München (dpa) – Mit seiner Musik wurde Howard Carpendale berühmt. Songs wie «Hello Again» oder «Deine Spuren im Sand» begeisterten. Ein Leben in Ruhm und Glanz? In seiner Autobiografie «Unerwartet» schreibt der Sänger über seine Erfolge, aber auch über tiefe Krisen. «Keiner geht durch 80 Jahre ohne dunkle Flecken, das ist ein Teil des Lebens von Drogensucht bis Depression», sagte Carpendale der Deutschen Presse-Agentur in München, wo er in der Nähe wohnt. «Gerade bei prominenten Leuten kommt das öfter vor.»
Das Buch erscheint wenige Wochen vor Carpendales 80. Geburtstag, den er am 8. Januar feiert. Wenn er zurückblicke, sehe er auch Momente, die er bereue, resümiert darin der Sänger, der im südafrikanischen Durban aufwuchs. «Zugleich finde ich es zutiefst menschlich, Fehler zu machen.»
Missbrauch in der Kindheit
Zu Beginn des Buches sind es nicht seine Fehler, die schockieren. Zehn Jahre ist Carpendale alt, als ein Bekannter des Vaters zu Besuch kommt. Archie wirkt auf den Jungen «breit wie eine Wand», mit «Beinen und Armen wie Säulen» und Händen wie Schaufeln. Er will mit Howard ins Kino – die Eltern stimmen zu. Was das Kind auf dem Heimweg im dunklen Park erlebt, brennt sich ins Gedächtnis ein.
Archie habe sich mit ihm auf eine Bank gesetzt, sein Knie getätschelt und ihn dann am Bein angefasst, «immer höher», wie der 79-Jährige schreibt. «Ich erstarre. Ich weiß nicht, was ich tun soll.» Bei zwei weiteren Spaziergängen spielt sich Ähnliches ab. Carpendales Eltern reagieren ratlos und schweigen.
Das Leben als «cooler, großer Spaß»
Auch sonst hat Carpendale es nicht immer leicht. Die Familie hat Geldprobleme und zieht öfter um. «Trotzdem sind die Jahre meiner Kindheit und Jugend für mich ein einziger nicht endender Traum», schreibt Carpendale, der neben seiner Begeisterung für Sport wie Rugby oder Kugelstoßen auch das Musik- und Partymachen entdeckt. «Mein Leben ist Rock’n’Roll. Ein cooler, großer Spaß», notiert er über seine Schulzeit.
«Rassismus ist eine böse Saat»
Über die Apartheid in Südafrika schreibt er: «Ich wuchs in eine Welt hinein, in der es normal war, Menschen in Schwarz und Weiß, in Menschen erster und zweiter Klasse einzuteilen. Und in der Menschen zweiter Klasse weniger Rechte hatten, einfach weil sie, wie man heute sagt, People of Colour waren.»
Während des Wehrdienstes wird er einmal abkommandiert, um gegen Demonstrierende vorzugehen, vorwiegend Schwarze, die gegen Unterdrückung und für ihre Rechte auf die Straße gehen. Notfalls soll er schießen, ein Befehl, der Unverständnis bei ihm hervorruft.
«Dann merke ich, dass da doch ein Gefühl in mir ist, es schwelt unter der Starre, tief in mir – Wut. Ich hatte mit Schwarzen noch nie ein Problem», notiert Carpendale. «Im Gegenteil, ich habe schon so manchem Weißen gewünscht, er hätte die Entspanntheit, den Humor, die Leichtigkeit der Zulu.» Sein Fazit: «Rassismus ist eine böse Saat.»
Wilde Jahre in seinen Zwanzigern
Mit 19 Jahren wird ihm seine Heimat zu eng und er bricht auf. Auch, um Musik zu machen, erst nach London, die Stadt der Beatles und der Rolling Stones, dann irgendwann nach Deutschland. Dort nimmt seine Karriere Fahrt auf. 1966 nimmt er seine erste Single auf, «Lebenslänglich» bei Electrola. Im Buch gibt es Auszüge aus einer Pressemitteilung, in der es heißt, er sei «empfänglich für den Anblick netter Mädchen – wobei diese nicht minder begeistert sind, ihn zu sehen».
Howard, der Frauenschwarm – lebte er diesen Ruf auch aus? «Auch, wenn ich sexuell aktiv war und in meinen Zwanzigern ein paar wilde Jahre hatte, war ich die meiste Zeit meines Lebens ein treuer Mann mit wenig Interesse an One-Night-Stands», bekennt der Sänger in dem Buch, in dem er auch über seine Beziehungen schreibt. Etwa über seine Ehe zu Claudia, mit der er auch einen Sohn hat, den Schauspieler Wayne Carpendale. Später trennen sie sich, bleiben aber Freunde.
Die verzweifelte Suche nach vollen Flaschen
Dann lernt er Donnice kennen, mit der er 1989 den Sohn Cass bekommt und 1991 in die USA zieht. Für ihre Liebe findet er eindrückliche Worte, ist sie doch auch geprägt von Verzweiflung und Angst. Denn seine Partnerin kämpft mit einem Alkoholproblem. «Wenn ich nach Hause komme, ist Donnice meist betrunken und schläft», hält er fest. Sie trennen sich, er hofft auf Rückkehr, sie versöhnen sich, doch dann kehrt die Sucht zurück.
«Wie ich es hasse, nach vollen Flaschen zu suchen, und egal, wie viele ich finde, ich weiß immer, dass ich nicht alle gefunden habe, dass es versteckte Vorräte gibt», notiert er. Und er hat Schuldgefühle, hatte er doch eine Affäre, die er ihr gestanden hat. Er verliert Geld durch schlechte Investitionen, spielt Online-Poker, «Runde für Runde», und gerät immer tiefer in die Depression. Letztlich ist es sein Sohn Wayne, der ihn rettet und nach Deutschland in eine Klinik bringt, wo Carpendale wieder zu sich findet.
«Ich hasse King Alcohol»
Und dann endlich ein Lichtblick: Donnice wird trocken. Doch die Gefahr ist immer präsent. «Wir leben in einer Gesellschaft, die das Kiffen verteufelt, aber den Alkohol verharmlost», beklagt Carpendale. «In jedem noch so kleinen Supermarkt stehen die Regale voller Flaschen, die schreien: Kauf mich, kauf mich, kauf mich! Ich hasse es. Ich hasse King Alcohol.»
Eine tiefe, stille Liebe
2018 heiraten Howard und Donnice. «Es ist eine tiefe, stille Liebe, die uns verbindet. Wir sind Mann und Frau, und wir sind Seelenverwandte», gesteht er. Das Leben sei so leicht und harmonisch und sie lachten über Alltägliches. «Sie ist der Mensch meines Lebens.»



