Habt ihr Verständnis für den Streik der Lokomotivführer?

Foto: K.- P. Adler/AdobeStock
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Liebe Leserin, lieber Leser,

die Nachricht kam kurzfristig und überraschend: Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, besser bekannt als GDL. Mein erster Gedanke: Geht das jetzt schon wieder los? Ich erinnere mich an Jahre, in denen Piloten und Lokführer abwechselnd für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt haben. Wer viel unterwegs war, musste sorgfältig planen und am besten Bahn und Flug buchen, um überhaupt eine Chance zu haben, ans Ziel zu kommen. Inlandsflüge habe ich aus meinem Repertoire gestrichen, meine Mobilitätswende ist die Bahn. Und wenn die stillsteht, habe ich ein handfestes Problem. Diese Woche hatte ich Glück. Dachte ich. Für meine Termine in Frankfurt stieg ich vor Streikbeginn in den Zug. Und wollte nach Streikende zurück nach Köln. Als ich dann aber die Rückfahrt buchen wollte, habe ich doof aus der Wäsche geguckt. Zug fällt aus; Zug fällt aus; Zug fällt aus – keine einzige Verbindung von Frankfurt nach Köln!

Egal ob Erzieher, Ärzte, Apotheker, Krankenschwestern- oder Pfleger, Müllwerker, Lokführer oder wer auch immer: Wenn gestreikt wird, gerät der Alltag aus den Fugen. Dann merkt man erst, was sonst so selbstverständlich funktioniert. OK, bei der Bahn mit Einschränkungen. Aber selbst, wenn sich ein Zug verspätet oder mal einer ausfällt: In der Regel erreicht man sein Ziel!

Anders gestern – keine Chance, nach Hause zu kommen. Ich gebe zu: Ich war (sehr) genervt. Und irgendwie auch grummelig, dass alle so viel Geld mehr verlangen – weniger arbeiten bei vollem Lohn, der am besten auch noch zweistellig steigen soll. Plus Inflationsprämie – steuerfrei. Ob ich wollte oder nicht: Ein mieses Gefühl kam hoch. Schwache Konjunktur, hohe Kosten für Energie und Personal und ein möglicher Zweitrundeneffekt: Wie soll das nur alles gehen?

Und dann – das schlechte Gewissen. Streikrecht, Tarifautonomie – das gibt es nur in freiheitlich organisierten Staaten. Das sind Errungenschaften, die die Gesellschaft zusammenhalten und den sozialen Frieden sichern. Und ermuntere ich – ermuntert Courage – nicht jede und jeden, für ihre oder seine Rechte einzustehen? Dann schäme ich mich für meine komischen Gefühle.

Wie geht es Dir damit? Hast Du Verständnis für Streiks, auch in Krisenzeiten und auch, wenn sie Deine Pläne durcheinander würfeln?

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende

Birgit Wetjen

Chefredakteurin Courage

Habt ihr Verständnis für den Streik der Lokomotivführer?
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