Faeser zu Solingen-Attentat: Keine Versäumnisse beim BAMF

Die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) steht im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zum Terror-Anschlag von Solingen Rede und Antwort.
Die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) steht im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zum Terror-Anschlag von Solingen Rede und Antwort. Foto: Oliver Berg/dpa
Im Sommer 2024 erschüttert ein tödlicher Messerangriff auf drei Besucher eines Solinger Stadtfestes Deutschland. Wie hat die damalige Bundesinnenministerin Faeser auf den Anschlag reagiert?

Beim Asylverfahren des tatverdächtigen Solinger Messerattentäters Issa Al H. hat es nach Aussage von Ex-Innenministerin Nancy Faeser keine Versäumnisse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gegeben. «Anhand der vorliegenden Informationen sind keine Verfahrensfehler beim BAMF ersichtlich», sagte die SPD-Politikerin als Zeugin im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag.

Bis zur Tat am 23. August vergangenen Jahres sei der Tatverdächtige beim Sicherheitsreferat des BAMF unbekannt gewesen. «Die Asyl-Vita zeigt keine Unregelmäßigkeiten», sagte die Politikerin in Düsseldorf. Auch dem Bundeskriminalamt hätten keine allgemeinen polizeilichen oder staatsschutzrelevanten Erkenntnisse zu der Person vorgelegen – ebenso wenig dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Blutiger Anschlag mit IS-Hintergrund

Bei dem Anschlag hatte ein Messer-Angreifer auf dem «Festival der Vielfalt» zur 650-Jahr-Feier der Stadt drei Besucher erstochen. Mutmaßlicher islamistischer Attentäter ist ein 27-jähriger Syrer, der seither in Untersuchungshaft sitzt. Der IS reklamierte den Anschlag für sich.

Der Untersuchungsausschuss untersucht mögliche Versäumnisse und Fehler der Landesregierung, aber auch strukturelle Defizite bei Abschiebungen und Rückführungen in andere EU-Länder. Unter anderem geht es um die Frage, warum die lange vor der Tat angesetzte Rücküberstellung von Issa Al H. nach Bulgarien gescheitert war.

Abgelehnter Asylbewerber war nicht greifbar

Faeser schilderte die Abläufe. Demnach hatte das BAMF ordnungsgemäß ein Überstellungsersuchen an Bulgarien gestellt, das ursprünglich für das Asylverfahren zuständig war. Nachdem Bulgarien zugestimmt hatte, habe das BAMF den Asylantrag als unzulässig abgelehnt, berichtete Faeser.

Die zuständige Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Bielefeld habe einen unangekündigten Überstellungsversuch unternommen, Issa Al H. an dem Tag jedoch nicht angetroffen. Weitere Überstellungsversuche durch die ZAB habe es nach ihrem Kenntnisstand nicht gegeben, sagte Faeser.

Schlupflöcher im System

Wenn jemand einmal – ohne Ankündigung – nicht in der Unterkunft angetroffen werde, gelte das nicht als Flüchtigsein im Sinne der europäischen Dublin-III-Verordnung ist, erläuterte die Ex-Ministerin. Daher habe die Überstellungsfrist nicht, wie ansonsten üblich, auf 18 Monate verlängert werden können.

«Die Überstellungsfrist nach Bulgarien endete am 20.8.2023», stellte Faeser fest. «Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ging somit an Deutschland über.»

Issa Al H. habe in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe sich dem Wehrdienst in Syrien entzogen und habe zudem seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern wollen. «Die Asylentscheidung des BAMF entspricht der damaligen Entscheidungspraxis zum Herkunftsland Syrien», sagte Faeser.

Solingen-Anschlag war Anlass für Sicherheitspaket

Infolge des Solinger Terroranschlags habe sich die vorherige Bundesregierung in Rekordzeit auf ein Sicherheitspaket mit weitreichenden Maßnahmen verständigt, um die Bevölkerung besser zu schützen, betonte Faeser. Vieles sei schon vorher angestoßen worden.

Zu den Maßnahmen zählten Waffenrechtsverschärfungen, neue Messerverbotszonen und eine Reihe von aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, um Straftäter leichter und schneller abschieben zu können. Inzwischen könnten die Behörden vor Rücküberstellungen auch alle Räume einer Asylbewerberunterkunft nach den Betroffenen durchsuchen lassen.

Viel Nachbesserungsbedarf in Europa

Tatsache sei, dass es im Zusammenhang mit der Verteilung und Rücküberführung von Asylbewerbern dennoch viele Fehler im System gebe, sagte Faeser. Viele Länder, die nach den europäischen Regeln («Dublin-Verfahren») Flüchtlinge zurücknehmen müssten, verweigerten dies oder bauten sehr restriktive Bedingungen auf – etwa mit sehr geringen wöchentlichen Quoten, engen Zeitfenstern und Ähnlichem.

Faser war am Tag nach der Tat nach Solingen gefahren, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen. «Zwar kann es in einer freiheitlichen Demokratie nie hundertprozentige Sicherheit geben, aber seien Sie versichert, es wurden und werden alle uns rechtlich zur Verfügung stehende Möglichkeiten ausgeschöpft, Terroranschläge zu verhindern», unterstrich die Politikerin.

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