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Eine ungewöhnliche Karriere: Winzerin Eva Fricke

© EvaFricke
© EvaFricke
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Als Jugendliche wollte sie Bierbrauerin werden, doch dann entdeckte Eva Fricke ihre Leidenschaft für Wein. Sie stammt weder aus einer Winzerfamilie noch aus einem Weinbaugebiet. Sie ist geboren und aufgewachsen im ruhigen Oldenburger Land – mit Pferden und wohlbehütet von den Eltern, die beide Ärzte sind. Heute betreibt sie erfolgreich ihr eigenes Weingut im Rheingau und baut auf mittlerweile 18 Hektar Wein an.

Bevor Eva Fricke sich um ein eigenes Weingut bemühte, reiste sie viel durch die Welt, um in anderen Ländern mehr über die Weinkultur zu erfahren. Nach dem Weinbau-Studium sowie diversen Praktika im In- und Ausland arbeitete Eva zunächst für namhafte Betriebe, wie J.B. Becker in Walluf im Rheingau oder das Weingut Leitz, wo sie zuletzt als Betriebsleiterin tätig war. Während dieser Zeit legte sie den Grundstein für ein eigenes Weingut.

2006 bekam sie den Hinweis, dass in Lorch am Rhein ein Weinberg abgegeben wird, und pachtete die rund 1.000 Quadratmeter für zunächst zehn Jahre – noch eher als Hobby, aber doch schon mit dem ganz klaren Ziel, dort biologisch-nachhaltigen Weinbau zu betreiben.

15 Jahre später schaffte Eva das, was zuvor noch niemandem gelungen war. Gleich drei ihrer Weine wurden 2020 von zwei der wichtigsten Weinkritikern der Welt ausgezeichnet: Der US-Weinguru Robert Parker gab der „Lorcher Krone Riesling Trockenbeerenauslese“ 100 Punkte. In seiner mehr als 40-jährigen Kritiker-Geschichte war es das erste Mal, dass ein Wein aus dem Rheingau diese Top-Bewertung erhielt. Und der bekannte Weinexperte James Suckling vergab gleich zweimal 100 Punkte an Evas Weine: Zum einen ebenfalls für die Riesling Trockenbeerenauslese sowie zusätzlich für die „Lorcher Krone Riesling trocken“ aus dem Jahr 2019.

Evas Hauptrebsorte ist Riesling. Daneben bewirtschaftet sie auch eine kleine Parzelle mit Pinot Noir für ihren eigenen Schaumwein. Von Anfang an verzichtete sie auf Herbizide und Pestizide, und seit 2011 wird auf dem Weingut nach strengen ökologischen Richtlinien gearbeitet. Das Weingut ist EU-Bio-zertifiziert, bei „The Vegan Society“ registriert und verfolgt seit 2017 strikt die Regeln der biodynamischen Bewirtschaftung.

Im Courage-Interview erzählt sie über ihre ungewöhnliche Karriere, Frauen im Weinbau und was der Klimawandel für ihre Branche bedeutet.

Courage: Sie haben einen ungewöhnlichen Lebenslauf. Sie stammen nicht aus einer alteingesessenen Winzerfamilie, sondern aus einer Arztfamilie in Norddeutschland. Wie kommt man auf die Idee: Ein Weingut, das ist es, was ich will?

Eva Fricke: Angefangen hat es mit gelegentlichem Bierbrauen zuhause mit Freunden. Daraus wurde ein Praktikum bei Becks Bier. Etwas desillusioniert von dem großen industriellen Set-up hat sich diese Idee als Berufswunsch schnell wieder erledigt. Ein Praktikum auf einem Weingut an der Nahe bei Freunden meines Vaters in den Herbstferien und später eins in Südafrika haben mir dann Einblick in die Welt des Weines gegeben und mich sehr fasziniert.

Erst später im Ausland, in Spanien und Italien sowie Australien, aufgrund der Menschen, die ich dort kennenlernen durfte und die mich inspiriert haben, habe ich den Entschluss gefasst, eigenen Wein zu machen – nicht zuletzt, weil ich dort viel mehr kleine Betriebe und Garagenproduktionen, handcraftet und unkommerziell, gesehen habe.

Wie gelang der Schritt in die Selbständigkeit? Hatten Sie einen Investor im Rücken?

