Hendrik Leber zur Inflation: „Die Erwartungen an die Geldpolitik sind überzogen“

Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber, ©Acatis
Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber, ©Acatis
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Im vergangenen Jahr beschäftigte die Inflation die Finanzmärkte massiv. Wir haben bei Acatis-Fondsmanager Hendrik Leber nachgefragt, wo die Ursachen liegen, wie man sich vor der Inflation schützt und was inflationsgesicherte Anleihen bringen.

Courage-Lounge: Herr Leber, das große Thema der vergangenen zwölf Monate war die Inflation. Wird es den Zentralbanken gelingen, sie wieder zurückzudrängen?

Hendrik Leber: Nun, als erstes müssen wir anerkennen, dass die Ursachen der jüngsten Preissteigerungen gar nicht im Einflussbereich der Notenbanken liegen. Deshalb sind die Erwartungen an die Geldpolitik überzogen. 

Worin liegen denn die Ursachen?

Im Wesentlichen sind es vier Faktoren, die uns auch noch eine ganze Weile begleiten werden. Der erste liegt im schrumpfenden Arbeitsangebot. Die demographische Entwicklung führt dazu, dass die Babyboomer, die heute in Rente gehen, nicht mehr durch nachwachsende Jahrgänge ersetzt werden. Die Nachfrage nach Arbeit aber bleibt konstant – entsprechend steigt der Preis der Arbeit. Auch auf den zweiten Grund, den Ukrainekrieg, haben die Notenbanken keinen Einfluss: Die 100 Milliarden Euro neue Schulden, mit denen das sogenannte „Sondervermögen“ zur Wiederherstellung der Kampffähigkeit der Bundeswehr dotiert wird, fehlen natürlich anderswo. Nicht mit der Geldpolitik hat auch die Entscheidung der Regierungen zu tun, ihre Volkswirtschaften autarker zu machen und dafür die Produktion zu re-regionalisieren. Ein Chip-Fachmann in den USA kostet viermal soviel wie in Taiwan. Auch das schlägt sich in der Inflation nieder. Und schließlich treibt die Energiewende die Preise – regenerative Energien sind einfach viel teurer.

Und wie kann man sich schützen?

Mit Sachwerten. Ich war neulich in einer Sonderausstellung des Historischen Museums Frankfurt, die sich der Hyperinflation von 1923 widmet. Dort kann man sehen, dass die Leute das damals sehr schnell begriffen haben. Selbst ein Stück Butter war als Wertaufbewahrungsmittel geeigneter als Geld, das am nächsten Tag schon wertlos war. Heute ist der beste Inflationsschutz die Beteiligung an Unternehmen, sprich Aktien. Eingeschränkt helfen auch Immobilien.

Können Sie uns die Mechanik bei Aktien erläutern?

Nun, ein Unternehmen kann Preiserhöhungen an die Kunden überwälzen. So haben Sie die Situation, dass Umsatz, Kosten und Gewinn parallel steigen. An Ihrer realen Position hat sich am Ende nichts geändert: Mit der ebenfalls höheren Dividende können Sie die gleiche Warenmenge kaufen wie zuvor.

Und das funktioniert immer?

Das funktioniert auf lange Sicht. Kurzfristig geht eine hohe Inflation häufig mit Pessimismus über die weitere Wirtschaftsentwicklung einher – mit entsprechend niedrigeren Unternehmensbewertungen. Dann muss man zwischenzeitlich Buchverluste in Kauf nehmen. Solange man die aber nicht realisiert, verursachen sie nur Phantomschmerzen.

Helfen inflationsgesicherte Anleihen?

Wenn die Inflation schon da ist, helfen die leider nicht. Inflationsgesicherte Anleihen funktionieren wie eine Versicherung. Die muss man ja auch vor dem Schadenereignis abgeschlossen haben, damit sie leistet.

Sie haben schon länger vor einer anziehenden Inflation gewarnt. Haben Sie sich denn rechtzeitig versichert?

Glücklicherweise ja. Wir haben für unsere Fonds vor knapp fünf Jahren, als die Mehrheit am Markt noch davon ausging, dass die Preissteigerungsraten dauerhaft niedrig bleiben, von Banken insgesamt 4 Zertifikate maßschneidern lassen – Kaufoptionen auf einen Inflationsindex – und uns so 1,6 Prozent auf 30 Jahre gesichert. Rechnet man die „Versicherungsprämie“ dazu, sind wir ab einer Inflationsrate von 2,4 Prozent im Gewinn. Der Markt rechnet derzeit mit 2,5 Prozent Inflation.

Und was hat das gebracht?

Eines der Zertifikate haben wir realisiert. Damit haben wir für die Fonds 120 Millionen Euro verdient. Die anderen laufen noch.

Müssten Sie die nicht auch bald realisieren? Die Inflation sinkt doch gerade wieder.

Die Preissteigerungsrate kommt in der Tat gerade wieder etwas herunter. Das liegt auch am Basiseffekt. Aber die vier grundlegenden Trends, die ich eingangs genannt habe, verschwinden nicht aus der Welt. Und denen gegenüber sind die Zentralbanken völlig machtlos. Wenn Fed und EZB einmal akzeptieren, dass sie mit ihrem geldpolitischen Latein am Ende sind, wird eine Inflationsrate von vier Prozent wahrscheinlich die neue Normalität. Und dann werden wir mit unseren Zertifikaten noch viel Freude haben.

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