Einflussreich: Influencerinnen

Foto: @paulinakurka/Instagram
Paulina Kurka / Foto: @paulinakurka/Instagram

Mit Fotos, Storys und Reels Geld verdienen – das wünschen sich viele. Dabei ist das Leben von Lifestyle-Influencerinnen nicht immer so leicht und locker, wie es auf Social Media wirkt. Über Freuden und Fallstricke in einem Traumberuf.

Vor der Kamera zu stehen hat Paulina Kurka schon immer gefallen – und auch das Gefühl für Mode war ihr wohl schon in die Wiege gelegt. Früh schwärmte sie für stilvoll gekleidete Frauen wie Grace Kelly oder Brigitte Bardot. Was lag da näher, als sich während des Studium als Model was dazuzuverdienen?

Doch dass die heute 31-jährige inzwischen zu den Topverdienerinnen unter den deutschen Influencerinnen zählt, betont Kurka, „war gar nicht so geplant“. Ihre Modelagentur gab ihr vor acht Jahren den Tipp, ihr Profil bei Instagram einzustellen – und los ging’s. Die Zahl der Follower, also Nutzer – beziehungsweise hauptsächlich Nutzerinnen, die ihre Posts so gut fanden, dass sie ihren Account abonnierten – wuchs rasant. Heute ist sie bei 598.000 angelangt, promotet Parfüm, Accessoires und Mode – und reist dafür einen Großteil ihrer Zeit um die Welt.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Oder? Und klar, das ist es auch, wie nicht nur Kurka schwärmt. Die Flensburgerin Ula Fynsk, 57, und die Münchnerin Tanja Seidl, 55, beide zudem als Multiplikatoren oder Content Creators, wie Influencer auch genannt werden, unterwegs, sehen das genauso. Zumal ihr Aufstieg fast noch traumhafter verlief.

Die ehemalige Flugbegleiterin Tanja Seidl wurde von ihren Bekannten schon immer für ihren Geschmack gelobt und begann daher rein aus Spaß damit, Outfits ins Netz zu stellen. Dann kamen erste Anfragen von außen, ob sie nicht das eine oder andere Accessoire in ihre Posts aufnehmen wolle. Seit 2018 hat sie sogar eine eigene Produktlinie: Zunächst waren es Röcke, „schon immer ein Steckenpferd von mir“, doch schon bald folgten Blusen, Kleider, Hosen und mehr.

Auch Ula Fynsk begann eher spielerisch, zunächst mit Low-Carb-Rezepten und Spiegel-Selfies. Heute konzentriert auch sie sich überwiegend auf Mode, spricht dabei gezielt Frauen ab 40 an, zählt fast eine Million Follower – und sagt im Brustton der Überzeugung: „Ich bin glücklich.“

Trotz aller Freude am eigenen Job: Die drei betonen auch, so leicht und locker, wie es von außen vielleicht erscheinen mag, ist das Leben als Influencerin nicht. Denn es besteht keineswegs nur aus Modeln, Fotografieren und Reisen, sondern zum größeren Teil aus administrativen und Management- aufgaben. Um überhaupt alles schaffen zu können, so schildert es Fynsk, stehe sie um sechs Uhr morgens auf, „und vor 22 Uhr ist selten Schluss“.

„Viele können sich nicht vorstellen“, weiß auch Kurka, „was jenseits der Kamera passiert.“ Schließlich will der Content geplant, erstellt und dokumentiert werden. Das fängt beim Entwickeln des Plots an und hört bei Bildauswahl und Schnitt noch nicht auf. Dazwischen heißt es: Requisiten einkaufen, die richtigen Kulissen finden oder mit Auftraggebern verhandeln.

Wer sich entscheidet, als Influencerin auskömmliches Geld zu verdienen, „der ist weit entfernt von einem Nine-to-five-Job“. So beschreibt es auch Max Borovac, Geschäftsführer von Ascent Media, einer Marketing- agentur, die Unternehmen darin unterstützt, durch Influencer Reichweite und Umsatz zu vergrößern. Zumal die meisten nicht nur auf dem bekanntesten Influencer-Kanal Instagram unterwegs sind, sondern beispielsweise auch auf Youtube, Tiktok oder Facebook.

Oder sie betreiben zusätzlich einen eigenen Blog oder Onlineshop wie Tanja Seidl, die darüber ihre eigene Kollektion verkauft. Was zusätzlich zu allem anderen bedeutet: die Produktion betreuen, Bestellungen abwickeln, Pakete zur Post bringen, Retouren bearbeiten.

Doch egal wie das Konzept auch aussieht: Letztlich, stellt Borovac klar, sind alle erfolgreichen Meinungsmacherinnen kleine Unternehmen, die in den sozialen Netzwerken Produkte vermarkten. Was im Klartext bedeutet: Ohne betriebswirtschaftliches Know-how und ein stimmiges Konzept geht es nicht.