Ich habe das 1.000-Quadratmeter-Weingut zunächst als Hobby, abends nach der Arbeit und am Wochenende, und in den ersten sechs Jahren als Nebenerwerb aufgebaut. Ich habe alles aus meinem Gehalt bei Leitz finanziert.

Private Rücklagen, Familienunterstützung oder Finanziers gab es dabei nicht. Daher waren die ersten sechs Jahre sehr hart, und der Start war schwierig und langwierig. 2011 habe ich mich für die volle Selbständigkeit entschieden und betreibe mein Weingut seitdem in Vollzeit. Mit dem Umzug in neue Betriebsräume und einer Flächenerweiterung um 30 Prozent sowie den dazugehörigen Investitionen in technisches Equipment habe ich 2015 zwei Geschäftspartner aufgenommen, um die Weingutserweiterung zu finanzieren. 

Gönnen Ihnen die anderen, meist seit Generationen geführten Winzerbetriebe diesen Erfolg? Fühlen Sie sich als Außenseiterin?

Mittlerweile bin ich seit über 20 Jahren im Rheingau. Es gibt viele Supporter und viel Anerkennung, und dann gibt es immer die Menschen, die einem den Erfolg nicht gönnen. Allerdings sind das Menschen, die nie und nirgends einem anderen etwas gönnen; und die gibt es leider überall, daher würde ich das nicht speziell auf mich beziehen.

Ich fühle mich nicht als Außenseiterin, sondern als wichtiger Teil des Rheingaus. Viele Kollegen haben von meinem Erfolg profitiert, sei es durch gestiegene Landpreise für zuvor unbeachtete Lagen wie Krone und Seligmacher oder aufgrund der größeren Aufmerksamkeit für Bioanbau. Während ich anfangs für unsere Bio- und veganen Weine belächelt wurde, stellt gerade jeder Betrieb, der etwas auf sich hält, im Rheingau auf Bio um.

Einst war der Weinbau eine Männerdomäne. Aber inzwischen gibt es sehr viele erfolgreiche Winzerinnen. Hat die Gleichberechtigung Einzug in der Branche gehalten?

Ja, ich meine schon. Die Branche ist voller erfolgreicher, selbständig arbeitender Frauen. Macho- und Drohgehabe gibt es genauso wie Stutenbissigkeit.  Das hat aber oft eher mit einer schlechten Kinderstube und schlechtem Benehmen zu tun. Da ich beides erlebe, weigere ich mich, hier für eine Seite Partei zu ergreifen.

Ihr Betrieb ist auch Mitglied in der „Vegan Society“. Ich dachte, Wein sei immer vegan…

Das denken viele. Da aber bei den meisten Weingütern und Kellereien tierische Hilfsmittel wie z.B. Gelatine oder Eiweiß zur Klärung und geschmacklichen Harmonisierung hinzugegeben werden, sind die meisten Weine nicht vegan. Wir und auch viele andere Weingüter ersetzen diese tierischen durch pflanzliche Mittel.

Man liest immer wieder, dass der Klimawandel den Weinbau verändern wird. Macht sich das in Ihren Weinbergen bereits bemerkbar?

Der Klimawandel ist evident, und die Folgen sind katastrophal und noch nicht wirklich absehbar. Die vergangenen Jahre geben einen Vorgeschmack auf das, was uns im Worst Case durch die globale Erwärmung treffen wird. Dennoch versuche ich immer mit klarem Kopf im Hier und Jetzt zu agieren, anstatt mich verrückt machen zu lassen. Und auch im Klimawandel die Dinge nicht aus den Augen zu verlieren, die vielleicht besser oder einfacher geworden sind, wie z.B. der Pflanzenschutz oder der Weinausbau.

Ich beobachte das Klimageschehen sehr aufmerksam. Wir versuchen, statt panisch neue Wege zu gehen und alte Rieslinge rauszureißen, um Piwis (pilzwiderstandsfähige Reben, Anm. d. Red.) zu pflanzen, die heute schon nicht mehr resistent sind, eher zu verstehen, was unsere Reben jetzt brauchen, um gut im Klimawandel zu existieren. Die Rebe hat Jahrhunderte überlebt und passt sich bei richtiger Pflege auch zu einem gewissen Grad an.

