„Frauen führen oft mit mehr Empathie“

Anne Michels, Foto: Microsoft
Anne Michels, Foto: Microsoft
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Anne Michels ist COO beim IT-Unternehmen Kyndryl Deutschland und verfügt über jede Menge Erfahrung in der Branche. Im Interview mit Courage spricht die neue Generation-CEO-Netzwerkerin über die Führungsqualitäten von Frauen und ihre eigene Work-Family-Balance.

Courage hat bereits hier über das Netzwerk Generation CEO e.V. und den Auswahlprozess berichtet. In den kommenden Wochen stellen wir Euch alle 13 Top-Managerinnen in einer Serie vor – jeweils am Freitag!

Courage: Das Zukunftsinstitut schreibt: „Frauen sind die heimlichen Gewinnerinnen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008 begann. Die Kurse von Aktiengesellschaften mit Frauen im Vorstand brachen laut einer Studie von Credit Suisse nicht so stark ein und erholten sich vor allem viel schneller, während die Kurse rein männergeführter Aktiengesellschaften noch im Dezember 2011 auf dem Niveau von 2009 verharrten.“ Warum ist das so?

Anne Michels: Ich glaube, dies hat mehrere Gründe. Zum einen bringen weibliche Führungskräfte andere Perspektiven ein als ihre männlichen Kollegen. Frauen neigen dazu, Entscheidungen ganzheitlicher zu betrachten, indem sie sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen berücksichtigen. Dies erlaubt es gemischten Führungsteams, sich in Krisensituationen besser anzupassen, strategischer zu agieren und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Zudem führen Frauen oft mit mehr Empathie, was in Krisenzeiten einen wesentlichen Unterschied machen kann. Denn Krisen belasten auch die Mitarbeitenden, die sich um ihre Arbeit und Zukunft sorgen. Ein empathischer Führungsstil kann einem Unternehmen helfen, die Motivation der Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten.

Sobald Kinder im Spiel sind, scheint es für viele Frauen mit den Karrierechancen vorbei zu sein. Ein Grund hierfür ist, dass die Verantwortung für die Kindererziehung bei der Frau – und nur bei ihr – gesehen wird. Und dass es deshalb fast immer sie ist, die sich um die Kinder kümmert. Ist das eine deutsche Besonderheit?

Dieses Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt. Traditionelle Rollenbilder und gesellschaftliche Erwartungen tragen weltweit dazu bei, dass Frauen nach wie vor primär für die Kindererziehung verantwortlich sind. Oft hat dies auch finanzielle Gründe. In der Generation meiner Eltern beispielsweise war der Mann meist der Besserverdiener. Daher war für meine Eltern klar: Meine Mutter blieb zuhause bei den Kindern. Aber heutzutage ist auch ein anderes Modell möglich. Mein Mann und ich sind das beste Beispiel: Für uns ist Kindererziehung Paarsache. Wir leben 50/50 Parenting. Mein Mann hat von Tag 1 an Windeln gewechselt, ist nachts aufgestanden und bleibt heute genauso selbstverständlich wie ich bei den Kindern zuhause, wenn sie krank sind. Ich kenne viele Paare, bei denen dies genauso ist. Dafür braucht es natürlich ein Umdenken und ein Kinderbetreuungsmodell, das dies unterstützt.

Erfolgreiche Männer gelten als sympathisch, erfolgreiche Frauen oft als unsympathisch. Frauen wurde in der Vergangenheit anerzogen, um jeden Preis gemocht werden zu wollen. Ist das immer noch so oder kommt eine Frauengeneration nach, die anders tickt? Und müssen sich Frauen abgewöhnen, sympathisch wirken zu wollen, um erfolgreich zu sein?

Ich bin mir sicher: Wir haben schon jetzt eine Frauengeneration, die anders tickt. Wenn wir uns erfolgreiche Frauen anschauen, dann sieht man klar: Sympathie und Führungsstärke schließen sich nicht aus – es geht darum, authentisch zu bleiben und sich selbst treu zu sein, während man gleichzeitig Professionalität und Kompetenz ausstrahlt. Und so versuche ich auch, meine beiden Töchter zu erziehen: als selbstbewusste Frauen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen, ohne sich von der Meinung und der Erwartung anderer einschränken zu lassen.

Viele Arbeitgeber wollen immer noch keine Frauen einstellen, die eventuell bald ausfallen, weil sie Kinder bekommen könnten. Ist das verwerflich oder wirtschaftlich vielleicht sogar rational?

Untersuchungen zeigen, dass die „Motherhood Penalty“ nicht nur Mütter, sondern auch allgemein Frauen im Alter von 25 bis 40 Jahren betrifft. Und dies einfach nur, weil Unternehmen befürchten, sie könnten schwanger werden. Diese Einstellung ist sowohl ethisch verwerflich als auch wirtschaftlich kurzsichtig. Jedes Unternehmen würde davon profitieren, diese hochqualifizierten Frauen als Mitarbeiterinnen zu gewinnen. Viele Unternehmen haben dies mittlerweile erkannt und setzen nicht nur auf familienfreundliche Maßnahmen, um die MitarbeiterInnenzufriedenheit und -bindung zu erhöhen, sondern werben auch mit diesen, um Frauen als Mitarbeiterinnen zu gewinnen.

Wie haben Sie Ihre Familiengründung mit Ihren beruflichen Ambitionen in Einklang gebracht?

Für mich war immer klar: Ich möchte Familie und Karriere miteinander vereinbaren. Ist dies immer einfach? Definitiv nicht! Dies erfordert sorgfältige Planung und Flexibilität. Flexible Arbeitsmodelle spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein starkes Unterstützungssystem, bestehend aus Großeltern, Freunden und Kinderbetreuung, ist ebenfalls entscheidend. Zudem ist es wichtig, sich selbst realistische Ziele zu setzen: Meine Work-Family-Balance ist nicht jede Woche gleich. Es gibt Wochen, da nimmt meine Arbeit eine stärkere Stellung ein, z.B. wenn wir uns im Quartalsabschluss befinden. Dafür gibt es dann aber auch Wochen, in denen meine Familie eine stärkere Stellung einnimmt, z.B. letzte Woche als beide meiner Töchter krank zu Hause waren. 

Zur Person: Als COO von Kyndryl Deutschland ist Anne Michels für die operative Führung des Unternehmens verantwortlich und leitet die Geschäftsfelder Business Operations, Procurement, Facilities und Business Processes. Michels verfügt über langjährige Erfahrung in der IT-Branche und war zuletzt bei Microsoft als COO von Microsoft Österreich und als Director Product Marketing Microsoft Teams in Redmond/USA tätig. Ihre Karriere startete sie 2009 als Online Marketing Lead bei Microsoft Deutschland. Darüber hinaus ist Michels eine erfahrene Speakerin, die ihr Wissen – vor allem in den Bereichen neue Arbeitswelt und Frauen in der IT – auf zahlreichen Veranstaltungen und in unterschiedlichen Formaten weitergibt. Die 42-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. In ihrer Freizeit unternimmt Michels mit ihrer Familie sportliche Aktivitäten in der Natur wie Klettern oder Snowboarden.

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