Die wichtigste Währung dabei: Authentizität. Wobei die Herangehens- und Erzählweisen durchaus sehr unterschiedlich sein können. Während sich die einen eng im Rahmen ihrer Produkte oder Empfehlungen bewegen, erlauben andere wie die 38-jährige Saskia (sie verrät ihren Followern ihren vollen Namen nicht) ihren Followern tiefere Einblicke in ihren Alltag.

Bevor sie es selbst versuchte und Schminkvideos ins Netz stellte, war die ehemalige Flugbegleiterin Konsumentin und ließ sich im Netz inspirieren. Während ihrer ersten Schwangerschaft vor knapp zehn Jahren merkte sie jedoch, dass auch das ein Thema für ihre Abonnenten war. Zuerst entwickelte sie dazu einen eigenen Blog – und entschied sich schließlich, allgemein mehr aus ihrem Alltag zu erzählen. Sie nahm ihre Abonnenten mit in die Kinderwunschklinik oder zum Frauenarzt – was damals ziemlich ungewöhnlich war –, ließ sie teilhaben an ihrer zweiten Schwangerschaft und auch an den damit verbundenen Problemen. Eine Entscheidung, die gut ankam. Heute hat Saskia 670.000. Follower.

Es ist allerdings nicht allein die Anzahl an Followern, die Multiplikatoren für Unternehmen interessant macht, so Borovac. Immer wichtiger wird auch die sogenannte Engagement Rate. Sie sagt aus, wie viele Fans tatsächlich aktiv sind, also liken, kommentieren oder teilen. Stimmt die, lassen sich auch mit weniger Followern gute Geschäfte machen, wie Tanja Seidl beweist, die mit 197.000 Followern zu den Mid-Tier-Influencern gehört. Sogar sogenannte Nano-Influencer, die je nach Definition zwischen 1000 und 10.000 Follower zählen, aber interessante Nischen bedienen, können in bestimmten Branchen interessant sein. Manche Marketingexperten prophezeien sogar gerade den Kleinen eine gute Zukunft.

Entscheidend ist, Followern die Möglichkeit zu geben, sich mit der Erzählenden zu identifizieren und mit ihr zu kommunizieren, so Luana Theodoro da Silva – was den ohnehin enormen Zeiteinsatz nochmals vergrößert.

Luana Silva, wie sie im Netz heißt, kennt die Branche aus mehreren Blickwinkeln. Die heute 34-Jährige ist nicht nur selbst schon seit 2012 aktiv, sie war 2016 zudem Mitgründerin einer der ersten deutschen Influencer-Marketingagenturen, des Göttinger Unternehmens Lookfamed, betreute also auch andere Markenbotschafter. Und anders als die meisten ging sie ihr Onlinebusiness nicht rein aus Spaß an. Sie hatte sich in ihrem BWL-Studium mit dem Thema Social Media beschäftigt.

Damals, erzählt sie, gab es zwar schon Onlinemulti­plikatoren, hauptsächlich auf Youtube, „dennoch war das The­ma bei Weitem nicht so bekannt wie heute“. Vor allem Insta­gram war Neuland. Und was sie damals brennend interessier­te, war die Frage, ob es möglich wäre, strategisch Reichwei­te aufzubauen.

Es war möglich, wie sie schnell feststellte. Geld verdienen ließ sich damit allerdings noch kaum, aber das war zunächst auch gar nicht ihr Ziel. So hatte sie schon 100.000 Follower, als sie ihr erstes Werbeprodukt zugeschickt bekam, einen Bi­kini. Wobei die Zeit, die es braucht, um als Influencerin ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften zu können, laut Luana Silva „auch heute noch unterschätzt wird“.

Ebenso die Tatsache, dass ein gutes Business auch Investi­tionen in Equipment wie eine hochwertige Kamera und Man­ power braucht. Und immer „volatil bleibt“, wie Paulina Kurka klarstellt. Für sie war es daher eine Selbstverständlichkeit, trotz schneller Erfolge ihr Studium zu beenden. So sieht es auch Luana Silva: „Ein Plan B ist wichtig.“ Gleichzeitig betont sie jedoch, dass sich der Einstieg nach wie vor lohnen kann. „Es gibt im­mer noch neue Accounts, die schnell wachsen.“ Entscheidend ist, ein Thema zu finden, das einen selbst interessiert. Oder, wie Ula Fynsk es bildlich ausdrückt, „für das man brennt“.