Ich denke, wir werden immer besser. Ungeachtet der Trockenheit oder der jetzt z.B. massiven Regenfälle schaffen wir es jedes Jahr, unsere Reben bestmöglich zu unterstützen. Es fehlen keine Erträge, und die Qualitäten entwickeln sich ständig weiter.

Sie sagen, Wein ist ein Zeitzeuge, ein schützenswertes Kulturgut. Was meinen Sie damit?

Es gibt kaum etwas anderes Lebendiges, das Zeit so überdauert wie Wein und Rebstöcke. Unsere ältesten Rebstöcke sind aus den 1930er und -40ern, das ist bald ein Jahrhundert her. Ich finde es sehr interessant, wie sich Züchtungen geschmacklich angepasst haben, aber noch mehr z.B. wie ein Wein von 1893 schmeckt.

Mir wurde die wunderbare Gelegenheit zuteil, an einer Raritäten-Verkostung von Kloster Eberbach teilnehmen zu dürfen, um dort Weine von vor 1900 und zwischen 1900 und 1920 zu probieren. Diese Weine waren unglaublich lebendig und strahlten immer noch. Wenn ich so etwas probieren kann, erfüllt es mich mit tiefer Ehrfurcht vor dem Leben und unserem Beruf, vor der Natur und den Menschen, die in und mit ihr arbeiten. In dem Moment wird einem klar: Wir sind alle nur den Bruchteil einer Sekunde hier auf der Erde, alles was wir hier machen, wird irgendwann von irgendjemandem weitergeführt oder übernommen. Wir bewirtschaften das Land nur für eine kurze Zeit. Und für mich ergibt sich daraus die Maxime, dies bestmöglich zu erhalten und irgendwann weitergeben zu können, anstatt aufzubrauchen und die Natur zu schädigen. Zu dem historischen Erbe gehört meiner Meinung nach auch Geschmack als Kulturgut. Dieser entsteht aus alten Sorten, Originalböden, Klima und Kultivierungsweise der Reben.

Wie viele Flaschen verlassen Eltville pro Jahr mit einem Etikett von Eva Fricke? Und was erwartet uns beim Jahrgang 2024? Werden die Niederschläge eine Rolle spielen? Rechnen Sie mit weniger Ertrag?

Das kommt natürlich auf den Jahrgang an, aber im Durchschnitt produzieren wir ca. 80.000 Flaschen. Was uns beim Jahrgang 2024 erwartet, ist im Moment natürlich noch schwer zu sagen, da wir den Sommer noch nicht hinter uns haben. Derzeit sind wir aber mit der Entwicklung unserer Weinberge sehr zufrieden und meistern die schwierigen Wetterbedingungen aufgrund unseres hoch motivierten Teams sehr gut. Die Niederschläge sind allerdings auch gut für unsere Weinberge und die Natur, nach fünf Jahren extremer Trockenheit.

Ich bin sicher, dass wir dies in einem sehr entspannten, wohlgenährten und strahlenden Jahrgang 2024 wiederfinden werden. Mit weniger Ertrag rechnen wir zurzeit auf keinen Fall. Die Blüte ist gut verlaufen, ohne dass es zu heiß oder zu kalt war.

Welche Sorte empfehlen Sie Lesern, die sich erstmals Ihren Weinen nähern wollen?

Da empfehle ich unseren Kiedrich Riesling – feinfruchtiger Ortswein von Kiedricher Lagen, Noten von Kumquat, kandierten Orangen und Zitrusfrüchten.

Würden Sie auch Wein im Supermarkt kaufen? Auf was muss ich dabei achten, und wie viel muss ein guter Wein kosten?

Ich würde grundsätzlich immer zu Bio-Weinen greifen. Und vielleicht nicht zu den billigsten, sondern eher immer über fünf bis sechs Euro ausgeben. Die meisten Supermärkte haben derart hohe Wareneingangskontrollen, dass die Durchschnittsqualität im Supermarkt heutzutage sehr hoch ist.

Und wie wichtig ist ein passendes Glas beim Weingenuss?

Sehr wichtig, aber nicht kriegsentscheidend. Wichtig ist, dass Sie sich dort, wo sie gerade sind, wohl fühlen, gesund und bewusst genießen, lieber weniger, dafür etwas besser – im Sinne Ihrer eigenen Gesundheit.

Anmerkung der Redaktion: Wir verlosen fünf Weinpakete, zusammengestellt von Eva Fricke für Courage. Am besten gleich hier teilnehmen!

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