Wenn die Klimaanlage im Zug nicht richtig läuft oder ausfällt, kann es für die Fahrgäste an heißen Tagen schnell unerträglich werden. Sie sollten dann umgehend das Zugpersonal ansprechen, rät Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn.
In vielen Zügen seien auch Sprechanlagen verbaut, über die man den Triebfahrzeugführer kontaktieren und auf die Probleme hinweisen kann. Zum Beispiel, wenn die Wagen getrennt gekoppelt sind wie bei vielen Regional- und S-Bahnen.
«Wichtig ist dann, dass das Bahnpersonal umgehend handelt», so Naumann. Im besten Fall lässt sich das Problem lösen, in dem die Einstellungen an der Klimaanlage angepasst werden.
Umsetzen oder Zug räumen
Bei größeren Defekten wird in der Regel versucht, dass der Zug zum nächsten Bahnhof fährt und dort evakuiert wird. Bei Fernzügen wie den ICE und IC der Deutschen Bahn werde oft auch nur der Wagen geräumt, in dem der Defekt besteht, erklärt Naumann. Die Fahrgäste werden dann auf die Wagen verteilt, wo die Klimaanlage noch funktioniert.
Schlecht ist, wenn der Zug unterwegs stehen bleiben muss und dann auch noch die Klimaanlage ausfällt. «Ein Halt auf freier Strecke ist der große Gau», sagt Naumann. Eine Evakuierung sei dann nicht ohne Weiteres möglich.
Auf zweigleisigen Strecken bestehe die Gefahr, dass entgegenkommende Züge aussteigende Fahrgäste erfassen, so der Fachmann. Und selbst bei nur einem Gleis gibt es Risiken – etwa die Verletzungsgefahr durch den hohen Abstand von Zugkante zum Boden, da der Bahnsteig fehlt.
Bahnbetreiber müssten darum schnell Polizei und Feuerwehr rufen, damit Einsatzkräfte bei der Räumung des Zuges unterstützen, sagt Naumann.
Ist es heiß und stickig, klagen erste Fahrgäste über gesundheitliche Probleme und ist kein Bahnpersonal greifbar, ist das auch die letzte Option für Fahrgäste: In solchen Lagen können sie ebenfalls den Notruf wählen, so Naumann.
Und die Scheiben einschlagen, um für etwas Luft zu sorgen? «Dürfen tut man es nicht, aber manchmal bleibt nichts anderes übrig», sagt Naumann dazu.
Scheibe einschlagen? Warum ein Anwalt das kritisch sieht
Der Rechtsanwalt Philipp Gehrmann rät vom Einschlagen der Zugscheibe ab. Zwar hat man das sogenannte Notstandsrecht, wenn akute Gefahr für Leib und Leben besteht – das erlaubt dann in bestimmten Situationen die Beschädigung des Eigentums anderer Personen.
Ein häufig genanntes Beispiel dafür ist das Einschlagen einer Scheibe, wenn ein abgeschlossenes Auto in der prallen Sonne steht und man drinnen ein Kind beobachtet, dem es offensichtlich nicht gut geht.
Doch dieses Szenario lässt sich nicht auf die Situation im Zug übertragen, so der Experte, der beim Deutschen Anwaltverein im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht tätig ist.
Zum einen sei im Zug Personal vorhanden, dass die Türen von innen öffnen kann. Zum anderen könnten auch Türnotöffnungsmechanismen vorhanden sein, die Fahrgäste selbst in Notsituationen auslösen könnten.
Stattdessen das Fenster einzuschlagen, ohne diese anderen Handlungsoptionen zu ergreifen, könnte laut Gehrmann als Sachbeschädigung bewertet werden – und gegebenenfalls auch als gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr. Er rät im Notfall, lieber die Polizei anzurufen. «Das ist eine bessere Idee als die Zerstörung der Scheibe.»
Weniger Probleme mit Klimatisierung – Defekte immer möglich
Immerhin: Nach Einschätzung von Pro-Bahn-Fachmann Karl-Peter Naumann haben Probleme mit der Klimatisierung in Zügen in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. «Es sind viele neuere Züge mit leistungsfähigen Klimaanlagen im Einsatz.» Aber Technik könne natürlich immer defekt sein, darum seien Probleme nie auszuschließen.
So wie in einem Zug der Nordwestbahn, der am Dienstag wegen eines technischen Defekts auf einer Eisenbahnbrücke zum Stehen kam und bei dem dann auch die Klimaanlage nur noch eingeschränkt funktionierte, wie ein Bundespolizeisprecher mitteilte. Es wurde schnell heiß, Fahrgäste wählten darum den Notruf – Polizei und Rettungskräfte rückten an, um die knapp 50 Betroffenen zu befreien. Fünf Menschen wurden laut den Polizeiangaben wegen Kreislaufproblemen und Dehydrierung behandelt.
Wie die Deutsche Bahn die Temperaturen in Fernzügen einstellt
Fahrgäste könnten sich jederzeit bei hohen Temperaturen an das Zugpersonal wenden, sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Die Basistemperatur in den Fernverkehrszügen des bundeseigenen Konzerns betrage den vorgegebenen Normen entsprechend 23 Grad Celsius und könne je nach Bedürfnissen der Fahrgäste in den einzelnen Wagen um zwei Grad nach oben oder unten verändert werden.
Im Sommer kann die Innentemperatur auch von vornherein auf 25 Grad Celsius eingestellt sein. Das hat dem Bahnsprecher zufolge Vorteile: Die Klimaanlage kann möglichst energiesparend eingesetzt werden, gleichzeitig frieren Fahrgäste weniger, wenn sie aus der Wärme von draußen in das gekühlte Abteil kommen.
Ist die Klimaanlage an Bord gestört, haben alle ICE- und IC-Züge «ausreichend Wasservorräte» dabei, die verteilt werden können, so der Sprecher. Er weist auch darauf hin, dass Wagen mit gestörter Klimaanlage im Fernverkehr in der App DB Navigator und auf bahn.de anzeigt werden, «damit sich Fahrgäste frühzeitig orientieren können».
Gelderstattung bei Verspätung?
Fahrgastrechtlich gilt laut Karl-Peter Naumann von Pro Bahn übrigens: Wenn man innerhalb des Zuges wegen eines Klimaanlagen-Defekts umziehen muss, sei das zumutbar. Kann der Zug nicht mehr weiterfahren und man verspätet sich deshalb, dann gelten die üblichen Entschädigungsansprüche – also 25 Prozent des Fahrpreises ab einer Stunde, 50 Prozent ab zwei Stunden Ankunftsverspätung.
Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn zum Beispiel ein Böschungsbrand die Verspätung verursacht – dann könnte sich das Bahnunternehmen auf höhere Gewalt berufen, so Naumann. «Eine defekte Klimaanlage aber ist sicher keine höhere Gewalt.» (dpa/tmn)