Ansonsten gilt: sich gut informieren und im Zweifel rechtzeitig professionelle Hilfe holen. Zum einen weil es ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle und Ver­dienstmöglichkeiten, die verhandelt werden wollen. Zum andern weil nicht nur neue Influencerinnen, son­dern auch immer mehr Unternehmen den Markt für sich ent­decken. 2023 flossen weltweit mehr als 20 Milliarden US­-Dol­lar in Influencer-­Marketing. Seit Jahren steigt auch das Interes­se deutscher Firmen kontinuierlich. Laut Statista planten Mitte desselben Jahres 78 Prozent deutscher Marketingabteilungen, ihr Budget für Influencer-­Marketing zu erhöhen.

Für die einzelne Influencerin ist das nur teilweise eine gu­te Nachricht. Denn mehr Nachfrage von Firmen macht es auch schwerer, die richtigen Partner auszuwählen und der eigenen Geschichte treu zu bleiben. Etwa 95 Prozent der Anfragen müs­se sie ablehnen, so Ula Fynsk. Viel Zeit, die für andere Dinge gebraucht wird, spart da, wer eine Agentur für die Vorauswahl hat.

Denn mit der größeren Nachfrage steigt auch der Anspruch an die Influencer­-Werbung. Vor ein paar Jahren mochte es noch gereicht haben, dreimal die Woche ein gutes Bild hochzula­den, um für Firmen interessant zu sein. Heute müssen In­fluencerinnen nicht nur top gepflegte Profile haben, son­dern diese auch konstant aktuell halten. Reels und aufwen­dig produzierte Videos sind gefragt – und zwar jeden Tag. „Egal ob man dann gerade in Frankfurt im Büro ist oder auf Mauritius“, wie Kurka betont.

Wer in diesem Markt auf Dauer erfolgreich sein will, so berichtet auch Saskia, braucht folglich nicht nur viel Disziplin und Durchhaltevermö­gen: „Influencerinnen müssen bereit sein, sich ständig neu zu erfinden.“ Gleichzeitig aber müssen sie auch lernen, dem Druck von außen zu widerstehen. Sie selbst trennte sich des­ halb vor ein paar Jahren von einer Agentur, die sie so erfolg­reich vermarktete, dass sie fast ihre Familie darüber vergaß.

Erst die Frage ihrer Mutter, ob ihr aufgefallen sei, dass sie ihr Kind heute noch nicht einmal auf den Arm genom­men hatte, brachte sie zurück ins reale Leben. Inzwischen bestimmt Saskia, die im Sommer an Brustkrebs erkrankte und auch hierüber mit ihren Abonnenten kommuniziert, den Rhythmus selbst.

Die Gefahr, sich selbst zu verlieren, besteht durchaus, so sieht es auch Luana Silva. „Es ist schwierig, den Kopf abzuschalten.“ Vor allem wenn es gerade richtig gut läuft. Und wer wie sie praktisch gerade aus dem Jugendzimmer ausgezogen war und sich dann bei den Filmfestspielen in Cannes wiederfand, „muss auch aufpassen, die Bodenhaftung nicht zu verlieren“. Auch Silva, inzwischen zweimal Mutter geworden und mit der Familie in die Schweiz umgezogen, hat ihr Business etwas zurückgefahren. Wenn auch nur vorübergehend.

Denn grundsätzlich, darin ist sie sich mit allen einig, haben Influencerinnen einen Job, der zwar viel Einsatz fordert, der aber auch viel Freiraum lässt. Oder wie Tanja Seidl es formuliert, der trotz allem Stress eben doch „unfassbar viel Spaß macht“.

Foto: Paulina Kurka

Paulina Kurka (31) promotet Parfüms, Accessoires und Mode auf ihrem Instagram-Account. Sie gehört zu den Top-Verdienerinnen unter den deutschen Influencerinnen. 

(Foto: @paulinakurka/instagram)

Foto: Ula Fynsk

Ula Fynsk (57) konzentriert sich auf ihrem Insta-Profil auf Mode für Frauen ab 40. Begonnen hat sie eher spielerisch, mit Low-Carb-Rezepten.

(Foto: @blog4over40/Instagram)

Foto: Saskia

Saskia (38) spricht auf ihrem Profil auch persönliche Themen an wie Kinderwunsch, Schwangerschaft und ihre Brustkrebserkrankung. 

(Foto: @saskiasfamilyblog/instagram)

Foto: Luana

Luana Silva (34) ist Fashion- & Lifestyle-Influencerin, hat BWL studiert und die Influencer-Marketingagentur Lookfamed mitgegründet. 

(Foto: @Luanasilva/instagram)

Foto: Tanja Seidl

Tanja Seidl (55) ist Mode-Influencerin und hat ihre eigene Produktlinie mit Röcken, Blusen, Kleidern, Hosen und mehr. 

(Foto: @tt_stories/instagram)

Diesen Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Anzeige

Jetzt neu

Sie hat eine Achterbahnfahrt hinter sich – beruflich und mental. Ein Interview mit Sophia Thiel über Körpergefühl, Kalorien und Kapitalanlagen.