Mit neuen Wäldern klimaschädliche Emissionen ausgleichen? Diese gängige Idee gerät schnell an Grenzen – sowohl ökonomisch als auch mit Blick auf die benötigte Fläche, wie eine im Fachblatt «Communications Earth & Environment» veröffentlichte Studie zeigt.
Um die Treibhausgase auszugleichen, die bei Verbrennung der verfügbaren Reserven der 200 führenden Kohle-, Öl- und Gaskonzerne ausgestoßen würden, müsste man demnach eine Fläche mit Wäldern bepflanzen, die größer als Nordamerika ist – also auch alle Flächen, wo heute Menschen leben, auf denen Landwirtschaft betrieben wird oder Infrastruktur gebaut ist.
«Es ist ein Gedankenexperiment», erläutert Mitautorin Nina L. Friggens von der Universität Exeter in einem Presse-Briefing. «Das ist in keinster Weise etwas, was wir vorschlagen umzusetzen. Es dient dazu, die Größe des Problems darzustellen.»
Abkehr von Kohle, Öl und Gas zwar beschlossen, aber nicht in Sicht
Die 200 größten Kohle-, Öl- und Gaskonzerne verfügen nach Angaben der Organisation Fossil Free Funds CU200 derzeit über 182 Gigatonnen Kohlenstoff, was bei der Verbrennung 673 Gigatonnen CO2-Äquivalenten entspräche – und damit weit mehr als mit den internationalen Klimazielen vereinbar. CO2-Äquivalente (CO2e) sind eine Maßeinheit, die dazu dient, die Klimawirkung verschiedener Treibhausgase einheitlich darzustellen und vergleichbar zu machen.
Eigentlich hat die Weltgemeinschaft auf der Klimakonferenz in Dubai 2023 die Abkehr von Kohle, Öl und Gas beschlossen. Die Studienautoren werten jedoch die Tatsache, dass die Unternehmen ihre fossilen Reserven weiterhin als Vermögenswerte ausweisen, als Beleg dafür, dass sie diese auch künftig weiter fördern wollen. Bisher gebe es wenig Anzeichen für eine Abkehr, heißt es in der Studie.
Selbst ein voll bepflanztes Nordamerika reicht nicht ganz aus
Würde man also ganz Nordamerika aufforsten, würde dies der Berechnung zufolge 590 Gigatonnen CO2 ausgleichen – also etwas weniger als die potenziell durch die Verbrennung der fossilen Reserven ausgestoßenen 673 Gigatonnen CO2-Äquivalente. Wollte man gar alle menschengemachten Emissionen aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas sowie Zement ausgleichen, müsste man mehr als die Hälfte der bewohnbaren Landesfläche mit Bäumen bepflanzen, heißt es weiter.
Das Team hat sich bei seinem Gedankenexperiment für die Methode der Aufforstung entschieden, weil diese zum einen die kostengünstigste Art der Kompensation ist und zum anderen häufig diskutiert wird oder den meisten Menschen als Erstes einfällt, wenn es um den Ausgleich von Emissionen geht. Gleichzeitig weisen die Autorinnen und Autoren aber darauf hin, dass Aufforstung auch keine alleinige Lösung mit Erfolgsgarantie ist: So können etwa Bäume bei Extremwetterereignissen zerstört werden oder die Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen kann schwanken.
Auch ökonomisch rechnet sich der Ausgleich nicht
Schon bei der vergleichsweise kostengünstigen Aufforstung fällt die wirtschaftliche Bilanz desaströs aus: Das Team hat ausgerechnet, dass die meisten auf Kohle, Öl und Gas setzenden Energiekonzerne eine negative Marktbewertung hätten, wenn die Kosten für den CO2-Ausgleich ihrer Reserven von ihrer aktuellen Bewertung abgezogen würde. Bei anderen, teureren Ausgleichsmethoden – etwa der Entnahme von CO2 aus der Luft – fiele diese Bilanz noch deutlich negativer für die Unternehmen aus.
Kurz gesagt sei es, wenn man diese Kosten einrechne, «ökonomisch billiger, die Förderung fossiler Brennstoffe zu beenden, als sie zu verbrennen und später zu kompensieren», schreibt das Team. (dpa/wr)