Wald geritten, um dort meine Hausaufgaben zu machen.“ Im Schulgartenunterricht lernte sie alles über den Anbau und die Verarbeitung von Gemüse, zu Hause musste sie im Gemüsegarten ihrer Eltern mithelfen. „Es gab einen Monat nur Spargel, dann nur Pflaumen, dann nur Erdbeeren, und ich habe es gehasst“, erinnert sie sich. „Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie einen Garten haben möchte.“
Nach ihrem Abitur wollte Lehne eigentlich Töpferin werden, studierte dann aber doch Sportwissenschaften und Sportökonomie in Potsdam. Und plötzlich kam sie zum Profisegeln. „Das war ganz verrückt. Im Sommer 1998 hat mich eine Kommilitonin gefragt, ob ich schon mal gesegelt bin und ob ich Lust hätte, bei einer Regatta auf Mallorca mitzusegeln, weil ihre Vorschoterin abgesprungen sei. Und neugierig, wie ich bin, meinte ich: ‚Klar, ich bin zwar noch nie gesegelt, habe aber Zeit meines Lebens Leistungssport getrieben.‘ Am Ende kam heraus, dass es sich um die Weltmeisterschaft handelte.“ Zwei Wochen trainierte sie auf dem Wannsee, bevor es nach Mallorca ging. „Als ich ankam, stand der Bundestrainer vor mir und sagte: ‚Wer bitte bist du?‘ Ich sagte: ‚Die Alex von der Uni, ich segle hier mit.‘ Der hat einen Anfall bekommen und geschrien: ‚Wollt ihr mich verarschen?‘“ Aber wir waren gar nicht so schlecht. Wir sind auf Platz 54 oder 56 von 95 Teilnehmern gefahren.“
„Die Ente kackt hinten“
Der deutsche Kader nahm Alexandra und ihre Teamkollegin allerdings nicht gerade freundlich auf. „Das war eine eingeschworene Gruppe, und meine damalige Steuerfrau fanden sowieso alle ein bisschen bekloppt.“ Besonders deutlich wurde die Ablehnung, wenn der Wind nachließ. „Dann kommt in der Regel der Trainer, alle Boote dürfen sich anhängen, und er zieht sie in den Hafen. Doch uns haben sie nie mitgenommen – dafür durften wir uns bei den Italienern oder Griechen anhängen, die Mitleid mit uns hatten.“
Ein deutscher Kadertrainer aber gab Lehne einen Rat, den sie bis heute beherzigt. „Er sagte: ‚Alex, die Ente kackt hinten‘, also sinngemäß: Abgerechnet wird am Schluss.“ Die ehrgeizige Studentin gab alles, verbrachte 300 Tage im Jahr auf dem Wasser und segelte schließlich mit der damaligen Weltranglistenzweiten Nicola Birkner in der 470er olympischen Zweimannjolle. Mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem australischen Segler und zweifachen Olympia-Silbermedaillengewinner Darren Bundock, segelte sie auch im Tornado, in einer Segelbootsklasse, in der Frauen bis dahin gar nicht vertreten waren. Das Paar lebte sieben Jahre in Australien, flog aber die meiste Zeit für Regatten um die Welt, wurde australischer Meister und gewann die Pre-Olympics in Athen 2003. Doch richtig zufrieden war Lehne nicht. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich das Segeln nie geliebt. Ich hab’s nur gemacht, um zu beweisen, dass ich’s schaffe.“ 2005 beendete sie ihre Karriere als Profisportlerin, die Beziehung zu Bundock zerbrach, und sie zog zurück nach Deutschland, wo sie ihren späteren Ehemann kennenlernte.
Geld hatte sie mit dem Segeln ohnehin nie verdient. Um sich ihr Studium und ihr Leben zu finanzieren, hatte Lehne nebenher Digitalkameras verkauft und ab 2000 bei ihrem Sponsor Marienpool, einem Spezialisten für Wassersport- und Segelbekleidung, gearbeitet. 2005 stieg sie Vollzeit in die Modefirma ein, leitete mit dem Chef die Produktion, jettete um die Welt, organisierte Events und begleitete riesige Messen wie die „boot“ in Düsseldorf. „Ich habe das geliebt und sehr viel gelernt und gearbeitet, aber weniger verdient als die Putzfrau meines damaligen Verlobten. Also hab ich gekündigt“, erzählt Lehne, die sich damals oft unter Wert verkaufte.
Nach einem unerfüllten Jahr als Marketingleiterin bei Fujicolor Central Europe begann eine Findungsphase. „Ich erinnerte mich an meine Zeit in Australien, als ich den Pflanzen in meinem Garten zusehen konnte, wie sie teils über Nacht gewachsen sind, und wie sehr mich das berührt hat. So fand ich wieder Zugang zum Thema Garten und durchforstete das Internet nach Ausbildungen.“ Dabei stieß sie auf einen Studiengang am Oxford College of Garden Design. „Da hieß es: Komm für vier Tage, dann kannst du dich bewerben und für ein Jahr ein Studium machen. Nach diesen vier Tagen bin ich komplett transformiert zurückgekommen und wusste: Das ist es, was mich berührt.“
Lehne setzte alles auf eine Karte, löste ihren Bausparvertrag auf und zog nach Oxford, um Gartendesign und Landschaftsarchitektur zu studieren. Ganz Leistungssportlerin, gab sie auch im Studium wieder Vollgas. „Ich habe jeden Tag von acht Uhr morgens bis nachts um drei Uhr gelernt, gezeichnet und Projekte gemacht und mit Auszeichnung abgeschlossen.“ Nebenbei gewann sie mit einer Kollegin die Southport Flower Show – bereits schwanger mit ihrem ersten Kind.
