Gemalte Weintrauben, nach denen echte Vögel picken. Oder barocke Deckengemälde, die Kuppelgewölbe vortäuschen: Trompe-l’œil bedeutet „Augentäuschung“ und bezeichnet eine illusionistische Kunst, die die Wahrnehmung herausfordert und dazu einlädt, über das Verhältnis zur Wirklichkeit nachzudenken.
Die Illusionsmalerei nutzte auch die katholische Kirche zur Zeit der Gegenreformation. Viele barocke Kirchen zeugen davon: Trompe-l’œil-Effekte lassen simple Decken als gewaltige Kuppeln erscheinen, wie zum Beispiel in der Wiener Jesuitenkirche. Oder sie schaffen visuelle Direktverbindungen zum göttlichen Himmelreich wie das Deckenfresko von Andrea Pozzo in der römischen Kirche Sant’Ignazio.
Mittlerweile gehört das Trompe-l’œil über die Welt der Kunst hinaus zum Alltag. Virtual Reality, Fake News, mit Filtern geschönte Fotos – visuelle Täuschungsmanöver aller Art fordern dazu auf, genau hinzuschauen. Was ist real? Und was ist nur eine Täuschung der Sinne?
Keine visuelle Falle oder optische Täuschung war die Finissage der Ausstellung „trompe l’œil“ von Kunsthistorikerin Sonja Lechner in den Büroräumlichkeiten ihrer Firma Kunstkonnex am vergangenen Wochenende: Die Finissage bot zugleich den Anlass, auf das neue Jahr anzustossen. Gute Wünsche wurden überbracht, in Begleitung von Speis und Trank, ummantelt von der Hoffnung auf ein glückliches neues Jahr.
Und Neues gab es reichlich zu sehen, interpretierten doch fünf junge Künstlerinnen und Künstler das Thema Augentäuschung auf gänzlich unterschiedliche Weise. Das Begehren, mit künstlerischen Mitteln die Augen der Betrachter zu täuschen, bewegt Künstler bereits seit der Antike. Schon Plinius der Ältere berichtete von einem Wettstreit der antiken Maler Zeuxis und Parrhasios: Dem einen gelang es, Weintrauben so naturgetreu zu malen, dass leibhaftige Vögel danach pickten. Der andere malte einen Vorhang, den die Betrachter zur Seite ziehen wollten, weil sie ihn für echt hielten. Aus Pompeij sind illusionistische Wandmalereien erhalten, seit der Renaissance übertrafen sich die Künstler mit gemalter Scheinbarkeit: Stillleben, die aussahen, als beherbergten sie reale Früchte, Architekturen, die den Raum weiteten, Deckengewölbe in Kirchen, die sich in den Himmel öffneten, Kleinodien, die aus dem Bild zu ragen schienen – die Palette der Kunstfertigkeit des Trompe l’oeil war über die Jahrhunderte groß.
Doch wie sieht es mit der Augentäuschung in der jungen Gegenwartskunst aus? Während Jungmin Park aus Südkorea Augenwischerei mit malerischen Mittel betreibt, indem sie die Welt verwischt malt, so wie sie erblickt wird, wenn Regen auf eine Scheibe tropft, erschafft Sebastian Herzau einen Schleier aus Öl auf Leinwand, durch den die Betrachter auf das Dargestellte blicken, auf Blumenstilleben oder Porträts. Abstrakt hingegen nähern sich die serbische Künstlerin Ana Pusica und der Südtiroler Andreas Zagler dem Thema: Pusica malt Farbexplosionen, die in der Abstraktion Figurales erahnen lassen – Zagler hingegen schafft mit malerischen Mitteln dreidimensionale Räume, auf denen Farbflecken einer ersten Ebene Schatten auf die zweite zu werfen scheinen. Die Plastiken der jungen Londoner Absolventin Ronja Berg hingegen vollziehen die Augentäuschung dahingehend, als dass sie auf den ersten Blick natürliche Formen wiederzugeben vorgeben, bevor auf den zweiten Blick erkennbar wird, dass diese aus Kunststoff geformt sind.


Fotos: Jungmin Park vor ihren Werken, © Kunstkonnex


Fotos: Dr. Sonja Lechner und Miriam Reitmeier (La Mer), © Kunstkonnex
Sonja Friedl, die mit ihrer Firma Panta rhei das Catering beisteuerte, war von Jungmin Park begeistert: „Sie hat ihre Augentäuschungen ja sogar bis nach Saudi-Arabien verkauft!“ Dort hatte auch Ana Pusica 2023 bereits eine Einzelausstellung.
Keine optische Täuschung waren die roten Punkte auf den Werken der KünstlerInnen, die zahlreiche Verkäufe signalisierten. Und auch die Neujahrspräsente für die Gäste von La Mer waren real – eine Handcreme gegen raue Winterhände.


Foto links: Sabine Eckhardt, Dr. Sonja Lechner, Sabine Eichbauer, Foto rechts: Nathalie Ziegler, Sophie Thiäner (BR) © Kunstkonnex


Foto links: Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich, Barbara Roggermaier, Josef Roggermaier, Julia Lehmann, Stefan Lehmann, Foto rechts: Dr. Patricia Ogilvie und Künstlerin Ana Pusica vor ihrem Bild. © Kunstkonnex