Bis Ende 2025 stehen 215.000 Unternehmen vor der Nachfolge, aber nur ein Bruchteil der Nachfolgen sind gesichert. Verschwindend gering ist dabei der Anteil der Frauen, die Unternehmen übernehmen. Andrea Hartmair kümmert sich mit ihrer Boutique-Beratung WORT+MARKE darum, dass sich das ändert – und verhilft Nachfolgerinnen mit einer guten Positionierung auf die neue Bühne.
von Dagmar Zimmermann
Sie betreuen in Ihrer Arbeit Nachfolgerinnen von Familienunternehmen. Was sind die großen Probleme dieser Zeit?
Andrea Hartmair: Um es gleich vorwegzunehmen: Die Herausforderungen in Familienunternehmen sind derzeit enorm – vielleicht größer denn je. Bis Ende 2025 stehen etwa 215.000 Familienunternehmen zur Übergabe an, aber nur ein Bruchteil der Nachfolgen gelingen. Noch nie haben so viele Inhaber der Rückzug geplant, zeigen die neuesten Erhebungen der KfW Bankengruppe.
Dabei gelten Familienunternehmen als Rückgrat unserer Wirtschaft…
Andrea Hartmair: Absolut. Und wir brauchen diese Familienunternehmen, um der aktuellen Rezession entschieden entgegenzuwirken. Frauen können hier den entscheidenden Unterschied machen – wenn sie den Mut dazu haben und die Vorgängergeneration sie auch lässt.
Wie meinen Sie das genau?
Andrea Hartmair: Unterschiedliche Generationen haben häufig unterschiedliche Werte. Wenn Kinder mit ihrem Vater, der sein Unternehmen beispielsweise über Jahrzehnte patriarchalisch aufgebaut hat, über Nachfolge sprechen, stoßen Familien oft an ihre Grenzen. Werte spielen hier eine große Rolle. Sie sind in unserer DNA festgelegt, und es ist sehr schwierig, diese zu übergehen oder zu verstecken. Frauen helfen in diesen Situationen ihre Meta-Kompetenzen wie Empathie und Kreativität, um gemeinsam einen zukunftssicheren Weg zu finden.
Was hilft hier?
Andrea Hartmair: Ein genauer Blick darauf: Wie lief es bisher, was war gut, was weniger gut und wie wird es künftig weitergehen. Werte hört, spürt und erlebt man im Unternehmen – und sie haben eine starke Wirkung auf das gesamte Team. Damit stehen und fallen manchmal die Mitarbeiter- und Kundenbindung, die Attraktivität des Unternehmens und die Unternehmenskultur.
Wann kommen Sie denn ins Spiel?
Andrea Hartmair: Beim Thema Kommunikation im besten Falle ein bis zwei Jahre vor dem Generationenwechsel. Das ist sehr wichtig. Es kommen nicht nur steuerliche, rechtliche und organisatorische Fragen auf, die man im Übrigen schon fünf bis zehn Jahre vor dem Wechsel thematisieren sollte. Gerade die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Familie spielt, wie erwähnt, eine große Rolle. Wer frühzeitig plant, kann ohne Zeitdruck das ideale Szenario und eine möglichst reibungslose Übergabe sicherstellen.
… immer mit der richtigen Kommunikation?
Andrea Hartmair: Richtig. Nur wenn ich Botschaften klar und zielgruppengerecht kommuniziere, kann ich erwarten – und das übrigens familienintern, im Unternehmen und extern – dass sie ankommen und umgesetzt werden. Nur wenn ich eine offene und respektvolle Kommunikation sicherstelle, kann ich erwarten, dass das Team auch mitzieht. Für die gravierende Veränderung im Zuge einer Unternehmensnachfolge braucht es besonders viel Feingefühl.
Stichwort Gerüchteküche. Mitarbeitende reagieren beim Thema Übergabe ja oft panisch.
Andrea Hartmair: Wichtig ist, mit viel Vorsicht und lange Zeit mit Zurückhaltung gegenüber den Mitarbeitenden zu agieren. Sobald die Nachfolge offiziell bevorsteht und die Kommunikation starten darf, geht es um Information, Mitnahme, Motivation und eine klare gemeinsame Vision. Mitarbeitende sollen das Gefühl haben, ihre Fragen und Bedenken problemlos stellen zu können – so wirkt man der besagten Gerüchteküche entgegen.
Welche Schritte empfehlen Sie, um eine reibungslose Übergabe zu gewährleisten?
Andrea Hartmair: Erstens Klarheit über die Nachfolgeoptionen – wer kommt in Frage, wann, wie, in welcher Konstellation? Zweitens der Einstieg in Gespräche mit der gesamten Familie – hier macht es in den meisten Fällen bereits Sinn, frühzeitig eine externe Person einzubinden. Als dritter Punkt, ein bis zwei Jahre vor der Übergabe empfehlen wir mit einer Kommunikationsplanung zu starten. Und letztlich lassen sich Nachfolgerinnen idealerweise auch nach der Übergabe weiter begleiten und unterstützen. So lässt sich Überlastung direkt vorbeugen.
Ihre Boutique-Agentur heißt WORT+MARKE: Wie schafft man es, mehr Marke zu sein und mehr Wort zu halten?
Andrea Hartmair: (lacht) Mehr Wort zu halten, ist hoffentlich nicht nötig. Wenn doch, dann steigen wir noch tiefer ein in bessere Kommunikationswege, Führungskräfte-Workshops und Kultur-Retreats. Mehr Marke zu werden, ist ein Ziel, das wir durch ein starkes Unternehmensleitbild, eine attraktive Arbeitgebermarke oder Personal Branding gemeinsam erreichen.
Zum Unternehmen: Wort+Marke ist eine Boutique-Beratung, die sich um starkes Branding, ganzheitliche Kommunikation und nachhaltige Sichtbarkeit für Frauen kümmert. Andrea Hartmair entwickelt individuelle Strategien, um die Unternehmensnachfolgerinnen und bei Bedarf auch deren Unternehmen bei der Umsetzung eng zu begleiten.