Nach dem Studium zog Lehne mit ihrem Mann an den Starnberger See und wurde erneut schwanger. „Ich war schon selbstständig als Gartendesignerin, habe mein Geld aber mit Network-Marketing und als Pilates-Trainerin verdient. Pläne zeichnen mit zwei kleinen Kindern, die herumhampeln, geht nicht. Ich konnte mich nicht konzentrieren.“ Als Frederik vier Jahre alt war und Sophie drei, zerbrach Lehnes Ehe. „Danach hatte ich ein paar krasse Jahre“, sagt sie. „Ich habe meistens nachts gezeichnet und meine Projekte gemacht, weil die Kinder noch so klein waren. Geschlafen habe ich von zwei bis sechs Uhr. Völlig irre.“
Genug Geld kam trotzdem nicht rein. „Ich habe nie Rechnungen geschrieben, weil ich Rechnungen total Kacke finde, und mein Verhältnis zu Geld war auch nicht das beste“, gibt Lehne zu. „Meine Eltern haben immer so Sachen gesagt wie ‚Geld verdirbt den Charakter‘ oder ‚Die Kapitalisten beuten uns alle aus‘. Um diese negativen Glaubenssätze aufzulösen, musste ich viel Geld ausgeben“, verrät sie lachend. „Ich habe Coachings und Seminare besucht. Heute finde ich Geld wunderbar. Es ist für mich eine Form von Energie, die ich gerne verteile.“
Mit ihrer 2021 gegründeten Firma „Soulgarden“ ist Alexandra Lehne inzwischen sehr erfolgreich. „Wir sind jetzt bei einer Million Euro Jahresumsatz“, verrät sie stolz. Mit ihrem Team, zu dem auch drei Landschaftsarchitektinnen zählen, betreut sie jährlich bis zu 60 Gartenprojekte: von kleinen Privatgärten und städtischen Innenhöfen über exklusive Dachgärten bis hin zu parkähnlichen Anlagen und preisgekrönten Schaugärten. Die Nachfrage ist so groß, dass Soulgarden seine Projekte auswählen muss. „Der Drang nach Natur ist immens“, erklärt Lehne. „Doch ich weiß, wie schwierig es ist, sich einen Traumgarten anzulegen, der das ganze Jahr über toll aussieht, insektenfreundlich ist und Pflanzen hat, die man nicht viel pflegen muss. Darüber hinaus sehnen sich viele nach einem Garten, der sie im Innersten berührt und an etwas aus ihrer Kindheit erinnert. An Freiheit, Ferien und ein sorgenfreies Leben.“
So einen Garten zu planen erfordert sehr viel Erfahrung, Respekt und Fingerspitzengefühl. All das bringen Alexandra Lehne und ihr Team mit. Lehnes Fokus liegt auf der Entwurfs- und Pflanzplanung, doch auch Networking, Verkauf und die Betreuung von Baustellen machen ihr Spaß. „Für mich ist das mein Leben, es gibt mir Energie. Ich verbinde Menschen wieder mehr mit der Natur und damit auch mit ihrer Seele.“
Frauen beim Herzensberuf unterstützen
Eine Gartenplanung bei Soulgarden kostet ab 11.000 Euro. Da Lehne aber auch denjenigen zu einem schönen Garten verhelfen will, die sich das nicht leisten können, bietet sie auf ihrer Webseite (alexandralehne.com) Kurse an, angefangen beim kostenlosen Mini-Onlinekurs „Finde deinen Gartenstil“ über einen Gartendesignkurs im Selbststudium für 390 Euro bis zum viertägigen Intensivkurs direkt bei Soulgarden für 3330 Euro. Hier lernt man, seinen Garten mit Profiunterstützung selbst zu designen. Ab Mitte des Jahres will Lehne in ihrer Soulgarden Academy auch ausbilden. Es sind zwei Module geplant: ein Selbststudium, das unter 10.000 Euro kosten soll, und ein Intensivkurs mit direkter Betreuung durch Alexandra und ihr Team für etwa 25.000 Euro. „Dafür bekommt man die Chance, an Projekten teilzunehmen, also an realen Gärten zu arbeiten und sein erstes Geld zu verdienen. Und wer am Schluss zu uns passt, ist eingeladen, unter der Soulgarden-Flagge sein Business aufzuziehen. Wir unterstützen besonders Frauen dabei, ihren Weg zu gehen, selbstständig zu werden und ihren Herzensberuf zu finden!“
Und wovon träumt sie selbst noch? „Mein Ziel ist es, dass Menschen den Wert des eigenen Gartens bewusst wahrnehmen. Ein Garten lehrt uns, die Gesetze des Lebens zu verstehen, und kann so viel mehr als nur bunte Blümchen. Ich würde auch gern den Schulgartenunterricht wiederbeleben, Kindern beibringen, wie man Gemüse anbaut. Wenn man mit diesem Wissen aufwächst, ist es einfach in einem drin.“